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Berlin: In der Innenstadt steht kaum noch eine Wohnung leer

Im Zentrum Berlins sind Wohnungen Mangelware. Seit mehr als 15 Jahren waren nicht mehr so wenig Wohnungen im Angebot wie heute. Hauseigentümer erwarten deutlich höhere Mieten und werfen dem Senat Kostentreiberei vor.

Im Zentrum Berlins sind Wohnungen Mangelware. Fast kein Objekt steht mehr leer. Dies geht aus der Jahresbilanz des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) hervor, dessen Mitglieder rund 40 Prozent aller Berliner Mietwohnungen verwalten.

Mangels Wohnungen steigen die Mietpreise in der ganzen Stadt deutlich. Nach einer Studie im Auftrag der GSW, dem größten Berliner Wohnungsunternehmen, kletterten die Angebotsmieten in Mitte oder in Charlottenburg um zehn Prozent. Der BBU wollte zu der Mietenentwicklung in einzelnen Stadtteilen keine Angaben machen.

Seit mehr als 15 Jahren waren in Berlin nicht mehr so wenig Wohnungen im Angebot wie heute. Für den Verband ist das eine gute Nachricht: Die Unternehmen haben mehr Einnahmen und können wegen der größeren Nachfrage höhere Mieten durchsetzen. „Der Berliner Wohnungsmarkt ist auf gutem Wege zur Metropolen-Normalität“, sagte Verbandschef Ludwig Burkardt.

Normalität heißt in diesem Fall Münchener Verhältnisse in der Innenstadt: In Mitte und Prenzlauer Berg steht nur noch etwas mehr als ein Prozent der Wohnungen leer. Das heißt, wo immer etwas frei wird, stehen die Interessenten Schlange. Als „normal“ gilt in der Branche ein Leerstand von zwei bis drei Prozent, weil bei einem Wechsel des Mieters einige Zeit für Renovierung oder auch Umbau und Modernisierung der Wohnung eingeplant wird.

Die Zahlen des Verbandes zeigen außerdem, wie das Land Berlin in Zentrum und Peripherie zerfällt: Anders als in Mitte steigt der Leerstand in fünf Berliner Stadtteilen, weil die Nachfrage nach Wohnungen dort gering ist. Das ist in Hellersdorf zum Beispiel der Fall, oder auch in Reinickendorf – beide Stadtteile liegen außerhalb des S-Bahn-Ringes.

Dagegen profitiert Lichtenberg davon, dass die Nachfrage nach Wohnungen in den Nachbarquartieren Friedrichshain und Prenzlauer Berg nicht mehr bedient werden kann: Wer dort keine bezahlbare Wohnung findet, weicht nach Lichtenberg aus, weil es nicht weit entfernt von den Szenequartieren liegt. In dem Stadtteil halbierte sich die Quote leer stehender Wohnungen innerhalb eines Jahres.

BBU-Chef Burkardt spricht von einem „Engpass in Teilbereichen des Marktes“. Er schließt wegen der geringen Bautätigkeit bei zugleich starker Zunahme der Haushaltszahl eine „Mangellage“ in zwei bis drei Jahren nicht aus – falls sich die wirtschaftliche Lage weiter zuspitze. „Dann muss sich die Politik etwas einfallen lassen“, sagte er. Am ehesten sei ein Mangel an kleinen Wohnungen zu erwarten. In mehr als der Hälfte aller Berliner Haushalte lebt nur eine Person. Aber auch für viele Paare oder Alleinerziehende reicht das Geld nur für kleine Wohnungen, weil die Einkommen in der Stadt seit Jahren stagnieren und immer mehr Menschen von Transferzahlungen oder prekären Arbeitsverhältnissen leben.

Die Durchschnittsmiete beträgt laut BBU berlinweit 4,71 Euro je Quadratmeter und Monat. Im Osten der Stadt etwas mehr (4,77 Euro), im Westen etwas weniger (4,63 Euro). Noch schneller als die Mieten stiegen Wasser-, Wärme- und andere Betriebskosten. Dafür macht der Verband den Senat verantwortlich, weil er von der Anhebung der Grundsteuer und der Wasserpreise profitiere. „Es kann aber nicht sein, dass die Politik die Kosten treibt“, sagte Burkardt. Albert Weingartner, wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, gibt der „miserablen Wohnungspolitik des Senats“ die Schuld an dem starken Rückgang der Neubautätigkeit, der den Wohnungsmarkt zusätzlich belastet: „Schon beim Kauf wird der Eigentümer mit der höchsten Grunderwerbsteuer Deutschlands belastet. Anschließend zahlen Wohnungsbesitzer die höchste Grundsteuer Deutschlands, horrende Wasserpreise und werden über das Straßenausbaubeitragsgesetz abgezockt.“

Andreas Otto, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Grünen, fordert: „Der Senat soll über den Bundesrat erreichen, dass die Mieten bei Neuvermietung bei 15 Prozent über der Vergleichsmiete gekappt werden.“ Eine solche Regelung solle in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt werden. Außerdem sollten die alle drei Jahre möglichen Mieterhöhungen von 20 auf 15 Prozent eingeschränkt werden.

Währenddessen sieht der Berliner Mieterverein noch ein weitere Ursache für die zunehmende Enge auf dem Wohnungsmarkt: Es würden immer mehr Wohnungen als Gewerberäume und Ferienappartements „zweckentfremdet“. Außerdem gebe es in den besonders gefragten Stadtgebieten einen „spekulativen Leerstand“. Der Verein forderte schon im März vom Senat, diese Entwicklung zu stoppen. Ralf Schönball

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