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Gute Schülerin. Ayla ist in ihrer Klasse die Beste. Ihr Vater und sie möchten derzeit nicht fotografiert werden. Ein Symbolfoto.

© imago/Westend61

Berlin-Neukölln: Ayla soll bleiben - Mögliche Abschiebung mobilisiert Unterstützer

Die siebenjährige Ayla soll abgeschoben werden, weil ihr Vater gelogen hat – dagegen gibt es Protest.

Ayla Khankishiyev mag Kunst, sie schwimmt auch gerne, sie ist im Unterricht engagiert und erfolgreich. In der ersten Klasse der Grundschule am Dammweg in Neukölln ist sie die Beste. Nicht weit vom Dammweg wurde sie geboren, im Vivantes-Klinikum Neukölln, vor sieben Jahren. Sie spricht deutsch, sie kennt nichts anderes als Berlin, sie kennt die Spielplätze von Neukölln. Gut möglich, dass sie bald eine ganz andere Sprache sprechen muss, ganz andere Spielplätze kennen lernt, eine ganz andere Schule besuchen muss. Gut möglich, dass Ayla Khankishiyev bald nach Aserbeidschan muss.

Sie, ihre Geschwister, drei und fünf Jahre alt, ihre Mutter, ihr Vater sollen abgeschoben werden, weil Aylas Vater gelogen hatte, als er vor 16 Jahren Asyl beantragte. Die mögliche Abschiebung mobilisiert einen riesigen Unterstützerkreis der Familie Khankishiyev. 400 Schüler, Lehrer und Eltern der Grundschule am Dammweg haben protestiert. Karoline Pocko Moukoury hat in einem Protestbrief geschrieben, die Familie sei „sprachlich und kulturell integriert“. Und Ayla habe „keine Verbindung zum Herkunftsland ihrer Eltern“.

Bezirkspolitiker, Kirchenleute, Migrationsexperten, sie alle gehören zum Kreis der Menschen, die fordern, dass die Familie in Berlin bleiben darf. Bernd Szczepanski (Grüne), Bezirksstadtrat für Soziales in Neukölln, sagt: „Wenn jemand so lange in Berlin ist, dann soll er auch bleiben. Ich unterstütze die Familie, auch wenn der Vater gelogen hat. Ich kenne so viele Familien, bei denen die Kinder darunter leiden, dass die Eltern falsche Angaben gemacht haben.“

Er hatte vor der Abschiebung Angst

Auch Pater Karl Hermann Lenz von der Katholischen Kirchengemeinde St. Christophorus hat unterschrieben: „Ich halte es für unsinnig, Menschen, die so lange in Berlin leben, abzuschieben“, sagt er. Erstmal wird nicht abgeschoben. „Der Fall liegt jetzt beim Petitionsausschuss“, sagt die Juristin Monika Hermann, die für den Flüchtlingsrat arbeitet und den Fall bestens kennt. „Und so lange er dort liegt, kann nicht abgeschoben werden.“ Wann sich der Ausschuss mit dem Fall befasst, ist nicht klar. Aber er trifft keine Entscheidung, er spricht nur eine Empfehlung aus.

Der Fall liegt aber auch beim Verwaltungsgericht Berlin. Er hat ja nicht nur eine humanitäre-moralische, er hat auch eine juristische Seite. Denn Asbali Khankishiyev hat die Behörden definitiv getäuscht. Nachdem er vor 16 Jahren aus Aserbeidschan nach Deutschland geflohen war, aufgrund des Bergkarabch-Konflikts, gab er bei seinem Asylantrag zwar an, dass er aus Aserbeidschan stamme, aber nannte auch einen falschen Namen.

Er hatte Angst, dass er sonst abgeschoben würde. Der Asylantrag wurde abgelehnt, aber weil er keine Reisedokumente hatte, durfte Asbali Khankishiyev bleiben. Er wurde geduldet, und zwischen 2006 und 2011 besaß er aus humanitären Gründen sogar eine Aufenthaltsberechtigung. Warum die endete und Asbali Khankishiyev wieder nur noch geduldet wird, kann Monika Hermann nicht sagen.

Innenverwaltung nimmt keine Stellung

Klar ist dagegen, wie Khankishiyev mit seiner falschen Identität aufflog. Die Ausländerbehörde in Berlin wandte sich an die Botschaft von Aserbeidschan, erfuhr dort den richtigen Namen und erhielt für Asbali Khankishiyev zeitlich befristete Ersatzpapiere. Nun landete der Fall bei der Berliner Härtefallkommission. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Integration und Frauen habe den Antrag eingebracht, die Familie solle bleiben dürfen. „Die Härtefallkommission votierte dann dafür, dass die Familie nicht abgeschoben wird“, sagt Hermann, die selber in der Kommission ist und gegen eine Abschiebung votiert hat.

Doch das Votum war nur eine Empfehlung an Innensenator Frank Henkel (CDU). Er hat das letzte Wort, sofern nicht ein Gericht eine Abschiebung verhindert. Und sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) urteilten gegen die Familie. Am 31. August 2015 entschied das OVG, dass abgeschoben werden dürfe. „Danach passierte aber nichts“, sagt Hermann. „Warum nicht, wissen wir nicht.“ Der Senatsinnenverwaltung teilt mit, dass er zu einzelnen Fällen keine Stellung nimmt.

Härtefallkommission befasste sich mit Fall

Dafür geschah etwas auf gesetzgeberischer Ebene. 2015 trat der Paragraph 25b in Kraft, und der besagt, dass jemand, der ursprünglich seine Identität falsch angegeben hat, trotzdem in Deutschland bleiben darf. Vorausgesetzt er lebt schon viele Jahre in Deutschland und legt seine wahre Identität komplett offen. „Beides trifft bei Asbali Khankishiyev zu“, sagt Monika Hermann.

Den neu eingeführten Paragraphen 25b hat sie auch zum Anlass genommen, erneut das Verwaltungsgericht einzuschalten. Gleichzeitig befasste sich auch die Härtefallkommission nochmal mit dem Fall Khankishiyev. Wieder gab es ein Votum pro Familie. „Einstimmig“, betont die Juristin Hermann. Das freut sie.

Die Antwort aus der Senatsverwaltung für Inneres freut sie nicht. „Es gab bereits negative Reaktionen.“ Sprich: Henkel wird der Empfehlung nach jetzigem Stand der Dinge nicht folgen. Wenn das Verwaltungsgericht die Abschiebung stoppt, kann er gegen dieses Urteil Rechtsmittel einlegen. Wenn aber letztlich doch Henkel entscheiden darf, dann setzt Monika Hermann ihre letzte Hoffnung auf die Vergangenheit. „Henkel hat ja auch schon Abschiebungen abgelehnt.“

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