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Berlin: Berlin – ein Konzern auf Sanierungskurs

Der Pleitier ist auf dem Weg der Besserung: Landesbeteiligungen schreiben schwarze Zahlenund seit 1991 wurde „Tafelsilber“ verkauft–für 16 Milliarden Euro

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Land Berlin ist ein Großkonzern mit 59500 Arbeitnehmern, die in 60 landeseigenen Unternehmen und Einrichtungen beschäftigt sind. 2004 wurde ein Umsatz von 14 Milliarden Euro gemacht – und ein Verlust von 2,9 Millionen Euro. Der Eigentümer Berlin musste 1,46 Milliarden Euro Förder- und Investitionsgelder, Sanierungshilfen und andere Zuschüsse in seine Beteiligungen pumpen.

Trotzdem ist Finanzsenator Thilo Sarrazin froh über diese Bilanz. Denn es war alles schon viel schlimmer. Von 2000 bis 2003 erwirtschafteten die Landesbetriebe im Jahresdurchschnitt 1,1 Milliarden Verluste, und die Zuschüsse betrugen durchschnittlich 1,8 Milliarden Euro. Der „Konzern Berlin“ ist auf dem Weg der Konsolidierung also ein kleines Stück vorangekommen. 2800 Stellen wurden seit 2000 abgebaut, schlechte Beteiligungen abgestoßen, Sachkosten gekürzt, Unternehmen umgebaut, Vorstände und Aufsichtsräte umgekrempelt.

Vieles muss nicht mehr saniert werden, denn Berlin hat seit 1991 jede Menge Tafelsilber verkauft: Von der Stern- und Kreisschifffahrtsgesellschaft über die Gasag und Bewag bis zu Wohnungsunternehmen, Banken und dem Verein für Erholungs- und Ferienstätten. Das brachte fast 16 Milliarden Euro in die Kasse. Und so sieht es in Berlins wichtigsten Landesunternehmen aus.

Bankgesellschaft Berlin

Unterm Strich hat diese Beteiligung hauptsächlich Ärger und hohe Belastungen eingebracht. Nur noch bis Herbst 2007 bleibt die Banken-Holding in Landeseigentum. Der Verkaufspreis wird auf 2,5 bis 3,5 Milliarden Euro geschätzt. Schon im Frühjahr 2006 wird die Berliner Bank verkauft, die auch zum Konzern gehört. Von anderen Beteiligungen (es sind immer noch über 100) hat sich die Bankgesellschaft bereits getrennt. Die Zahl der Mitarbeiter wurde seit 2000 fast halbiert und die – 1994 in einer Art Gründerzeiteuphorie aus dem Boden gestampfte – Bankgesellschaft hat ihre schwere Krise fast überwunden. Seit 2004 werden schwarze Zahlen geschrieben. Allerdings musste der Senat vor vier Jahren 1,75 Milliarden Euro Kapital zuschießen und für irrsinnige Immobiliengeschäfte aus den neunziger Jahren eine langfristige Risikogarantie von 21,6 Milliarden Euro abgeben. Nur so ließ sich das Kreditinstitut vor der Pleite retten.

Wohnungsbaugesellschaften

Die öffentliche Wohnungswirtschaft Berlins ist in den vergangenen Jahren ordentlich geschrumpft. Nach dem Verkauf – zuletzt der Gehag und GSW – und mehreren Fusionen blieben sechs Unternehmen übrig. Sie verwalten etwa 280000 Wohnungen und sitzen auf einem Schuldenberg von 8 Milliarden Euro. 2002 machten die Wohnungsunternehmen noch 216 Millionen Euro Verluste. 2004 waren es „nur“ noch 47 Millionen Euro. Die Degewo, Gesobau, Gewobag und Howoge sind inzwischen aus dem Gröbsten raus. Aber die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) ist wegen einer verfehlten Geschäftspolitik in eine dramatische Schieflage geraten, sie muss wohl Mitarbeiter entlassen und große Wohnungsbestände verkaufen, um über die Runden zu kommen. Auch die „Stadt und Land“ ist kräftig im Minus. Leerstehende Wohnungen, ein drückender Schuldendienst, ein hoher Personalbestand und Geschäftsführungen, die sich erst allmählich professionalisieren, das sind die Probleme der Gesellschaften.

Wasserbetriebe

Mit einem komplizierten und amateurhaft eingefädelten Verkaufsgeschäft wurde die öffentliche Wasserversorgung 1998 zu 49,9 Prozent in private Hände gegeben. Das spülte zwar 1,6 Milliarden Euro in den Landeshaushalt, aber es häuften sich die Probleme. Die Wasserbetriebe gehören zu einer Holding, an der die Konzerne RWE und Veolia beteiligt sind, denen eine rechtlich garantierte Rendite zusteht. Kritiker in allen Parteien halten das umstrittene Gesetz zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe für die Hauptursache der ständig steigenden Wassertarife. Preistreibend ist aber auch das überdimensionierte Netz von Kläranlagen. Die üppige Ausstattung des Unternehmens hat ihm in der Branche den Ruf des „Rolls Royce“ unter den europäischen Wasserwerken eingebracht. Außerdem führte der starke Expansionstrieb – von der großen Koalition in den neunziger Jahren in allen Staatsbetrieben kräftig gefördert – auch bei den Wasserbetrieben zu hohen Verlusten. Beteiligungen wie die Berlikomm, die Schwarze Pumpe oder die Vermietungsgesellschaft Molavia wurden deshalb wieder verkauft. Die Ziele für die nächsten Jahre: sinkende Personal- und Investitionsausgaben und ein neues Tarifmodell.

Vivantes

Der 2001 gegründete Konzern, dem neun städtische Krankenhäuser angehören, soll bis 2008 wirtschaftlich gesunden. Trotz des Abbaus von 3000 Stellen und anderen Sparmaßnahmen drohte Vivantes im Frühjahr 2004 die Zahlungsunfähigkeit. Der Senat beschloss einen wichtigen Sanierungsschritt: 230 Millionen Euro Altschulden wurden in Eigenkapital umgewandelt. Die Beschäftigten verzichteten auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Am Jahresende stand Vivantes sogar mit 4,9 Millionen Euro im Plus, aber Kritiker warnen, die Sanierung gehe zu Lasten der Ärzte, des Pflegepersonals und der Patienten. Vivantes versorgt jährlich 180000 Menschen stationär. Zunehmend müssen sich die öffentlichen Kliniken auf einen harten Wettbewerb mit den privaten Krankenhäusern einstellen und die Kassen zahlen weniger Geld.

BVG

Die Verkehrsbetriebe sind der größte Zuwendungsempfänger Berlins. Das Unternehmen hat einen Schuldenberg von über einer Milliarde Euro aufgebaut und bereitet sich eher schwerfällig auf den Wettbewerb mit privaten Verkehrsanbietern vor. Nur wenn die BVG nachweisen kann, dass es ein „durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen“ ist, kann es 2008 auf einen neuen Verkehrsvertrag mit dem Land Berlin hoffen. Voraussetzung ist, dass das 1999 mit dem Senat vereinbarte Sanierungskonzept ohne Abstriche realisiert wird. Nach schweren Konflikten mit den Gewerkschaften wurde Anfang 2005 ein Tarifvertrag ausgehandelt, der jährlich 50 Millionen Euro einspart. An allen Fronten kämpft die BVG mit den Kosten. 2006 werden die Preise wieder erhöht. Ein neues Streckenkonzept brachte Ärger ein. Erst kürzlich gelang es, nach dem Tod Andreas von Arnims einen neuen BVG-Chef zu finden.

BSR

Die Sammlung von Altpapier und die Reinigung kontaminierter Böden verhalfen der Stadtreinigung 2004 zu einer „schwarzen Null“. Aber die klassische Müllbeseitigung und das Recycling bleiben ein schwieriges Geschäft. In West-Berliner Zeiten war die BSR ein quasi-sozialistischer Betrieb mit erstaunlichen Privilegien für die Beschäftigten. Inzwischen stellt sich das Unternehmen – von der Abfallverbrennung über die Altglassammlung, den Winterdienst, die Verwertung alter Müllfahrzeuge bis zum Fuhrparkmanagement – dem freien Wettbewerb. Seit 2000 muss die BSR alle drei Jahre ein „Effizienzsteigerungsprogramm“ vorlegen. Drei Deponien in Brandenburg werden demnächst stillgelegt. Auch die Stadtreinigung muss kräftig Personal abbauen und versuchen, 374 Millionen Euro Schulden loszuwerden.

Flughäfen

Der Flugbetrieb in Berlin boomt. 2005 werden voraussichtlich 17 Millionen Passagiere gezählt, die Flughafengesellschaft schrieb 2004 erstmals schwarze Zahlen. Doch alles steht und fällt mit dem Planfeststellungsbeschluss für Schönefeld, über den das Bundesverwaltungsgericht bald entscheidet. 2011 soll der internationale Airport eröffnet werden. Dann wird vergessen sein, dass Schönefeld noch Anfang der neunziger Jahre ein riesiges Groschengrab war. Utopische Fluggastprognosen und der leichtsinnige Ankauf von Grundstücken auf dem Baufeld-Ost brachten das Unternehmen an den Rand des Ruins. Nur mit kräftigen Finanzhilfen bekamen die Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund das Problem in den Griff. 2003 scheiterte die Privatisierung der Flughafengesellschaft.

Messe

Berlin ist ein erfolgreicher Messeplatz: mit 22000 Ausstellern und 1,5 Millionen Besuchern im Jahr 2004. Aber die Immobilien – das Internationale Congress Centrum (ICC), die Deutschlandhalle und der Funkturm – bleiben ein Klotz am Bein der Messegesellschaft. Die Betriebskosten sind zu hoch. 2004 wurden die Finanzhilfen des Landes in einem Grundlagenvertrag neu geregelt. Der geplante Einstieg der Messe in das Veranstaltungsgeschäft in den USA und China ist umstritten. 2005 will das Unternehmen seinen Umsatz um 10 Prozent steigern.

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