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Berlin-Brandenburg: Popstar Wowereit gegen Kümmerer Platzeck

Zwei Länder, zwei Cheftypen: Klaus Wowereit und Matthias Platzeck regieren auf sehr unterschiedliche Weise. Ihr Führungsstil, ihre Erfolge, Themen und Ambitionen – eine Gegenüberstellung von Thorsten Metzner und Ulrich Zawatka-Gerlach.

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Wie kümmert sich Wowereit um das Land?

Angetreten ist Wowereit 2001 mit dem Anspruch, in Berlin einen politischen Mentalitätswechsel herbeizuführen. Mit der Haushaltskonsolidierung ist das gelungen. Und er hat mit der Regierungsbeteiligung der PDS/Linke den Ostteil der Stadt gesellschaftlich eingebunden. Mediale Präsenz ist Wowereits Stärke, aber er hat im Laufe der Jahre viel Bodenständigkeit verloren. Teilweise auch die Lust an der Lösung dringender kommunaler Probleme. Im Roten Rathaus werden kaum noch Reformprojekte geschmiedet. Falls er jemals ein Volkstribun war, ist er es schon lange nicht mehr. Das Bild des Landesvaters passt nicht zu Wowereit. Er ist wohl eher ein Polit-Popstar, ein guter Botschafter für das Image Berlins in der Welt, überall bekannt und charmant, wenn er will.

Wie ist Wowereits Regierungsstil?

Sprunghaft, schwer kalkulierbar. Wowereit gilt als Quartalsarbeiter, der zeitweise antreibt, sich dann aber wieder zurückfallen lässt in eine geradezu lethargische Stimmung. Die Kollegen im Senat agieren in der Regel an der langen Leine, selten erklärt er etwas zur Chefsache. Und selbst wenn, darf man das nicht immer so ernst nehmen. Es gibt kaum Probleme, für die er sich brennend interessiert, seine Leidenschaft gilt der Kultur, aber sonst? Allerdings ist Wowereit ein penibler Aktenleser, der sich in Details versenken kann und Fehler rasch findet. Dann ducken sich die Köpfe, auch von Senatsmitgliedern. Das Arbeitsklima in der Senatskanzlei ist für sensible Charaktere eher schwierig.

Welche bundespolitische Ambition hat er?

Auf dem SPD-Bundesparteitag im November wird Klaus Wowereit zum stellvertretenden Parteichef gewählt. Bei der letzten Vorstandswahl hatte er schon dieses Ziel, aber die alte Garde der Sozialdemokratie war dagegen. Dass er im linken Parteilager verortet ist, hilft ihm erst jetzt. Auch die Regierungserfahrung mit der Linkspartei wird ihm künftig zugutekommen. Schaut man sich seinen politischen Lebenslauf an, fällt auf, dass er stets hartnäckig, aber Schritt für Schritt die Treppe nach oben fiel. Vom Bezirksstadtrat zum parlamentarischen Haushälter, zum Fraktionschef und Regierenden Bürgermeister. Ob der Posten des Vize-Parteichefs auch nur ein weiterer Zwischenschritt auf dem Weg nach ganz oben ist, hängt von so vielen Randbedingungen ab, dass es niemand sagen kann. Den Ehrgeiz hat er, es allen zu zeigen.

Wie steht Wowereit in den Umfragen da?

Die Berliner SPD befindet sich im Umfragetief, die Ergebnisse der Europa- und der Bundestagswahl waren katastrophal. Auch Wowereits Beliebtheitswerte bei Meinungsumfragen haben sich im Laufe des vergangenen Jahres verschlechtert. Aber noch ist er ein populärer Regierender Bürgermeister, der seine Partei mitziehen kann. Auch in der vergangenen Wahlperiode standen die Berliner SPD und Wowereit zur Hälfte der Regierungszeit schlecht da. Dann reichte es 2006 doch zum zweiten Wahlsieg von Rot-Rot. Diesmal ist die Lage schwieriger, die SPD befindet sich bundesweit in einer schweren Identitätskrise und Wowereits Amtsbonus ist nach achteinhalb Jahren im Roten Rathaus ein wenig abgenutzt. Er kann derzeit nicht sicher sein, 2011 wieder oben auf dem Treppchen zu stehen.

Was sind Wowereits großen Themen?

Die erste Regierungsperiode, die bis 2006 reichte, war geprägt von der Sanierung der Bankgesellschaft, der öffentlichen Betriebe und der Konsolidierung des Haushalts. Seit seiner Wiederwahl bemüht sich Wowereit, mit Bildungs- und Wissenschaftspolitik Punkte zu sammeln. Aber seine Lieblingsprojekte, an denen sein Herz hängt, sind der Bau des neuen Großflughafens, die Kultur und die Imagepflege der Weltstadt Berlin.

Welche Koalition ist Wowereit am liebsten?

Wowereit hat schon mit der CDU Regierungspolitik gemacht, da war er Chef der SPD-Fraktion. Dann hat er den Tabubruch, ein Bündnis mit der PDS, organisiert, zuerst mit den Grünen, dann Rot-Rot pur. Seitdem steht Wowereit bundesweit für ein linkes Bündnis, aber er ist viel flexibler als viele denken. Frei nach dem Motto: Mehrheit ist Mehrheit.

Wie kümmert sich Platzeck um das Land?

Den Ruf des Kümmerers, des „Landesvaters“, so wird er in Brandenburg sogar vorgestellt, hat er sich erarbeitet. Wie sein Vorgänger Manfred Stolpe ist der 55-Jährige eher ein preußischer Pflichtmensch, allerdings ohne Askese, mit Lebensfreude. Auch nach 20 Jahren Politik versprüht er Lust, etwas zu bewegen, selbst im Kleinen. Als Platzeck 2002 das Amt antrat, stand Brandenburg schlecht da, ob wegen gescheiterter Großprojekte, rechtsradikaler Übergriffe oder als PISA-Schlusslicht. Aus dieser Ecke hat er das Land geholt. Seitdem stehen die Folgen des Demografie-Wandels, die Abkehr von der Förder-Gießkanne und bessere Schulen auf der Agenda. Im Land ist er wie kein anderer Politiker präsent, auch außerhalb von Wahlkampfzeiten. Besonders bei Wirtschaftsterminen, bei Grundsteinlegungen und Einweihungen, stahl er dem bisherigen Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) die Show. Fast keine Woche vergeht, ohne dass er Firmen besucht, Kreise bereist. Selbst Dorffeste sind nicht vor ihm sicher, obgleich dies im Flächenland mit langen Wegen verbunden ist.

Wie ist Platzecks Regierungsstil?

Kommunikativ, verbindlich, konsensorientiert. Platzeck setzt meist auf den kurzen, direkten persönlichen Draht, Machtworte auch im Kabinett sind eher selten. Wichtige Entscheidungen werden in kleinen Runden, in Vier-Augen-Gesprächen vorbereitet. Wenn es irgendein Problem gibt, greift er selbst zum Hörer. Dieses System mit Tendenzen zur Kungelei versagte, als er den Rechnungshof-Präsidentenposten mit einer SPD-Abgeordneten besetzen wollte. In den Anfangsjahren galt Platzeck als Aktenmuffel, als Mann der „Überschriften“. Nach Überflieger-Schlagzeilen hat sich das gelegt. Inzwischen lässt er da nichts anbrennen, ist themensicher auch im Detail, macht, wie kürzlich die Verteilung der Konjunkturmittel, Drängendes zur Chefsache.

Welche bundespolitische Ambition hat er?

Überhaupt keine, nicht mehr. Er war schon SPD-Vorsitzender, wenn auch nur kurz. Seitdem er 2007 den Vorsitz der Bundes-SPD nach sechs Monaten nach einem gesundheitlichen Kollaps aufgeben musste, konzentriert er sich auf Brandenburg. Deshalb äußert er sich nur selten zur Bundespolitik. Was nicht heißt, dass er keinen Einfluss in der SPD hat: Platzeck, der Ex-Kanzler Gerhard Schröder bei der Agenda 2010 unterstützte, der mit Frank-Walter Steinmeier auf einer Wellenlänge ist, gehört dort zum pragmatischen Flügel. Er will nichts mehr werden. Seine Stimme findet trotzdem Gehör. Die SPD hat in Ostdeutschland keine weitere Autorität wie Platzeck.

Wie steht Platzeck in den Umfragen da?

Traumhaft. Nach sieben Jahren Amtszeit, in denen seine Regierung Unpopuläres beschloss, ist er mit Abstand der beliebteste Politiker. Und der bekannteste sowieso. Bei einer Direktwahl würden ihn selbst 60 Prozent der CDU-Wähler und 66 Prozent der Linke-Wähler küren. Mit seiner Arbeit sind 76 Prozent der Brandenburger zufrieden, nur 19 Prozent unzufrieden. Nur deshalb gewann seine Partei jetzt die Landtagswahl, während sie die Bundestagswahl auch in Brandenburg verlor. Das heißt aber auch, dass der Platzeck-Faktor an seine Grenzen gestoßen ist.

Was sind Platzecks große Themen?

Neben Bildung, Wirtschaft, dem demografischen Wandel und der Entvölkerung der Randregionen, ist neuerdings auch die Energiepolitik Chefsache. Da steht Platzeck für einen Mix aus Braunkohle-Abbau und erneuerbaren Energien. Seine Regierung wurde von Affären verschont, aber von  Altlasten der Stolpe-Ära eingeholt – ob bei der Trennungsgeld-Affäre um rechtswidrige Zahlungen an Juristen oder der Enteignungsaffäre um Bodenreform-Grundstücke.

Welche Koalition ist Platzeck am liebsten?

Seiner Vita, seinem Politikansatz entspricht eher eine Koalition mit der Union – allerdings einer bodenständigen, verlässlichen CDU wie unter Jörg Schönbohm. Zu den Linken hat Platzeck seit 1990 ein distanziertes Verhältnis. Seit der Landtagswahl freundet er sich mit Rot-Rot an. Er ist Realist und Pragmatiker. Eine Streitkoalition, egal mit wem, ist ihm zuwider.

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