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Rote Frakturschrift, schwarzer Grund. Dazu der Slogan. Die Botschaft ist klar – aber nicht strafbar. Doch für Beamte gelten besondere Maßstäbe. Foto: privat

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Update

Berlin-Hauptbahnhof: Polizist mit Nazi-Anhänger bislang nicht gefunden

Ein Polizist trägt einen Anhänger mit einem Spruch der Wehrmacht mitten durch Berlin. Noch ist nicht klar, wer der Mann ist - und ob er bei der Landes- oder Bundespolizei ist.

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Schlechter Geschmack ist nicht strafbar, rechter Geschmack manchmal ebenso wenig. Etwa der schwarze Schlüsselanhänger, den ein Leser am Rucksack eines Reisenden in einer Bäckerei im Hauptbahnhof entdeckte. „Klagt nicht, kämpft!“, steht da in roter Frakturschrift auf schwarzem Grund. Der Spruch ist bei alten und neuen Nazis gleichermaßen beliebt, er stammt wohl von der Wehrmacht. Ist das erlaubt?

„Strafbar ist nur das, was im Paragraphen 86a des Strafgesetzbuches steht, nicht die Verwendung altertümlicher Schriftarten“, heißt es dazu aus der Pressestelle der Polizei. Doch halt! A propos Polizei... Der Mann trägt doch eine Polizei-Jacke. Der ist Beamter. Hallo Pressestelle? Die Sprecherin stöhnt auf. „Oh, das haben wir erst gar nicht gesehen. Moment. Ich rufe zurück.“

Zurück ruft der Chef. „Ach, das wurde im Bahnhof aufgenommen? Na, dann könnte es ja auch die Bundespolizei gewesen sein“, sagt Polizeisprecher Stefan Redlich. Strafbar sei das nicht, aber die Pflichten eines Beamten gingen weit über die Frage der Strafbarkeit hinaus. Beamte müssten Neutralität zeigen und sich mäßigen.

Polizisten sind Beamte, und aus diesem Sonderstatus folgt, wie im Artikel steht, sich auch in der Freizeit rückhaltlos für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzusetzen. Dazu gehört eben auch, keine Anhänger mit zweifelhaften Sprüchen herumzutragen.

schreibt NutzerIn vlado

Er blättert im Landesbeamtengesetz. Ah ja, Paragraph 101. Der Beamte muss sich „rückhaltlos für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ einsetzen. Immer, auch in seiner Freizeit.

Ein Nazi-Verdacht ist immer schlimm, und die Polizei hatte damit in letzter Zeit öfter zu kämpfen. Ein Beamter verschickte elektronische Weihnachtskarten, auf denen Hitler als Weihnachtsmann mit dem Schriftzug „Ho Ho Holocaust“ zu sehen war. Der 28-Jährige wurde zu 2750 Euro Geldstrafe verurteilt; die disziplinarrechtlichen Folgen verrät die Polizei nicht. Auch andere Vorfälle gab es; das Ganze war Thema im Innenausschuss.

In einer freiheitlichen Gesellschaft zu leben, bedeutet viel zu ertragen, mitunter sehr viel. Der unübersehbare Hang, alles über Verbote und Ordnungsvorschriften regeln zu wollen, ist alles andere als ein gutes Zeichen.

schreibt NutzerIn niedergr

Polizeipräsident Klaus Kandt duldet derartige Ausfälle nicht; nach seiner Aussage im Innenausschuss muss die Zivilcourage innerhalb der Polizei gestärkt werden, damit Fälle angezeigt werden. Kandts Vorgänger Dieter Glietsch erließ 2009 die Dienstanweisung, dass Kleidung bestimmter Marken wie etwa Thor Steinar oder Consdaple nicht von Polizisten getragen werden darf. Darin steht auch, dass es in höchstem Maße ansehensschädigend sei, wenn Dienstkräfte „auch nur den Anschein erwecken, mit derartigem Gedankengut zu sympathisieren“. In diesem Lichte wäre der Schlüsselanhänger vielleicht zu prüfen, sagt Polizeisprecher Redlich. Zu kaufen gibt es den Anhänger bei amazon, für 4,40 Euro bei kostenfreier Lieferung. Ein Käufer rühmt in seiner Produktbewertung die „sauberen Nähte“.

Den Schlüsselanhänger dürfte der Beamte spätestens nach der Veröffentlichung des Fotos ganz tief in irgendeiner Schublade versteckt haben. In der Sache selbst gäbe es nichts Neues zu berichten, hieß es am Donnerstag bei der Landespolizei. Freiwillig gemeldet habe sich der Mann jedenfalls bislang nicht. Auch konnte noch nicht geklärt werden, ob der Mann bei der Landes- oder bei der Bundespolizei beschäftigt ist. Ein entsprechender "Austausch" der Behörden habe zwar stattgefunden, aber kein Ergebnis gebracht. "Inwieweit der Vorfall Konsequenzen für den Beamten haben könnte, können wir noch nicht sagen", so ein Sprecher.

Auch bei der Bundespolizei hieß es am Donnerstag, dass man den Mann noch nicht habe identifizieren können. "Wir sind dem Hinweis natürlich nachgegangen, haben in den Dienststellen nachgefragt", sagte ein Sprecher. Allerdings habe man den Hinweis nicht "verdichten" können, daher betrachte man das Prüfungsverfahren vorerst als abgeschlossen. "Wir gehen der Sache natürlich weiter nach", versprach die Bundespolizei.

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