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Schwer bewacht: Die Rigaer Straße 94.

© Paul Zinken/dpa

Berlin-Friedrichshain: Bewohnerin der Rigaer Straße berichtet von Polizeischikanen

Ausweiskontrollen, Absperrungen, Polizeihubschrauber über dem Dach: Eine Bewohnerin der Rigaer Straße 94 schildert ihre Eindrücke der letzten Wochen und Monate.

Maria lebt seit sechs Jahren in der Rigaer Straße 94 – als reguläre Mieterin. Sie gehört also nicht zu den Bewohnern des linken Wohnprojekts, das sich im Hinterhaus befindet. Dem Tagesspiegel schildert sie, wie sie die letzten Wochen und Monate erlebt hat. Ihr Name wurde von der Redaktion geändert.

Was ich zuletzt über unser Haus gehört und gelesen habe, darüber konnte ich nur schmunzeln. Von einer linksextremistischen Hochburg Europas ist die Rede. Dabei leben wir hier eigentlich ganz gewöhnlich. Ich bin Unternehmensberaterin, manchmal muss ich mir auch morgens ein Taxi rufen und laufe dann in Business-Outfit aus der Wohnung. Und trotzdem grüßt mich hier jeder freundlich.

Als ich nach Berlin kam, habe ich eine Wohnung gesucht und hier gefunden. Das hat mir gut gefallen, ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Die Wohnung liegt im Vorderhaus, ist saniert, wir haben einen ganz gewöhnlichen Mietvertrag. Na klar, das Treppenhaus sieht anders aus als in anderen Häusern, alles ist beklebt mit linken Plakaten. Aber die Nachbarschaft ist sehr nett, hier wohnen viele junge Leute, teilweise Studenten. Ich habe zwei kleine Kinder, da packen die Nachbarn schon mal mit an und tragen Sachen in die Wohnung hinauf. Oder man hilft sich gegenseitig mit Eiern aus, wenn man welche zum Kochen braucht.

Zuletzt hat sich aber einiges geändert. Vor etwa anderthalb Jahren ist das Haus verkauft worden. Der damalige Eigentümer hatte immer wieder versucht, das Hinterhaus räumen zu lassen, aber erfolglos. Irgendwann haben wir einfach einen Brief bekommen, dass das Haus nun einer Limited gehört. Das ist mittlerweile nun auch schon die vierte, schätze ich. Die wechseln immer wieder mal. Seitdem gibt es überhaupt keine ansprechbare Hausverwaltung mehr. Auf Briefe wird nicht geantwortet, auch Telefonanrufe bleiben erfolglos. Eigentümer und Verwaltung sind komplett abgetaucht. Ich nehme an, die wollen uns das Leben schwer machen, damit irgendwann alle ausziehen und die das hier teuer vermieten können.

"Wir haben die Flex gehört, mit der sie die Haustür aufgesägt haben"

Am schlimmsten sind aber die Polizeieinsätze. Im Januar waren meine Eltern zu Besuch. Wir saßen in der Küche und haben gegessen. Plötzlich haben wir einen Polizeihubschrauber direkt über unseren Köpfen gehört, der mit Scheinwerfern in den Innenhof geleuchtet hat. Da war alles voll mit schwarz gekleideten Polizisten. Wir haben die Flex gehört, mit der sie die Haustür aufgesägt haben. Natürlich bekommt man da Angst. Wir wussten ja nicht, was passiert.

Das ist wirklich zermürbend, dass niemand mit uns redet. Wir werden ja sogar tagsüber schikaniert. Wenn ich ins Haus will, muss ich meinen Ausweis zeigen. Die Sicherheitsleute, die hier rumstehen, kennen jetzt meinen genauen Tagesablauf. Ein mulmiges Gefühl. Es stehen rund um die Uhr ein paar Mannschaftswagen vor der Tür, Polizisten im Hinterhof, das ganze Haus ist mit Absperrgittern umzäunt.

Neulich wollte ich vorn reingehen, dann raunzte mich ein Polizist an, ich müsse hinten entlang. Als ich ihn gefragt habe, warum, antwortete er schroff: „Weil ich das sage.“ Mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm war das bei über 30 Grad eine ziemliche Tortur. Wenn man Besuch erwartet, lassen die den meist gar nicht rein, oder man muss lange diskutieren. Das ist sehr anstrengend und geht natürlich überhaupt nicht. Unser Nachbar durfte deshalb letztens kein Fußball mit seinen Freunden gucken. Wir haben doch ein Hausrecht! Da fragen wir uns schon, auf welcher Grundlage das hier alles passiert.

Aber genau darauf beruft sich die Sicherheitsfirma, die hier im Auftrag des Eigentümers vor Ort ist. Und die Polizei unterstützt das. Offiziell heißt es, die würden die Bauarbeiter beschützen, aber die gehen um 17 Uhr nach Hause, die Polizei bleibt aber rund um die Uhr. Teilweise hat sie die Bauarbeiten sogar koordiniert und einfach Eigentum von den Leuten hier wegschmeißen lassen. Die schaffen einfach Tatsachen.

"Wäre die Polizei nicht hier, wäre alles friedlicher"

Wenn man das alles miterlebt, kann man schon verstehen, dass die Leute hier frustriert sind. Und dann kommt es halt zu solchen Demos wie am vorigen Samstag. Natürlich sind dann auch Idioten dabei, die Scheiben einschlagen oder Krawall machen, das geht gar nicht. Aber direkt vor dem Haus war es friedlich. Die Polizei hat den Hauseingang mit Autos komplett zugeparkt, hat Leute in allen Hauseingängen in der Straße postiert. Ich verstehe ja, dass deren Job auch nicht gerade toll ist, aber es gehört eben auch dazu, freundlich zu bleiben. Was hier in den letzten Wochen passiert ist, hat mein Bild von der Polizei jedenfalls nicht verbessert.

Nun steht jeden Abend um halb Neun die halbe Nachbarschaft auf den Balkonen zum „Solidaritäts-Trommeln“, mit Töpfen und so. Wir machen da auch mit, auch wenn wir natürlich nicht „Bullen raus“ rufen oder ähnliches. Die Unterstützung ist groß, da stehen auch immer Leute auf den sanierten Balkonen gegenüber. Ich glaube, wenn die Polizei nicht hier wäre, wäre alles friedlicher. Innensenator Henkel hat jedenfalls in den vergangenen Wochen einige Fehler gemacht. Es wäre etwas anderes, wenn wenigstens das Signal käme, dass beide Parteien miteinander sprechen. Ob dabei ein Kompromiss rauskommt, steht ja auf einem anderen Blatt Papier. Aber man muss doch wenigstens miteinander reden. Es wird jedenfalls Zeit, dass wieder Ruhe einkehrt.

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