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Klaus Wowereit geht im Abgeorndetenhaus von Berlin die Treppe hinunter.

© dpa

Berlin ohne Wowi - die letzte Rede: Klaus Wowereit: Liebe Berlinerinnunberliner!

Dem Tagesspiegel liegt exklusiv und vorab die letzte Rede vor, die der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, Ende des Jahres im Abgeordnetenhaus halten wird - oder wie er sie halten könnte: über 13 Jahre Trümmerfrauenpolitik, Sekt aus Damenschuhen und, na klar, den BER.

Liebe Berlinerinnunberliner, liebe Genossinundgenossen, das ist ein… Wer hat da eben gerufen „Ich dachte, der ist schon vor Jahren zurückgetreten?“ Das ist genau diese miesepetrige Haltung, die Berlin zurückwirft, diese Haltung, die mich wirklich ank…, also, die einer Regierungspartei nicht würdig ist. Es ist nämlich so, dass schon – ich glaube – August Bebel gesagt hat, man soll zurücktreten, wenn es am schönsten ist, und es wäre ja noch schöner, wenn ich diesen Tag verpassen würde.

Dieser Tag ist also heute, und ich sage euch, liebe Genossinnundgenossen, es ist ein schöner Tag. Einmal für mich, weil ich jetzt diesen Sch... also, weil ich meinem Nachfolger einen gut bestellten Acker hinterlasse, auf dem er die Saat mühevoller Arbeit der letzten 13 Jahre einbringen kann, und zum anderen für die Stadt und auch ihre sozialdemokratische Partei, weil beide nun die Früchte ernten können, die ich, natürlich zusammen mit all den Senatskolleginnenunkollegen, gesät habe.

Sicher, manches ist noch nicht so aufgegangen wie wir uns das in den Blütenträumen des Aufbruchs 2001 vorgestellt haben. Aber worum ging es denn damals? Wir waren ja die Trümmerfrauen und Trümmermänner, die den Schutt der Landowskys und ihrer Bänker wegräumen mussten. Berlin war eine lebende Leiche, aber wir haben die Ärmel hochgekrempelt und manch lange Nacht durchgearbeitet, ungeduscht und ungekämmt, wir mussten Champagner trinken aus Damenschuhen, weil die Biergläser weggepfändet waren, aber wir wussten, unter diesem Schutt liegt eine Perle, die etwas hat, das man mit Steuergeld nicht kaufen kann: Ausstrahlung, Anziehung und Wildheit, die es in dieser Kombination nicht noch einmal gibt auf der Welt. Ich bin viel bespöttelt worden für meinen Satz, Berlin sei arm, aber sexy. Aber das ist ja immer noch so, arm sind wir gern, und sexy bleiben wir sowieso.

Warum also dieser Schritt? Es ist oft gesagt worden, ich sei amtsmüde. Wenn ich das höre, muss ich gähnen. Es gibt für mich immer noch nichts Schöneres, als nach dem Frühstück einen CDU-Senator so richtig zusammenzufalten. Dass immer alle an meiner Arbeit herummäkeln, lässt mich kalt, viel Feind, viel Ehr, ja, das gilt auch für dich, Heinz, mit deiner Neuköllner Jammerei. Also, amtsmüde nicht, aber vielleicht doch in jenem Sinn, dass ich glaube, der Stadt nun alles gegeben zu haben, einen fertigen Flughafen vielleicht mal ausgenommen, haha. Aber wenn ihr euch mal die Mühe macht, rauszufahren, dieses schöne Terminal anzusehen und die Blumenrabatten zwischen den Gebäuden und die vielen Menschen, die dort schon heute Lohn und Brot verdienen, dann müsst ihr zugeben, dass das alles ohne mich so nicht existieren würde. Als die Flughafen-Gesellschaft zwischenzeitlich ohne Aufsichtsratschef war – wer wurde da zurückgerufen? Ich, wie ich in aller Bescheidenheit sagen darf, ich habe mich nicht danach gedrängelt. Ihr hättet ja Josef Ackermann oder Elton John nehmen können, aber ihr habt mich zurückgerufen.

Und genau das meine ich. Immer tun vor allem diese Journalisten so, als hätte ich persönlich der Entwicklung im Weg gestanden, als wäre Berlin ohne mich schon längst London und Paris zusammen. Aber ich sage euch, Solarzellen hüpfen nicht allein auf die Dächer und Touristen machen nicht von allein die Nächte durch, da muss jemand die Weichen stellen. Und man hat mir immer gleichzeitig vorgeworfen, dass ich mich als Sonnenkönig fühle, mich um nichts kümmere, dabei weiß jeder Verwaltungskenner, dass der Chef delegieren muss, weil, das ist nun mal so und mir nicht schwer gefallen.

Und was wurde mir nicht alles vorgeworfen! Sogar der Schnee im Winter, aber wir sind nun mal nicht Haiti, das ist keine Bananenrepublik hier, sondern eine multikulturelle Metropole. Ich lasse mir nicht einreden, dass Multikulti gescheitert ist, nur weil ein paar Leute unsere Gastfreundschaft ein wenig überstrapazieren. Ich weiß nicht, wer mein Nachfolger wird, Jan und Hein oder Clas und Pit, das wird schon gut gehen. Aber ich sage euch: die dominierende Farbe in Berlin bleibt rot, oder mit den Worten meines Freundes Thomas Gottschalk: Wetten, dass? Ich danke den Berlinerinnenunberlinern und euch, liebe Genossinnungenossen, für eure Aufmerksamkeit und bin dann mal weg.

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