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Brunnenstraße

© Klaas

Berlin-Mitte: Hausbesuch mit 600 Polizisten

Großeinsatz in der Berliner Brunnenstraße: Der Eigentümer eines Altbaus ließ Personalien von 31 Bewohnern feststellen. Pikant: Der Sohn des Eigners ist als Arzt seit Jahren in der linken Szene aktiv.

Die Polizei hat gestern der linken Szene ihre Stärke demonstriert: 600 Polizisten durchsuchten am Vormittag das einst besetzte Haus Brunnenstraße 183 in Mitte. Die Straße war von 7 bis 12 Uhr abgeriegelt. Der neue Eigentümer des verwahrlosten Altbaus, Manfred Kronawitter, hatte Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt. Der Passauer Arzt, der das Haus Anfang 2006 gekauft hatte, versucht seitdem, die Namen der dort lebenden Menschen zu erfahren. Ein Amtsrichter hatte die Durchsuchung angeordnet, um „Beweismittel zur Identitätsfeststellung der dort aufhältigen Personen zu liefern“, wie es in dem Beschluss heißt.

Die Bewohner haben die 24 Wohnungen mit Durchbrüchen verbunden. Unklar ist, wer genau die Räume nutzt. Außerdem seien die Bewohner nicht bereit gewesen, ihre Namen mitzuteilen, ärgert sich der Eigentümer. Dem widerspricht die Rechtsanwältin der Hausbesetzer, Vera Hacke: Man habe dem Eigentümer die „Namen von 12 bis 15 Mietern“ übermittelt – was Kronawitter auf Anfrage bestritt. Die Anwältin gab zu, dass es nur „mündliche“ Mietverträge gebe. Dem Vernehmen nach waren nur fünf Personen in dem Haus polizeilich gemeldet.

In der linken Szene kursierten gestern sofort Gerüchte, dass das Haus, in dem es auch den so genannten „Umsonstladen“ gibt, geräumt werden solle. Dem widersprach Polizeijustiziar Oliver Tölle: Es seien nur Personalien festgestellt worden. Neben einem 80-Jährigen, der seit langem dort wohnt, seien vor allem Punks und Künstler, viele aus dem Ausland kontrolliert worden, sagte ein Mann, der nach eigenen Angaben seit Jahren dort lebt. 30 der Bewohner durften nach Feststellung ihrer Personalien wieder ins Haus zurück, gegen einen lag ein Haftbefehl wegen Drogenbesitzes vor, er wurde festgenommen.

Mit dieser demonstrativen Aktion geht der Dauerstreit um das Haus in die nächste Runde. Im vorigen Jahr hatte sogar der Regierende Bürgermeister den „Umsonstladen“ besucht und seine Solidarität versichert. Der Hauseigentümer will das Haus jedoch für generationenübergreifendes Wohnen herrichten und ist erbost über die jetzigen Bewohner: „Die sind nicht links, sondern link. Die glauben, sie kriegen alles gratis, wie im Schlaraffenland. Die Besetzer sind Gauner unter linkem Deckmantel“, schimpfte Kronawitter.

Mit solchen Formulierungen wird sich der Eigentümer in der linken Szene keine Freunde machen, vor allem nicht bei seinem Sohn Michael. Dieser, ebenfalls ein Arzt, ist seit Jahren in der linken Szene aktiv. Wie berichtet, war der Arzt kürzlich bei einer Demo gegen den G-8-Gipfel als „Rädelsführer der Störer“ festgenommen worden. Kronawitter Senior sagt zu dem Konflikt: „Über das Haus spreche ich mit meinem Sohn nicht. Ich glaube aber nicht, dass er darüber begeistert ist.“ Kronawitter junior fordert im Internet dazu auf, „das Haus privaten Profitinteressen zu entreißen“. Er werde das „Hausprojekt“ mit allen Mitteln unterstützen, auch „mit Sitzblockaden“. Sein Ansehen in der linken Szene verteidigt er seit langem mit der Formulierung, dass es „keine Sippenhaft“ gebe.

Der massive Polizeieinsatz wird ein politisches Nachspiel haben. Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux kritisierte es als „vollkommen unverständlich“, weshalb die Polizei mit einem solchen Aufgebot „die Interessen einer Privatperson schützt“. Dies sei gegenüber den Steuerzahlern nicht zu rechtfertigen. Auch hochrangige Polizisten nannten die Stärke „völlig übertrieben“. Offiziell wurde der Personalaufwand mit möglichen Aktionen der autonomen Szene begründet. Die blieben aber aus. Auch ein spontaner Demonstrationszug am Abend blieb friedlich. Nach Polizeiangaben marschierten dabei etwa 200 Menschen von der Brunnenstraße 183 zur Köpenicker Straße in Kreuzberg.

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