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Kiezerfahren. Melanie Knies (hier mit ihrer Hündin Gioia am Mariannenplatz) gründete die Agentur „Berlin mit Hund“.

© Mike Wolff

Berlin bellt (3): Schnüffeltouren durch den Kiez

Herkömmliche City-Guides gibt es in Berlin schon genügend. Melanie Knies bietet Stadtführungen speziell für Hundebesitzer – mit der Tour durch Kreuzberg als ihr beliebtestes Angebot. Doch Knies hat noch mehr schräge Ideen.

Punkt elf, die Glocken der St.-Thomas-Kirche läuten. Ein Bellen hallt über den Mariannenplatz. Einmal, zweimal, dreimal. Ein melodisches Jaulen im Takt des Kirchenspiels. „Du bist aber ein sehr christlicher Hund“, sagte Melanie Knies zu Terriermischling Sam und lacht. Dessen Besitzerin versucht, beruhigend auf ihn einzureden. Erst mit dem letzten Glockenschlag verstummt der Rüde. Jetzt kann die Kieztour durch Kreuzberg beginnen.

„Wir gehen hier lang“, sagt Melanie Knies, während sie mit der Hand Richtung Bethaniendamm deutet. Sie leint ihre Hündin Gioia an, dann laufen die zwei Frauen los, die Hunde neben ihnen. Erster Halt ist das Baumhaus an der Mauer, jenes berühmte Fleckchen Erde im Niemandsland zwischen Ost und West, das 1983 von Anwohner Osman Kalin annektiert, entrümpelt, bepflanzt und bebaut wurde. Heute ist es ein Stück skurriler Zeitgeschichte. Es erinnert daran, welche Kuriositäten im Schatten der Grenze gedeihen konnten. Eine Touristenattraktion jenseits der staatstragenden Sehenswürdigkeiten. Ein kurzer Exkurs zur bewegten Historie des Baumhauses, während Sam und Gioia emotionslos bleiben, und weiter geht’s. Die nächsten Stationen: das Rauch-Haus, die Ton-Steine-Gärten, der Kinderbauernhof.

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Es ist keine gewöhnliche Stadtführung, auf die sich Melanie Knies an diesem sonnigen Donnerstagvormittag mit der Touristin aus Salzgitter begibt. Die 40-Jährige hat sich auf Rundgänge für Hundebesitzer spezialisiert, bietet verschiedene Touren durch verschiedene Stadtteile an. Zwei- bis dreistündige Spaziergänge durch kleine Seitenstraßen und möglichst wenig befahrene Kieze. Zur Begrüßung erhalten die Teilnehmer ein Tütchen, mit denen unterwegs anfallender Hundedreck beseitigt werden kann, zudem gibt es kleine Leckerlis für Tier und Mensch. Hundekekse und Bonbons.

Die Führung durch Kreuzberg sei ihre beliebteste Tour, erzählt Melanie Knies später, als sich ihre Begleiterin samt Sam am Görlitzer Park verabschiedet hat. Gioia, Knies’ vierjähriger, zum Therapiehund ausgebildeter Jagdhundmischling, trottet immer noch an der Leine neben ihrer Besitzerin her; sie hat das Lauftempo jetzt etwas reduziert. Das Durchatmen nach dem strammen Marsch zuvor haben sich Mensch und Tier verdient.

Joggingtreffs, Krimi-Touren, Speed-Dating – Melanie Knies hat noch mehr Ideen

Melanie Knies, gebürtige Braunschweigerin, ist gelernte Touristikfachwirtin. Jahrelang arbeitete sie als Reiseleiterin, war viel in Italien unterwegs. Die Sehnsucht nach ein bisschen mehr Konstanz im Leben verschlug sie nach Berlin. Für den Gastronomiebetrieb „Ständige Vertretung“ in Mitte machte sie die Öffentlichkeitsarbeit, doch jeden Tag nur im Büro zu sitzen war auf Dauer nicht ihr Ding. Deshalb überlegte sie sich, was sie stattdessen tun könnte. Als herkömmlicher City-Guide arbeiten? „Wer braucht das in Berlin noch? Es gibt ja schon genügend.“ Dann kam ihr die Idee mit den Touren für Hundebesitzer, weil es ein solches Angebot bis dahin noch nicht gab.

Also gründete Knies die Agentur „Berlin mit Hund“, richtete eine Website ein – und war überrascht, als kurz darauf das Telefon klingelte und ein Ehepaar aus dem Sauerland sich für eine Führung durch Kreuzberg anmeldete. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht.“ Zwei Nächte wälzte sie Literatur, dann stand die Route. Kleine Textpatzer bei der Premiere bemerkten die Touristen nicht, so begeistert waren sie.

Zwei Jahre ist das her. Mittlerweile klingelt das Telefon bei Melanie Knies ziemlich oft. Die Anrufe kommen aus ganz Deutschland, es sind meist Menschen, die einen Besuch mit Hund in Berlin planen, durchs Internet werden sie auf Knies aufmerksam. Ihre Agentur ist nicht nur auf Touristen aus. Sie kümmert sich auch um hauptstädtische Hundehalter, bietet Joggingtreffs für Mensch und Tier, Spieleparcours und Krimi-Touren, bei denen es ein „Verbrechen“ aufzuklären gilt. Klingt schräg? Ist es nicht, sagt Knies. Hunde sind auch nur Kopfmenschen. „Sie brauchen eine Aufgabe und außerdem Bewegung.“

Melanie Knies hat noch mehr Ideen. Derzeit bereitet sie ein Speed-Dating für Singles mit Tier vor, es soll am 2. September in der Hundeschule Mosig in Pankow stattfinden; über die Homepage der Agentur kann man sich dafür anmelden. Und demnächst gibt es bei ihr Komplettpakete für Berlin-Touristen: Unterbringung in hundefreundlichen Apartments, Dinner-Reservierungen für Restaurants, in denen Vierbeiner willkommen sind, und ein Musical-Besuch. Nein, da darf Hund nicht mit, aber er hat einen abwechslungsreichen Abend – bei einem Hundesitter.

Mehr Infos: www.berlinmithund.de

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