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Berlin-Besuch vor 50 Jahren: John F. Kennedy auf eigenen Spuren

"Ich bin ein Berliner" - der legendäre Satz von John F. Kennedy jährt sich am Mittwoch zum 50. Mal. Doch der US-Präsident war schon vor diesem umjubelten Besuch mehrmals in Berlin – und erlebte dabei hautnah die Folgen des Krieges.

Das Hotel Excelsior in der Königgrätzer Straße, die heute Stresemannstraße heißt, rühmte sich auf seinem Briefpapier, nicht allein das „größte Hotel des Kontinents“ zu sein, sondern auch über den „größten Hoteltunnel der Welt“ zu verfügen. Dieser verband das Haus mit dem gegenüberliegenden Anhalter Bahnhof, die Reisenden sollten es bequem haben. Gut möglich, dass auch John F. Kennedy bei seinem ersten Berlin-Besuch dort ankam, durch den Tunnel das Hotel betrat und sich ein Zimmer nahm. Überliefert ist jedenfalls ein am 20. August 1939 datierter, auf Excelsior-Papier geschriebener Brief Kennedys an einen Freund, in dem er sich neben privaten Mitteilungen auch über die Möglichkeit eines baldigen, am Streit um Danzig sich entzündenden Krieg zwischen Deutschland und England äußert.

Es war also gar nicht so unwahrscheinlich, was man dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt zum Besuch Kennedys 1963 auf den „Waschzettel“ mit Sehenswürdigkeiten der Fahrtroute notiert hatte. „Vielleicht ist der Präsident hier schon einmal angekommen oder abgefahren, als er in Deutschland war“, hieß es da zum Anhalter Bahnhof.

Andererseits erzählte Kennedy Brandt beim Halt am Brandenburger Tor, dass er vor dem Krieg schon einmal auf der anderen Seite, im Hotel Adlon gewesen sei. Aber ob nun das alte, damals in Resten noch erhaltene Adlon oder das 1954 abgerissene Excelsior die Ehre für sich verbuchen konnte, die erste Berliner Unterkunft des späteren US-Präsidenten gewesen zu sein – entscheidend ist die wenig bekannte Tatsache, dass der triumphale Berlin-Besuch Kennedys vor 50 Jahren keineswegs sein erster war. Selbst Egon Bahr, damals Senatssprecher, bekennt in dem soeben unter dem Titel „Unter Deutschen“ herausgekommenen Band mit Reisetagebüchern und Briefen Kennedys, dass er von dessen Deutschland-Reisen 1937, 1939 und 1945 nichts gewusst habe.

"Ich bin ein Berliner" - unsere Videoserie zum Jahrestag der Kennedy-Rede

Die erste Deutschland-Visite vom 17. bis 22. August 1937 war Teil einer Bildungsreise des Harvard-Studenten Kennedy, die Berlin noch aussparte. 1939 bereiste er erneut Europa, zum Zwecke politischer Studien, die aber „zugleich halboffizielle Erkundungsmissionen im Dienst seines Vaters“ Joseph Kennedy, US-Botschafter in London, waren, wie Oliver Lubrich, Literaturprofessor in Bern und Herausgeber des Kennedy-Bandes, schreibt. Die genauen Reisedaten sind kaum rekonstruierbar, verbürgt ist ein Besuch in Danzig im Mai, ein erster Deutschland-Besuch im Juli und ein zweiter im August, der Kennedy auch nach Berlin führte. Als er am 20. August seinen Excelsior-Brief schrieb, waren es bis zum Kriegsausbruch nicht mal mehr zwei Wochen. Kennedy soll sogar vom Chargé d’Affaires der US-Botschaft in Berlin, Alexander Kirk, die Nachricht für seinen Vater erhalten haben, dass Deutschland innerhalb einer Woche losschlagen werde – was Lubrich für glaubwürdig hält, auch wenn er selbst dafür keinen Beleg gefunden hat.

Als Journalist auf der Potsdamer Konferenz 1945

Die dritte Deutschland-Reise Kennedys 1945 führte ihn nicht nur erneut nach Berlin, sondern brachte den künftigen Präsidenten zugleich mit seinen beiden Vorgängern Harry S. Truman und Dwight D. Eisenhower zusammen. Das war anlässlich der Potsdamer Konferenz, zu der der junge Journalist den mit seinem Vater gut bekannten Marineminister James V. Forrestal begleiten durfte. Am späten Nachmittag des 28. Juli kam er mit der C-54 des Ministers in Gatow an, anschließend ging es zu Trumans „Little White House“ in der heutigen Karl-Marx-Straße in Potsdam-Babelsberg und, nach einem kurzen Gespräch zwischen Truman und Forrestal, zu einer Villa am Kleinen Wannsee, „einem hübsch eingerichteten Haus in herrlicher Lage an einem schönen See“, wie Kennedy in seinen Reisenotizen schreibt.

Am 30. Juli flog er schon weiter nach Bremen, die nicht mal zwei Tage in Berlin hat der junge Korrespondent der „Hearst Newspapers“ aber gut genutzt. Präzise beschrieb er die Situation in der Stadt: „Alles ist zerstört. Unter den Linden und die Straßen sind verhältnismäßig frei, doch es gibt kein einziges Gebäude, das nicht ausgebrannt ist. In manchen Straßen ist der Gestank der Leichen überwältigend – süßlich und ekelerregend.“ Auch in der Reichskanzlei sah er „Spuren des schrecklichen Kampfes, der hier tobte (…) In dem Raum, in dem Hitler den Tod gefunden haben soll, waren versengte Wände, Spuren von Feuer, zu sehen.“

Kennedy führte zahlreiche Gespräche, so mit dem Direktor der amerikanischen Militärregierung und auch einer jungen Berlinerin, die der Vergewaltigung durch russische Soldaten nur mit Glück entgangen war. Seine Beschreibung Berlins analysiert die Möglichkeiten des Wiederaufbaus, der durch die Teilung in vier Sektoren massiv erschwert werde. „Auf jeden Fall wird es Jahre dauern, bis Berlin die Trümmer wegräumen und das Material zum Wiederaufbau beschaffen kann.“

Nach seiner Rückkehr hielt Kennedy, der auch 1948 und 1951 Deutschland, allerdings nicht Berlin besuchte, vor den Veteranen der „American Legion“ seinen ersten politischen Vortrag über die Lage in Europa. Eines der zentralen Themen der Rede am 11. September 1945: Berlin.

John F. Kennedy: Unter Deutschen. Reisetagebücher und Briefe 1937 – 1945. Herausgegeben von Oliver Lubrich. Aufbau-Verlag Berlin. 256 Seiten, 22,99 Euro

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