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Berlin-Marathon: Auch Regenschirme waren der Renner

Zehntausende Zuschauer feuerten die Sportler beim Berlin-Marathon in wetterfester Kleidung an. Weniger Menschen als sonst pilgerten zur Strecke – gejubelt wurde dennoch.

Da sieht man mal, was Klischees wert sind. Im Regen sind die Engländerinnen Rosemary Norris und Judith Pitt-Brooke in ihrer angeblich so verregneten Heimat Birmingham in diesem Jahr bisher noch nie gelaufen. „Wir sind bei dunklen Wolken immer zu Hause geblieben“, sagt die 48-jährige Norris lachend. Anders in Berlin. Zum Start des Marathonlaufs auf der Straße des 17. Juni gehen die beiden Freundinnen in dünnen Regencapes. Und so ausgerüstet sind zehntausend andere Läufer mit ihnen. Viel weniger Teilnehmer mit Schminke oder Perücke als sonst sind dafür zu sehen. Nur einige mit Sonnenbrille, Optimisten bis zum Schluss. Die Läufer, die ihren eigenen Schwamm dabei haben, freuen sich über die Extraportion Wasser von oben. „Der Schwamm hilft prima bei der Thermoregulierung“, erklärt Uwe Krüger aus Wandlitz, der an diesem Tag seinen 25. Marathon bestreitet.

Mit zu viel Schweiß und Überhitzung haben an diesem Sonntag aber die wenigsten Teilnehmer zu kämpfen. Zwar verhindert der Regen bei den männlichen Spitzenläufern wohl, dass der nachher bei der Siegerehrung am Brandenburger Tor strahlende Erste Patrick Makau und seine Konkurrenten Haile Gebreselassies Weltrekord unterbieten konnten. Doch die schnellste Frau, Aberu Kebede, und die Mehrzahl der Hobbyläufer kommen mit der Kühle und Nässe gut zurecht. So wie Karsten Rybka. Vor Tagen hatte der 53-Jährige bei seinen Freunden vom Lauftreff am Mommsenstadion sein Ziel für den Marathon bei 2 Stunden und 55 Minuten gesteckt. Und erreicht es trotz des Regens prompt. „Für mich sind diese Bedingungen optimal. Die paar Pfützen stören nicht“, sagt Rybka. Um 13 Uhr ist er bereits wieder auf dem Weg nach Hause, wo die Badewanne lockt.

Ja, der Regen. Er ist das Thema Nummer eins an diesem Marathontag. Denn eigentlich vertraute bisher jeder auf die Sonnenscheingarantie in Berlin, war es doch in den vergangenen fünf Jahren durchweg immer sonnig und trocken gewesen. Der Regen stellt nicht nur an die zuerst gestarteten Handbiker und Rollstuhlfahrer neue Herausforderungen, sondern auch an die zahllosen Familienmitglieder und Freunde, die einen oder mehrere Teilnehmer an der Strecke betreuen. „Sonst bin ich stets mit dem Rad zu verschiedenen Streckenpunkten gefahren, jetzt nehme ich dafür zum ersten Mal die U-Bahn“, erzählt Hanna Schnackenberg aus Friedenau, die ihren Mann Rainer seit sieben Jahren am Rand des Marathons begleitet.

Doch nicht nur ungewohnte logistische Anforderungen gilt es zu meistern. Schon allein das Stehen an der Strecke wird zur Turnübung. Zum einen, weil man sich immer wieder vorbeugen und auf die Zehenspitzen stellen muss, um an den Schirmen der Nachbarn vorbei etwas sehen zu können. Und zum anderen, weil es einiger austarierender Verrenkungen bedarf, um gleichzeitig klatschen und den eigenen Schirm auf der Schulter balancieren zu können. Nicht allein deswegen hält sich der Applaus des Publikums in Grenzen, das aber als Ausgleich dafür an manchen Stellen wie auf dem Potsdamer Platz besonders ausdauernd trötet und jubelt.

Leiser ist es trotz der vielen Musikgruppen vor allem, weil weniger Zuschauer als in den letzten Jahren die Strecke säumen – auch wenn es laut Veranstalterangaben angeblich 700 000 sind. Sogar an traditionellen Stimmungshochburgen wie dem Platz am Wilden Eber in Schmargendorf oder auf dem Kurfürstendamm sind die Zuschauerreihen merklich ausgedünnt. Und das trotz der enthusiastisch die Schlegel und Pompons schwingenden Samba- und Cheerleadergruppen.

Offenbar haben viele Marathonfans den Lauf also lieber zu Hause im Trockenen vor dem Fernseher genossen. So müssen sie heute auch nicht mit Niesanfällen kämpfen und können ein Jahr lang auf Sonne beim nächsten Mal spekulieren. 2011 mag es beim Berlin-Marathon allerdings noch mehr Neues als bloß das Wetter geben, denn nach elf Jahren läuft der Vertrag mit dem Titelsponsor, der Warenhauskette Real, aus. Ein Nachfolger ist noch nicht gefunden.

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