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Berlin: Berlin ist Spitze: Über hundert Fälle von Größenwahn

Zwei Autoren auf der Suche nach Superlativen in der Stadt

Originell war die Idee des Verlags, das Buch „Berlin XXL – eine Stadt im Superlativ“ am Donnerstag im teuersten Hotelzimmer Berlins vorzustellen, der Präsidentensuite im Adlon. Da, wo Michael Jackson sein Kind aus dem Fenster gehalten hatte. Der Verlag ließ an die eingeladenen Journalisten das Taschenbuch verteilen, das neben 110 anderen Superlativen auch über das teuerste Hotelzimmer Berlins schreibt.

Ein Butler schenkte Wasser und Saft aus. Die Presseleute versanken in den Sesseln, ließen staunend oder auch etwas missbilligend die Blicke schweifen, dachten an Michael Jackson oder George W. Bush, die hier saßen. Der VizeHoteldirektor war gekommen, wurde gleich nach dem Zimmerpreis gefragt. „ 7500 bis 7700 Euro die Nacht inklusive Butler und Limousine.“ Zur Auslastung sagte der Direktor, sie könnte besser sein, aber die Zeiten seien nicht so gut für Luxus.

Zum Glück gaben sich die Autoren Steffen Damm und Kai Ulrich Harnisch zu erkennen, sonst wäre der Anlass fast vergessen worden. Ein Panoptikum der Berliner Extreme hätten sie beschrieben, die Berliner Großmannsucht ein wenig auf die Schippe genommen. Die Journalisten blätterten und lasen, dass Berlin vieles in XXL, in Übergröße hat: die größten Parkhäuser am Potsdamer Platz, die meisten Nobelpreisträger, die meisten Sozialhilfe-Empfänger, die höchsten Schulden, mit dem Titania-Palast das älteste Kino, die „weltweit größte Ansammlung von Türken außerhalb der Türkei“, weshalb auch die Hochhauspassage am Kottbusser Tor schon „Checkpoint Ali“ genannt werde.

Gewürdigt wurden die hohen Treptowers und die tiefen Tegeler Brunnen, die „Protzkeule“ Fernsehturm als höchstes Gebäude Deutschlands, der 11. Juli 1959 mit 38,1 Grad als heißester Berliner Tag und Tasmania 1900 mit 31 sieglosen Fußballbundesliga-Spielen hintereinander als erfolglosester Berliner Verein. Die Fasanenstraße sei noch immer die teuerste Straße der Stadt, und das teuerste Sechs-Gänge-Menu könne man im Lorenz Adlon für 235 Euro bestellen, pro Person, versteht sich.

„Wer will das alles wissen?“, seien die Autoren schon gefragt worden, hieß es in einem Anflug von Selbstkritik. Schon war die Veranstaltung vorbei, jemand fragte noch nach dem angekündigten Überraschungsgast und erfuhr, dass es der Butler war. C.v.L.

Steffen Damm/Kai Ulrich Harnisch: „BERLIN XXL. Eine Stadt im Superlativ“. Bostelmann & Siebenhaar Verlag, 140 Seiten, 12,80 Euro

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