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An Kindern mangelt es nicht.

© dpa

Berlin braucht junge Pädagogen: Kitas suchen Erzieher, Erzieher suchen Kitas

Auf eine offene Stelle kommen drei Arbeitslose – viele von ihnen sind alt und ausgebrannt. Gefragt sind junge Pädagogen.

Alle suchen: Die „Kita Traumschaukel“ in Adlershof braucht zwei neue Leute, im Kindergarten „Pauleplatsch“ gibt es eine offene Stelle. Die „Zauberzwerge“ in Mitte wünschen sich eine neue Erzieherin oder einen neuen Erzieher, gern einen Berufsanfänger. Ob Tiergarten, Charlottenburg, Wedding oder Prenzlauer Berg, die Internetjobbörse der Arbeitsagentur ist voll von Stellenangeboten. Alle brauchen Erzieher, und das möglichst sofort.

Erzieher sind gefragt. Denn ab dem 1. August haben nicht nur die Eltern der über dreijährigen Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, sondern auch die der 66 000 ein- bis zweijährigen. Das Problem: Schon jetzt fehlen in vielen Einrichtungen Plätze und Personal.

770 offene Erzieherstellen haben die Berliner Kitas derzeit bei der Arbeitsagentur gemeldet. Eigentlich dürfte es kein Problem sein, diese schnell zu besetzen. Nach Angaben der Arbeitsagentur sind derzeit in Berlin 2234 staatlich anerkannte Fachkräfte arbeitslos gemeldet, hinzu kommen noch 283 arbeitslose Helfer. Dennoch werden die Lücken nicht gestopft. „Die Menschen müssen zu den Stellen passen“, sagt Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit. Die Vermittlung scheitert aus unterschiedlichen Gründen – mal passt die Arbeitszeit nicht, mal stellen die Kitas Ansprüche, die die Bewerber nicht erfüllen. „Bilinguale Einrichtungen suchen Erzieher, die zwei oder drei Sprachen beherrschen“, sagt Möller. Andere legen Wert auf Zusatzqualifikationen, die die Arbeitslosen oft nicht haben.

Hinzu kommt: Viele der arbeitslos gemeldeten Kindergärtnerinnen sind älter und nach ihren Berufsjahren im Kita-Dienst ausgebrannt. Ein Problem, das nicht nur arbeitslose Erzieher haben. Auch viele der noch aktiven Kindergärtnerinnen in Berlin sind so alt, dass sie bald in Rente gehen, heißt es bei der Senatsverwaltung für Bildung. Während die Älteren ausscheiden, nimmt die Zahl der Kinder zu. Plus 1,8 Prozent waren es 2012 bei den Unter-Dreijährigen, berichtet die Senatsverwaltung. Das ist schön, verschärft aber das Erzieherproblem.

„Es wird eng, aber wir sehen Licht am Ende des Tunnels“, sagt Ilja Koschembar von der Bildungsverwaltung. Seine Chefin, Senatorin Sandra Scheeres (SPD), setzt auf den Nachwuchs aus den Fachschulen, an denen die künftigen Erzieher ausgebildet werden. 30 dieser Schulen gibt es inzwischen in Berlin – fünf staatliche, 25 private Einrichtungen. Verglichen mit dem Jahr 2006 ist das eine Verdopplung – auch, was die Zahl der Schüler angeht. 6903 junge Menschen lassen sich derzeit zum Erzieher ausbilden, vor sieben Jahren waren es gerade einmal 3310. Im vergangenen Jahr haben 1440 Männer und Frauen ihre Ausbildung an einer der Fachschulen abgeschlossen, hinzu kamen 700 Quereinsteiger.

Das klingt gut, aber viele der jungen Erzieher entscheiden sich nach ihrer Ausbildung gegen einen Job in der Kita und arbeiten lieber in Horten oder Jugendeinrichtungen. 17 506 Erzieher gibt es derzeit in den Kindergärten, 4840 sind an den Schulhorten beschäftigt. Ob das Personal in den Kitas reicht oder wie viele Kräfte man ab August zusätzlich braucht, weiß die Senatsverwaltung nicht. Noch nicht. Die Bedarfsplanung ist in Arbeit, im nächsten Monat soll sie fertig sein. Das wird knapp.

Andere Bundesländer suchen ebenfalls Personal.

Verschärft wird die Not dadurch, dass andere Bundesländer ebenfalls Personal suchen und ein Teil der Berliner Jungerzieher abwandert. Das könnte auch an der schlechten Bezahlung im klammen Berlin liegen. Ein Berufsanfänger startet in einer landeseigenen Kita mit einem Bruttogehalt von gut 2200 Euro, netto bleiben davon weniger als 1500 Euro im Monat übrig. Dafür haben die jungen Leute nicht nur drei Jahre lang die Schulbank an der Erzieherschule gedrückt – ohne während der Ausbildung einen Euro zu verdienen. Nach dem Pisa-Schock legt man in Berlin zudem besonderen Wert auf Bildung. Für den Zugang zur Erzieherschule wünscht man sich daher Bewerber mit Abi oder zumindest mit Fachhochschulreife. Wer nur den Mittleren Schulabschluss hat, muss eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen. Gemessen am späteren Gehalt sind das hohe Hürden, von denen der Senat aber auch nicht abrücken will. „Wir werden unsere Qualitätsstandards nicht senken“, sagt Sprecher Koschembar, „wir wollen keinen Ausbau auf Kosten der Qualität.“

Andere Kommunen sind da weniger wählerisch. So sucht Mainz derzeit in Spanien nach Erziehern – ein Weg, über den man in Berlin „noch nicht diskutiert hat“, wie Koschembar sagt. Zudem zahlt man in Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern höhere Gehälter als an der Spree.

In Bayern und Baden-Württemberg bemüht man sich darüber hinaus auch verstärkt um Quereinsteiger. In Berlin läuft das dagegen eher holprig, kritisiert Olaf Möller von der Arbeitsagentur. Weiterbildungen seien auf zwei Wegen möglich: Quereinsteiger können ihre Erzieherausbildung berufsbegleitend, vom Arbeitsamt finanziert in zwei Jahren absolvieren, müssen dazu aber eine Kita finden, die sie anstellt. Der Haken: Die Kitas dürfen solche Leute nur in begrenztem Maße beschäftigen. Maximal 25 Prozent der Personalstunden, bei kleinen Einrichtungen mit maximal zwei Erziehern 33 Prozent, dürfen auf Umschüler entfallen.

Noch größere Probleme haben aber diejenigen, die ihre Weiterbildung über die Erzieherschule machen wollen. Denn die Bundesagentur für Arbeit zahlt nur für maximal zwei Jahre, im dritten Jahr müssen sich die Umschüler selbst finanzieren. Verhandlungen mit dem Land über eine Beteiligung sind gescheitert. „Damit steht und fällt die Umschulung“, sagt Möller. In Bayern und Baden-Württemberg ist das anders: Hier zahlt der Staat das dritte Jahr.

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