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Berlin: Berlin in der Krise: Das Verlassen ist angenehmer als das Verlassenwerden. Eheberaterin: SPD und CDU sind wie ein Paar in Scheidung

Die Große Koalitions-Ehe von SPD und CDU wurde 1991 nicht im Himmel geschlossen. Eine Vernunft- und Zweckgemeinschaft ohne erotisches Prickeln.

Die Große Koalitions-Ehe von SPD und CDU wurde 1991 nicht im Himmel geschlossen. Eine Vernunft- und Zweckgemeinschaft ohne erotisches Prickeln. Sicher auch als Zugewinngemeinschaft gedacht, doch der eine sanierte sich auf Kosten des anderen: die SPD verlor an Wählergunst, die CDU gebärdete sich dominant. "Sowas geht nur solange gut, bis der dominierte Partner eine Alternative sieht", sagt eine Eheberaterin. Das Ende der Koalition lief ab wie im Lehrbuch für Partnerschaftsprobleme.

"Viel hängt in einer Ehe von der Sozialisation der Partner ab", sagt die Paarpsychologin. Die SPD hat eine starke liberale und demokratische Erziehung genossen, das heißt, sie würde sich irgendwann gegen Dominanz wehren. "In Berlin vergaßen die Sozialdemokraten zehn Jahre lang ihre Erziehung und legten eine erstaunliche Leidensfähigkeit an den Tag." Lange erfüllten sie ihre ehelichen Pflichten, meckerten nur manchmal und drohten noch seltener damit, die Koffer zu packen. Wo hätten sie auch hinsollen? Es blieb nur Treue und Unterordnung. Jetzt ist alles anders, gleich mehrere Liebhaber buhlen um die Gunst der SPD. Wie so oft im richtigen Leben standen die schon vor der eigentlichen Trennung im Hintergrund bereit - "und wurden so zum Auslöser für die Trennung", sagt die Eheberaterin. "Das macht das Gehen leichter."

Zum Thema Online Spezial: Das Ende der Großen Koalition Anfang vom Ende: Die Finanzkrise in Berlin TED: Soll der Regierende Bürgermeister direkt gewählt werden? Fototour: Die Bilder der Krise Die CDU verkriecht sich nun in die Rolle des verletzten Egos und zeigt die typischen Reaktionen des Verlassenen: Trauer und vor allem die Enttäuschung darüber, die Initiative verloren zu haben. "Wenn hier jemand verlässt, dann sind wir es", hätten die Christdemokraten am liebsten gesagt. "Wir bestimmen, wann es vorbei ist." Und dann ist da noch eine gehörige Portion Wut. Der Verlassene ist immer der Gedemütigte und zieht dann gerne alle Register der Rache. Beschimpft die Ex als prinzipienlos, wortbrüchig und wäscht auch sonst noch einige schmutzige Wäsche in aller Öffentlichkeit. Und fragt: "Was hat die PDS, was ich nicht habe?" Da reagiere die CDU sehr männlich, lautet die Diagnose der Paarberaterin. Denn es sind Männer, die wütend und kämpferisch auf Verletzungen antworten, während sich Frauen in ähnlichen Situationen meist trauernd und depressiv in die Schmollecke zurückziehen.

Die Sozialdemokraten dagegen sehen derzeit keinen Grund für Depression, fühlen sie doch die Euphorie der Sonnenseite. Sie haben es endlich getan, sie haben den Zeitpunkt des Bruches bestimmt. "Verlassen ist doch die angenehmere Seite als die des Verlassenwerdens", meint die Eheberaterin. Und dann noch die vielen Verehrer, die mit dem Blumenstrauß wedeln, die tun dem Ego so richtig gut.

Eine Trennung bedeutet aber nicht nur die Chance auf ein neues Glück, sondern auch auf neue Enttäuschungen. "Ich rate meinen Klienten immer davon ab, sich in ausgesprochenen Krisensituationen den Laufpass zu geben", meint die Psychologin. "Da spielen zu viele Emotionen mit und zuwenig Vernunft." Wenn SPD und CDU zu ihr gekommen wären, hätte sie gesagt: "Nehmt euch für die Entscheidung Zeit und analysiert erst einmal, wem es nützt, wenn ihr euch jetzt trennt!" Und dann hätte sie den Rat gegeben: "Bleibt zusammen und löffelt die gemeinsam eingebrockte Suppe auch gemeinsam wieder aus."

In einem Punkt aber weichen SPD und CDU vom Handbuch ab, nämlich mit den eifrigen Versuchen, dem jeweils anderen die Schuld für die Trennung unterzuschieben. "Die Schuldfrage spielt heutzutage in der Eheberatung keine Rolle mehr." Im Wahlkampf aber schon.

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