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Der silberne Riese. Mittwochabend kehrt noch einmal Leben ein im ICC. Danach ist das Haus bis auf Weiteres Geschichte.

© imago

Berlin-Charlottenburg: Im ICC gehen die Lichter aus

Im Internationalen Congress Centrum am Funkturm findet am Mittwoch die letzte Veranstaltung statt – und dann? Um die Nachnutzungspläne gibt es jetzt schon Streit. Ein Shoppingcenter lehnt der Bezirk strikt ab.

Ein letztes Mal werden sie sich durch die Drehtüren drängeln, rein in das fast schon in Konzernfarben silbergrau leuchtende Internationale Congress-Centrum: der Daimler-Benz-Vorstand und tausende Aktionäre. Nach der Versammlung ist es dann vorbei mit diesem frühen Anschauungsbeispiel öffentlicher Ressourcen-Vernichtung: Das ICC, für umgerechnet 60 Millionen Euro geplant und für 500 Millionen gebaut, stellt den Betrieb ein. Was danach kommt? Ein Kasino, wie es mal hieß, sicher nicht. Kongresse allenfalls am Rande. Am ehesten noch wird das Gebäude umgebaut zum Einkaufstempel, falls der Senat mindestens 200 Millionen Euro zur Sanierung zuschießt. Oder kommt vielleicht doch der Abriss?

Was für eine Frage! Kein Politiker oder Architekt ist zu finden, der auch nur jemanden kennt, der den Tabubruch wagt. Vor zwei Jahren hatte Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh bei ständig neu erscheinenden Gutachten mit immer höheren Sanierungskosten den Abriss zumindest nicht ausgeschlossen. Auf den Sturm der Entrüstung folgten wieder Gutachten, dieses Mal zu den gewaltigen Kosten eines Abrisses. Den fordert niemand mehr, nicht einmal bei den Linken.

„Ein Abriss wird erst möglich, nachdem es in ein Kaufhaus verwandelt ist, in der nächsten Generation“, sagt der Vorsitzende des Architekten- und Ingenieursverein zu Berlin (AIV), Wolfgang Schuster. Als „Monument“ sei diese „Ikone der Architektur“ nicht ersetzbar, zumal sie mit dem Kongressbetrieb identifiziert werde. Als Kaufhaus dagegen habe der Altbau in 50 bis 100 Jahren seine Strahlkraft verloren.

Sogar den „Bösen“ im Millionenspiel um das ICC – so genannt, weil sei es immer loswerden wollten – ist allenfalls flotter Sarkasmus zu entlocken, nun, da die Messegesellschaft es endgültig los ist: „Der Eigentümer muss jetzt erst einmal die Chance haben, sich um sein Gebäude zu kümmern“, sagt Sprecher Michael Hofer. Die Messe sei doch nur Mieter gewesen – „und wir haben jetzt ein neues Gebäude“. Der City Cube eröffne ja kurz nach der ICC-Schließung. Sogar Hertha BSC bleibt und versammelt seine Mitglieder künftig in den Messehallen.

Und die landeseigene Messegesellschaft ist einen dicken Brocken los: Allein Instandhaltung und Wartung des Kongresszentrums hätten sie zehn Millionen Euro jährlich gekostet, auch Klimatisierung und andere Betriebskosten sind weit überdurchschnittlich. Einen Bruchteil davon kostet der Betrieb des City Cube. Eine Teilnutzung des sanierten ICC schließt die Messe nicht aus.

Der Bezirk stellt sich gegen ein Einkaufszentrum

Ein klares Nein zu einem Shoppingcenter kommt aus Charlottenburg-Wilmersdorf. „Großflächiger Einzelhandel ist inakzeptabel“, sagten Bürgermeister Reinhard Naumann und Baustadtrat Marc Schulte (beide SPD) am Dienstag nach einem Treffen mit Wirtschafts-Staatssekretär Henner Bunde. Dieser hatte sie über fünf mögliche Nutzungsvarianten informiert. Eine Mischung aus viel Handel, einem Hotel und einer Kongressnutzung verursacht demnach die geringsten Kosten für das Land. Allerdings bliebe auch dann noch eine Deckungslücke von mehr als 50 Millionen Euro – zusätzlich zum Sanierungskostenbeitrag in Höhe von 200 Millionen Euro.

Interessiert sind die größten deutschen Center-Betreiber ECE und mfi. Es geht um 45 000 bis 50 000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Zum Vergleich: Die Wilmersdorfer Arcaden in der Fußgängerzone der Wilmersdorfer Straße haben rund 25 000 Quadratmeter, die Potsdamer-Platz-Arkaden rund 40 000.

Ein weiteres Einkaufszentrum führe „zu Kannibalismus“, warnt Naumann. Betroffen wären neben der Wilmersdorfer Straße der Kaiserdamm, die Kant- und die Reichsstraße.

Nach Tagesspiegel-Recherchen lehnen auch alle Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein Center ab. Am Donnerstag wird ein entsprechender Antrag der Grünen diskutiert.

Der Bezirk hat kein Vetorecht, ist aber zuständig für das Bebauungsplanverfahren. Man wolle für Alternativen wie „eine erweiterte Messe- und Kongressnutzung“ werben, sagt Naumann. Dabei solle auch über die städtebauliche Entwicklung südlich des ICC diskutiert werden. Auf dem einstigen Güterbahnhof Grunewald hatte Kurt Krieger zwei Möbelhäuser seiner Marken Höffner und Sconto geplant, die Pläne aber wegen Widerstands von Bezirk und Senat gestoppt. Nun sind Wohnungen und kleineres Gewerbe im Gespräch.

Der Bürgermeister regt Denkmalschutz an

Im Bezirk will Naumann eine Debatte führen, ob das ICC zum Baudenkmal erklärt werden soll. Dabei gehe es nicht um die Verhinderung neuer Nutzungen, sondern um eine „flankierende Maßnahme“ zur Erhaltung des markanten „Bauzeichens der 70er und 80er Jahre“.

Aus der federführenden Senatswirtschaftsverwaltung heißt es, vor einer Entscheidung für ein Shoppingcenter müsse es in jedem Fall ein Einzelhandelsgutachten geben. Noch sei nichts beschlossen, zurzeit laufe eine „interne Abstimmung“ der beteiligten Senatsverwaltungen.

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