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Weites Meer und große Träume: Vor der Kulisse der Cote d'Azur werden in Cannes Filmkarrieren gemacht.

© Picture-Alliance/dpa

Berlin in Cannes: Großes Kurzkino an der Cote d'Azur

Independent-Filmmaking erfordert Fleiß, Ausdauer und viel Geduld. Und am Ende wird man vielleicht mit einem Auftritt auf dem Filmfestival in Cannes belohnt. So geht es Detsky Graffam, einem Filmemacher aus Berlin.

Nach drei Jahren harter Arbeit, ein bisschen Blut und einigen Tränen präsentiere ich in dieser Woche meinen Kurzfilm „90 Grad Nord“ in Cannes. Ein ganz schön skurriler Szenenwechsel: Gerade sitze ich noch in meinem schattigen Büro in der Gleimstraße oder kümmere mich um die Kinder, und einen Flug später stecke ich schon mitten im Festival-Zirkus: Starrummel, Blitzlichtgewitter, Filmpremieren. Plötzlich steht man neben den Coen-Brüdern am Buffet, und ein paar Nackte posieren am Strand. Ich muss mir allerdings erst mal neue Kleidung besorgen – nicht dass ich wie ein überforderter Familienvater aussehe.

Mein Film läuft nicht im Wettbewerb, sondern in der „Short Film Corner“. Aber dass wir überhaupt in Cannes dabei sind, ist sensationell. „90 Grad Nord“ war eine Low-Budget-Produktion und wir sind dafür ganz schön an unsere Grenzen gegangen. Meine Frau und ich haben unser ganzes Erspartes in den Film gesteckt, angemessene Gagen konnten wir trotzdem nicht bezahlen. Es ist einfach ein Herzensprojekt und viele Freunde haben mitgemacht.

Der Filmemacher Detsky Graffam aus Prenzlauer Berg.
Der Filmemacher Detsky Graffam aus Prenzlauer Berg.

© Tsp

Für einen Kurzfilm ist „90 Grad Nord“ sehr aufwendig. Er handelt von einem Geschäftsmann, der ein Jahr lang auf einer blutrünstigen Verkehrsinsel im Nirgendwo stecken bleibt. Die Idee kam mir, weil die Deutschen so einen enormen Respekt vor roten Ampeln haben. Ich komme aus England, da nehmen wir Verkehrsregeln nicht ganz so ernst.

Der Film ist nur zwanzig Minuten lang, aber wir haben insgesamt acht Tage auf einem alten Flugplatz in Brandenburg gedreht. Ohne unsere Freunde, eine Crowdfunding-Kampagne und Fördergelder vom Medienboard Berlin-Brandenburg hätten wir den Film nicht realisieren können. Spezialeffekte, Unterbringung von 20 Leuten – am Ende wird ja immer alles teurer als man denkt.

Gelohnt hat es sich trotzdem. So ein Kurzfilm kann ein guter Türöffner in die Welt des Kinos sein. In der „Short Film Corner“ in Cannes versammeln sich ja die großen Namen der Branche. Ich möchte möglichst viele Kontakte knüpfen und das Fundament für mein neues Projekt legen. Gerade schreibe ich das Drehbuch für einen Spielfilm. Es wird ein groteskes modernes Märchen, das in einem Berliner Hinterhof spielt. Den Film möchte ich wieder mit meiner alten Crew drehen. Die Woche in Cannes ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu diesem Film.

In unserer neuen Rubrik „Von Woche zu Woche“ erzählen Leserinnen und Leser des Tagesspiegels, was sie in der neuen Woche vorhaben und in ihrem Leben bewegt. Wollen Sie auch mitmachen? Einfach Mail an berlin@tagesspiegel.de. Der Text wurde aufgezeichnet von Susanne Grautmann.

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