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Pilgerstätte. Hier wohnte Bowie während seiner Berliner Jahre.

©  Sima Djabar Zadegan

Berlin-Schöneberg: Am heiligen Bowie-Gral

Vier Wochen blieb die Gedenktafel für David Bowie verschwunden. Jetzt zieht sie wieder Fans an. Ein Ortsbesuch.

„Ich bin auf Pilgerreise“, erzählt Huw Mellish. Und hier, an der Hauptstraße 155 in Berlin, findet er den heiligen Gral. Der 21-jährige Engländer zückt sein Handy und macht ein Foto von der kleinen weißen Porzellan-Tafel, die an der Hauswand angebracht ist. Sie gedenkt David Bowie, der hier 1976 bis 1978 gewohnt hat. Huw lächelt selig.

Es ist Mittagszeit in Schöneberg. Auf der Hauptstraße eilen Passanten vorbei. Zwischen Mezze-Restaurants, Physiotherapie-Praxis und Tattoo-Studio fügt sich die kleine, weiße Gedenktafel unauffällig in das Straßenbild ein.

„An Persönlichkeiten wird in der Regel frühestens fünf Jahre nach ihrem Tod erinnert.“ Trotz dieses Leitsatzes der Historischen Kommission Berlins dauerte es nur sieben Monate, bis Rockstar David Bowie nach seinem Tod im Januar 2016 mit einer Gedenktafel geehrt wurde. Doch keine vier Wochen vergingen, da war die Tafel verschwunden. Vielleicht von Fans gestohlen. Aber wieder vier Wochen später glänzte eine neue Tafel am selben Platz im alten Rahmen.

Rose und Trauerkerze für den Rockstar

Und inzwischen ist es ruhig geworden um die Tafel. Von der Trauer und vom Trubel im August, als die Tafel anmontiert wurde, ist kaum mehr etwas zu merken. Damals sperrte die Polizei zwei Fahrspuren der Hauptstraße ab – wegen der vielen versammelten Bowie-Fans. Jetzt zieht gerade eine Gruppe Jugendlicher mit Smartphones und Stöpseln in den Ohren vorbei. „Ach so, David Bowie hat mal hier gewohnt?“ Sie heben ihre Augenbrauen, zeigen sich freundlich erstaunt. Danach singt Rihanna weiter im Ohr.

Da weiß der Engländer Huw Mellish mehr zu erzählen. Ein kleiner Blick auf den Hauseingang. Eine Rose und eine Trauerkerze sind dort abgestellt. Huw deutet das Szenario wie ein Kunsthistoriker ein Gemälde von Caravaggio. Das geronnene weiße Wachs der Trauerkerze stehe symbolisch für die Milch, die neben Pfeffer als einziges Lebensmittel auf Bowies strengem Diätplan nach dem Drogenentzug stand.

Das könne man auch von Bowies Video zum Song „Where Are We Now“ ableiten. Da singt David Bowie über Berlin, und die Haustüre zur Hauptstraße 155, wo er sich von den Drogenexzessen erholte, ist im Video auch zu sehen. Alles klar? Nach dieser Exegese verabschiedet sich Huw, er zieht weiter. Ganz im Sinne, wie es in Bowies Videosong heißt: „a man lost in time, near Ka De We, just walking the dead“.

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