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Berlin: Berlin wagt mehr Demokratie in den Bezirken

Fraktionen einigen sich über Bürgerentscheide – nur die CDU ist dagegen. Ob auch über Bau- und Haushaltsfragen abgestimmt werden soll, bleibt strittig

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In fast allen Bezirksangelegenheiten sollen die Bürger in Zukunft mitbestimmen können. Noch vor der Sommerpause will das Abgeordnetenhaus die Verfassung ändern, um kommunale Bürgerentscheide zu ermöglichen. Strittig ist, ob auf dem Weg der „direkten Demokratie“ auch Bebauungspläne abgelehnt und der Bezirkshaushalt verändert werden dürfen. Der Senat hat dagegen juristische Einwände erhoben, die in den nächsten zwei Wochen geklärt werden sollen.

Ansonsten sind sich SPD und PDS, Grüne und FDP einig, dass mehr Demokratie auf bezirklicher Ebene gut für Berlin ist. „Da haben wir ein Defizit, das behoben werden muss", sagte der FDP-Abgeordnete Alexander Ritzmann. Nur die CDU hat sich ausgeklinkt, unterstützt von der Industrie- und Handelskammer, die „mehr Bürokratie und Investitionshemmnisse“ befürchtet. Der CDU-Abgeordnete Gregor Hoffmann warnte in einer Aktuellen Stunde des Parlaments vor dem „Abgleiten in die Räterepublik“. Den Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann beeindruckte er damit nicht. „Das ist nur die Ouvertüre.“ Berlin solle zur Modellstadt für demokratische Teilhabe werden.

Auf Landesebene wollen die vier Parteien möglichst noch in dieser Wahlperiode die schon bestehenden Volksbegehren und -entscheide erleichtern, indem die Quoren (vorgeschriebene Mindestbeteiligung) gesenkt werden. Der PDS-Abgeordnete Rudolf-Peter Zotl kündigte an, dass das Wahlalter zu den Bezirkswahlen 2006 auf 16 Jahre gesenkt werden soll. Auch hier zeichne sich ein „Gemeinschaftsprojekt" der Regierungsparteien SPD und PDS und der Oppositionsparteien Grüne und FDP ab. Ab 2006 sollen außerdem, zuerst in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf, „ Bürgerhaushalte“ eingeführt werden. Das heißt , dass alle bezirklichen Investitionen offen gelegt und die Aufstellung der Etats in Bürgerforen vorbereitet und diskutiert werden.

Die jetzt geplanten Bürgerentscheide sollen im Erfolgsfall dieselbe politische Wirkung und rechtliche Bindung haben wie ein Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung. Noch gebe es „Ängstlichkeiten“, sagte der SPD-Abgeordnete Bernd Schimmler. Dabei seien die Erfahrungen mit kommunalen Plebisziten in Deutschland gut. Berlin ist das letzte Bundesland, das solche Bürgerentscheide einführt. Durchschnittlich beteiligten sich 30 Prozent der stimmberechtigten Bürger, so Schimmler. Auch die CSU in Bayern spräche von „guten Erfahrungen“, sagte er in Richtung CDU-Fraktion.

Deren Chef Frank Henkel begründete, warum die CDU nicht mitmacht: „Die politische Linke will das Prinzip der repräsentativen Demokratie durchbrechen.“ Das Quorum für die Bürgerbegehren (15 Prozent, von denen mehr als die Hälfte dafür stimmen muss), sei zu niedrig. Außerdem seien die Kosten hoch. „Bis zu 360 000 Euro pro Entscheid.“ Henkel gab zu bedenken, dass finanzstarke Interessengruppen die Bürger einspannen könnten. „Wir wollen keine käufliche Demokratie.“ Der FDP-Politiker Ritzmann hielt dem entgegen: Wenn ein Baumarkt einen Konkurrenten verhindern wolle, sei es doch günstiger, einen einzelnen Stadtrat zu bestechen als 30 000 Bürger. Großes Gelächter im Abgeordnetenhaus.

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