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Schlechtes Beispiel. Extrem klimaschädliche Kraftwerke wie das im brandenburgischen Jänschwalde diskreditieren aus Sicht vieler Berliner den Vattenfall-Konzern. Doch der Aufbau einer kommunalen Alternative ist schwierig.

© dpa/Pleul

"Berlin Energie": Experten erklären den Abgeordneten ihr Stadtwerk

Eine Expertenanhörung im Parlament zeigt Risiken, die der geplante Aufbau eines kommunalen Netzbetreibers mit sich bringt. Und die Initiative „Energietisch“ entscheidet, ob sie ihr Volksbegehren fortsetzt

„War doch sehr interessant, oder?“, resümierte der Sprecher der Initiative „Energietisch“, was er und Dutzende Mitstreiter in den vorangegangenen zwei Stunden gehört hatten: Der Hauptausschuss des Parlaments hatte fünf Experten geladen, um sich über Chancen und vor allem Risiken beim Aufbau eines kommunalen Stromnetzbetreibers aufklären zu lassen. Der soll – als Teil eines von der rot-schwarzen Koalition vereinbarten Stadtwerkes „Berlin Energie“ – Ende 2014 den Betrieb des Stromnetzes übernehmen, der zurzeit noch von einer Vattenfall-Tochterfirma gemanagt und vom Senat neu ausgeschrieben wird. Da der neue Betreiber für das Netz grob geschätzt rund eine Milliarde Euro bezahlen muss und der Energietisch die komplette Rekommunalisierung anstrebt, ist die Gemengelage politisch ähnlich brisant wie einst bei den Wasserbetrieben. Am Mittwochabend wollte der aus mehr als 30 Einzelinitiativen zusammengesetzte Energietisch sein weiteres Vorgehen beraten. An diesem Donnerstag soll die Entscheidung verkündet werden, ob es ein neues Volksbegehren gibt.

Am Mittwoch im Abgeordnetenhaus war „sehr interessant“ das Fazit, auf das sich am Ende alle einigen konnten. Denn selbst die geladenen Experten waren uneins, wie viel Spielraum das Land bei der anstehenden Netzvergabe hat. Immerhin haben sich acht Interessenten gemeldet, darunter der zumindest in puncto Versorgungssicherheit kaum angreifbare Platzhirsch Vattenfall. Felix Engelsing vom Bundeskartellamt betonte, dass bei der Ausschreibung nur die Kriterien „sicher, preisgünstig, verbraucherfreundlich, effizient und umweltverträglich“ zählen dürften. Finanzielle Interessen der Kommune – etwa die langfristig sicheren Einnahmen aus den im Strompreis enthaltenen Netzgebühren – seien ebenso wenig zulässig wie Nebenleistungen, also beispielsweise ein Deal zur Ausstattung öffentlicher Gebäude mit stromsparender Technik durch den Gewinner. Da der Netzbetrieb formal strikt von Stromerzeugung und -vertrieb getrennt ist, wäre auch die Erschließung von Absatzmärkten für das geplante Öko-Stadtwerk juristisch angreifbar. Und dass einer der unterlegenen Bieter das (von der Finanzverwaltung in ungefähr einem Jahr zu bestimmende) Ausschreibungsergebnis anfechten wird, gilt schon wegen der Größe des Berliner Marktes und den damit verbundenen Einnahmen als sicher.

Andere Juristen wie der Bielefelder Rechtswissenschaftler Johannes Hellermann und der Berliner Anwalt Philipp Boos sehen die Kriterien weniger eng.

Doch die Probleme von Rot-Schwarz sind noch banaler: Ob denn auch eine „leere Hülle“ den Zuschlag erhalten könne, wollte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider wissen. Hintergrund dieser Frage ist der Umstand, dass das vor einer Woche groß angekündigte Stadtwerk bisher nur aus einem einzigen Referatsleiter besteht und von der Stadtentwicklungsverwaltung erst aufgemuskelt werden muss. „Newcomer sind zuschlagsfähig“, leere Hüllen nicht, lautete Engelsings Antwort. „Sie müssen Ihr Stadtwerk nicht schon vorab mit Tausenden Monteuren ausstatten“, ergänzte Boos. Ein solides und plausibles Konzept reiche. Doch die Zeit sei schon jetzt arg knapp, sagte der Anwalt Martin Düwel: Die Koalition habe sich mit ihrem Vorhaben selbst „die Daumenschrauben angesetzt“.

Aus Sicht von Grünen und Linken werden SPD und CDU das Thema aller Voraussicht nach vergeigen, weil mit der als Dachfirma für das Stadtwerk auserkorenen BSR noch nicht einmal gesprochen worden sei und bisher niemand eine Vorstellung über Geschäftsfelder, Struktur und Ausstattung des neuen Unternehmens habe. Ohne externen Sachverstand sei das Vorhaben unmöglich, gab Michael Wübbels vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) den Abgeordneten mit auf den Weg.

Grünen-Energieexperte Michael Schäfer hält die – scheinbar naheliegende – Kooperation zwischen einem neuen Landesbetrieb und Platzhirsch Vattenfall für die schlechteste denkbare Variante: Dank seiner Kompetenz werde der Energiekonzern das Land über den Tisch ziehen, indem beispielsweise Gewinne in Servicegesellschaften von Vattenfall verschwinden könnten, die schon jetzt im Umfeld der eigentlichen Netzgesellschaft existierten. Harald Wolf (Linke), der als Wirtschaftssenator vor Jahren selbst die Idee eines Stadtwerks ins Gespräch brachte, hält eine konkurrenzfähige Bewerbung des Landes bei der aktuellen Ausschreibung für nicht mehr machbar.

So werden an diesem Donnerstag zwei Papiere ins Plenum eingebracht: Ein Gesetzentwurf der Koalition zum Aufbau des Stadtwerkes. Und ein Antrag der Opposition, der vom Senat ein umfassendes Konzept für dieses Stadtwerk fordert.

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