zum Hauptinhalt
Am Moritzplatz in Kreuzberg - einem chronischen Unfallschwerpunkt - wird die Radspur zurzeit farbig markiert und verbreitert. Kosten: 25.000 Euro.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin lässt Millionen verfallen: Das Geld für Radwege ist da - und doch weg

Mehr Geld wird für bessere Rad-Infrastruktur eingeplant, aber weniger ausgegeben. Nur wenn der Bund zahlt, ist mit wenig Einsatz viel möglich.

Wenn es um den Fahrradverkehr geht, lässt der Senat Millionenbeträge verfallen. Fremdes Geld gibt er dagegen umso lieber aus. Aktuelle Unterlagen aus dem Parlament dokumentieren nicht nur den eigenartigen Umgang mit dem Geld, sondern liefern auch ein Indiz dafür, warum Berlin auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Stadt trotz aller gegenteiligen Beschwörungen des Senats nur mühsam vorankommt.

Vor allem die im Haushalt bereitgestellten Mittel zur „Verbesserung der Infrastruktur für den Radverkehr“ verfallen in immer größerem Ausmaß: Das Budget von drei Millionen Euro wurde zuletzt vor fünf Jahren komplett ausgeschöpft beziehungsweise sogar überzogen. Im Jahr 2011 verfiel dann eine Dreiviertelmillion. 2012 hatte zwar das Parlament das Budget auf 3,5 Millionen Euro aufgestockt, aber dafür wurde gleich eine ganze Million nicht abgerufen. 2013 verfielen vom ebenso hohen Budget 600 000 Euro. Und vergangenes Jahr – nun standen schon vier Millionen Euro zur Verfügung – verfiel davon sogar die Hälfte.

Real ist also trotz immer höherer Budgets immer weniger Geld ausgegeben worden. Die Zahlen teilte die Stadtentwicklungsverwaltung jetzt auf Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (Piraten) mit. Ob die Entwicklung im laufenden Jahr besser wird, scheint fraglich, denn bis Ende Juli wurde von den vier Millionen möglichen Euro noch nicht einmal eine abgerufen.

Die Stadtentwicklungsverwaltung bestätigt Defizite, verweist aber auch auf externe Unwägbarkeiten – etwa Streit mit Baufirmen oder Verzögerungen, wenn Ampeln umprogrammiert werden. Allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass viele Bauprojekte wegen Personalmangel bei Verkehrslenkung und Tiefbauämtern liegen bleiben.

Nicht ganz so desaströs ist die Lage beim Sanierungsprogramm für marode Radwege, das mit zwei Millionen Euro jährlich ausgestattet ist. Zwar verfiel auch hier im vergangenen Jahr fast eine halbe Million. Aber in den Jahren davor wurde das Budget zumindest einigermaßen ausgeschöpft – und 2011 überzogen. Das zeigt, dass sich der Kampf der Abgeordneten gelohnt hat: Im Entwurf für den aktuellen Doppelhaushalt hatte die Verkehrsverwaltung das Budget auf Druck des Finanzsenators zunächst halbiert – bis eine Allparteienkoalition die Rückkehr zum Status quo durchsetzte.

Weil der Bund mehr gibt, will Berlin seinen Anteil kürzen

Wie nötig das Sanierungsprogramm ist, zeigte die Schulnote 4,7, die sich Berlin im aktuellen Fahrradklimatest des Radfahrerverbandes ADFC für den Zustand der Radweg-Oberflächen einfing.

Im Senatsentwurf für den Doppelhaushalt 2016/17 sind fürs nächste Jahr wiederum vier Millionen Euro für die Radverkehrsinfrastruktur avisiert. 2017 sinkt der Ansatz dann auf 2,8 Millionen Euro. Dafür gibt es 2,2 Millionen Euro vom Bund. Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar (Grüne) hofft, in den bevorstehenden Haushaltsberatungen die vier Millionen aus dem Landeshaushalt auch für 2017 retten zu können: „Ein guter Senator würde doch die Gelegenheit nutzen und sich freuen, dass er endlich mehr für den Radverkehr tun kann, statt den Landesanteil zu kürzen“, sagt Gelbhaar.

Wie viel Berlin seit 2010 tatsächlich in den Radverkehr investiert hat, vermag der Senat auf Anfrage von Baum nicht zu beziffern, weil Verbesserungen für Radfahrer oft Teil von Gesamtpaketen – etwa der Neugestaltung von Straßen oder Fahrbahnsanierungen – waren und sind.  Dem im Nationalen Radverkehrsplan der Bundesregierung sowie in der vom Senat beschlossenen Radverkehrsstrategie genannten Zielwert von fünf Euro pro Jahr und Einwohner für Radverkehr sei der Senat „bereits nahe gekommen“, schreibt Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) mit Verweis auf die „bis zu 14 Millionen Euro pro Jahr“, die für den Radverkehr im Haushalt eingestellt worden seien. Auf die Diskrepanz zwischen eingeplantem und tatsächlich ausgegebenem Geld geht er nicht ein. In den 14 Millionen Euro ist auch eine Million enthalten, mit der sich Berlin am Verleihsystem „Call a Bike“ beteiligt. Die wurde größtenteils abgerufen.

Zurzeit werden Radwege an Spree, Havel und Dahme ausgebaut

Die neuen Radrouten, von denen viele Pendler gerade auf längeren Wegen durch die Stadt profitieren, gehören meist zu überregionalen Vorhaben und werden aus sogenannten GRW-Mitteln finanziert, also im Wesentlichen vom Bund. Dazu gehören der Radweg Berlin-Leipzig, der vom Gleisdreieck-Park bis zur südlichen Stadtgrenze führen soll und schon jetzt stark von Pendlern frequentiert wird. Zurzeit wird der Abschnitt von der Monumentenstraße zum Südkreuz ausgebaut. Ebenfalls auf dem Förderprogramm basiert der überwiegend noch bis 2016 laufende Ausbau von Spree-, Havel- und Dahme-Radweg. Diese Wege sind außerhalb Berlins weitgehend komplett; jetzt werden hier die Lücken geschlossen.

Während in den vergangenen Jahren aus dem GRW-Fördertopf meist nur rund eine Million Euro ausgegeben wurde, sollen es in diesem Jahr 6,3 und nächstes 3,3 Millionen Euro sein. Zurückgegeben werden musste laut Senat bisher nichts. Der von Berlin aufzubringende Eigenanteil liegt nur bei zehn Prozent, sodass die Stadt mit geringem Geldeinsatz große Summen aktivieren kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false