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Ziel der Kampagnen: Das Rote Rathaus in Berlin.

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Berlin-Wahl im September: Wer holt sich das Rote Rathaus?

Im September wird in Berlin gewählt, heute stellt die CDU ihr Programm vor. Ein Überblick über Kampagnen, Agenturen und Budgets.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es könnte ein kurzer, heißer Wahlkampf in Berlin werden. Am 18. September werden das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt. Erst zwei Wochen vorher enden die Sommerferien, es bleibt den Parteien also wenig Zeit zu mobilisieren. Am heutigen Mittwoch stellt die CDU ihr Wahlprogramm vor, Spitzenkandidat Frank Henkel ist bereits nominiert. Für die Wahlkampagnen läuft momentan der Feinschliff. Wer sind die Akteure, die den Wahlkampf managen – und was kostet das alles? Hier ein Blick hinter die Kulissen.

SPD

Alles in Butter?

Die Sozialdemokraten verlassen sich wieder auf den Genossen Frank Stauss, Geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsagentur Butter. Ansässig in Berlin, mit einem zweiten Standbein in Düsseldorf, und mehr als hundert Mitarbeitern. Mitinhaber sind Oliver Lehnen und Rolf Schrickel. Alle drei Berliner Wahlen, die der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (2001, 2006 und 2011) gewonnen hat, wurden von Stauss und seinem Team begleitet. Nun kümmert er sich um Michael Müller.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten managt der Diplom-Politologe Stauss viele Wahlkampagnen der SPD in Bund und Ländern, zuletzt 2015 für Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz. Er ist Sozialdemokrat durch und durch, trotzdem ein unabhängiger Geist. Die „Verkaufe“ von Politik lernte er in Heidelberg, Washington und Berlin. Auch der langjährige CDU-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfstratege Peter Radunski brachte Stauss vor vielen Jahren bei, wie man wirkungsmächtige Wahlkämpfe bestreitet. Der schrieb jetzt ein Buch über seinen Job, das „Höllenritt“ heißt.

Trotz aller Professionalität hat sich Stauss’ Agentur im Vorwahlkampf schon einen kleinen Fauxpas erlaubt. Auf dem Nominierungs- Parteitag der Sozialdemokraten für Müller am 30. April wurde der Slogan „Hauptsache Berlin“ auf großen Plakaten präsentiert. Ein Motto, das die Landes-CDU schon seit 2008 verwendet. Müller war nicht amüsiert. Die Agentur Butter ist auch im kommerziellen Marketinggeschäft unterwegs. Sparkassen und Automatenwirtschaft, Aktion Mensch und Allianz-Versicherung sind Kunden.

Für die Entwicklung der politischen Wahlkampfstrategie laufen die Fäden bei Müller zusammen, der seit April auch wieder SPD-Landeschef ist. Unterstützt wird er von engen Vertrauten wie dem Kommunikationsberater Robert Drewnicki und dem SPD-Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf, Christian Gaebler. Organisatorischer Wahlkampfleiter ist der SPD-Landesgeschäftsführer Dennis Buchner. Die zentralen Themen, mit denen die SPD in den Wahlkampf ziehen will, sind klassisch sozialdemokratisch: Gute Arbeit, kostenlose Bildung für alle, bezahlbares Wohnen.

Wahlziel der SPD ist es, stärkste Partei zu bleiben. Prozentzahlen werden nicht genannt. Das Wahlkampf-Budget bewege sich „im üblichen Rahmen“, sagt Parteisprecherin Marisa Strobel und verweist auf die Wahl 2011. Damals investierte die SPD 1,7 Millionen Euro.

CDU

Eine Million für Heilmann

Bei den Christdemokraten hat der Kampagnenmanager Thomas Heilmann das Heft in der Hand. Der Justizsenator und CDU-Kreischef in Steglitz-Zehlendorf ist der entscheidende Impulsgeber, auch wenn Generalsekretär Kai Wegner als parteioffizieller Wahlkampfleiter ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Dies alles in Abstimmung mit dem CDU-Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten Frank Henkel, die im Großen und Ganzen auch funktioniert.

Thomas Heilmann ist nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, sondern auch Werbeprofi. 1990 gründete er gemeinsam mit dem heutigen Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner und Olaf Schumann die Agentur Delta-Design, die ein Jahr später in Scholz & Friends aufging. Dort war Heilmann bis 2008 in leitender Stellung tätig. Das Know-how, das er mitbringt, ist aber nicht der einzige Grund, warum die Landes-CDU dieses Mal, und als Einzige der größeren Berliner Parteien, auf eine Lead-Agentur für den Wahlkampf verzichtet. Es gab zwar Gespräche mit alt/cramer, einer Strategie-Agentur mit Sitz in Berlin und Stuttgart, die sich nach eigener Aussage „in der Schnittstelle von unternehmerischer Beratung und kreativer Kommunikation“ bewegt. Der Miteigentümer Michael Cramer war in Führungspositionen diverser TV-Sender tätig und berät seit 2010 Unternehmen und Politiker. Aber die Chemie hat offenbar nicht gestimmt, die Parteispitze verzichtete.

Weil die Zeit drängte, entschied man sich für einen Agenturverbund. Für die grafische Gestaltung der Werbekampagne, die auf ein „Starkes Berlin“ setzt, wurde das Designbüro Studio Sultan Berlin an Bord geholt. Für die Entwicklung einer App, die den CDU-Wahlkämpfern den Kontakt mit den Bürger erleichtern soll, wurde die Agentur Praxisnah in Thüringen beauftragt, die sich auch um technische Fragen des Online-Auftritts kümmert. Die CDU ist die einzige Partei, die noch kein Wahlprogramm beschlossen hat. Heilmann plädiert dafür, den Wahlkampf in aller Ruhe anzugehen, die Wahl werde erst in den letzten zwei Wochen vor dem 18. September entschieden. Die politischen Schwerpunkte der Christdemokraten: Innere Sicherheit, digitale Wirtschaft und Bildung. Die Union möchte bei der Wahl stärkste Partei werden. Das ist jedenfalls die offizielle Version. Das Budget: etwa eine Million Euro.

GRÜNE

Auf Newcomer gesetzt

Die Grünen setzen bei ihrer Wahlkampagne erstmals auf die Werbeagentur DieckertSchmidt. „Ihr besonderes Gespür für Berlin und die Menschen in unserer Stadt hat uns überzeugt“, sagt Parteisprecher Christian Honnens. Die Inhaber Georg Dieckert und Stefan Schmidt sind seit 20 Jahren ein eingespieltes Team, beide kamen 1996 beruflich bei Springer & Jacoby zusammen, deren Londoner Filiale sie drei Jahre später gründeten. Von 2002 bis 2011 gehörten sie zur Führungscrew des Werbeagentur-Netzwerks TBWA. Sie machten Kampagnen für Apple und McDonald’s, Mercedes-Benz, Lufthansa und Adidas, um nur einige Beispiele zu nennen. Anfang 2012 gründeten sie ihre eigene Agentur, mit momentan 14 Mitarbeitern. Zwei Jahre später wurde DieckertSchmidt zur „Newcomer-Agentur des Jahres“ gekürt. Die letzte Berliner Agentur, die diese renommierte Auszeichnung erhielt, war 2001 Heimat Berlin, die sich jetzt um die Freien Demokraten kümmert.

Für die Koordination des Grünen-Wahlkampfes in Berlin ist eine „Steuerungsgruppe“ zuständig, in der das Spitzenteam der Partei, Ramona Pop und Antje Kapek (beide Fraktionsvorsitzende), Bettina Jarasch und Daniel Wesener (beide Landeschefs), den Ton angibt. Organisatorischer Wahlkampfleiter ist Grünen-Geschäftsführer Mirko Seffzig. Von der Präsentation einer Spitzenkandidatin oder eines Spitzenkandidaten hat die Partei frühzeitig Abstand genommen. Erstens hat der Berliner Landesverband noch die schlechten Erfahrungen mit der Top-Frau Renate Künast im Wahlkampf 2011 in Erinnerung. Zweitens haben Parteienforscher die Grünen überzeugt, dass es mehr bringt, wenn die Partei voll auf Inhalte setzt. Kernthemen sind Bildung und soziale Gerechtigkeit, bezahlbares Wohnen, Umweltschutz und Verkehr. Es ist kein Geheimnis, dass die Grünen bei dieser Wahl stärker als die CDU werden wollen. Das Wahlkampfbudget liegt, einschließlich der Gelder für die Bezirksverbände, bei 1,7 Millionen Euro.

LINKE

Tradition ohne „Gelaber“

Der Landeschef der Linken, Klaus Lederer, hat Anfang Juni das Wahlkampfquartier des Landesverbands eröffnet. „Wem gehört die Stadt?“, fragt die Partei auf ihren ersten Plakaten. „Kein Gelaber, kein Werbegedöns“, versprechen die Hauptstadt-Linken. Es gehe schließlich nicht um Tourismus-Marketing. Die zentralen Themen: Arbeit und Bildung, sozialer Wohnungsbau und eine starke Verwaltung. Um damit viele Stimmen zu sammeln, greift auch die Linke auf professionelle Hilfe zurück. Mit der Agentur DIG/Trialon wurde ein Vertrag abgeschlossen über die „Beratung und Realisierung von Kommunikationsmaßnahmen“. Da der Landesverband ein ziemlich bunter Haufen ist, geht es dem Landesvorstand vor allem darum, ein „weitgehend geschlossenes Erscheinungsbild“ herzustellen.

Dazu gehört auch eine Modernisierung des Online-Auftritts einschließlich der besseren Präsentation in den sozialen Netzwerken. DIG/Trialon ist der traditionelle und aus Sicht der Partei auch bewährte Partner der Linken. Die PR-Strategie wird vom Landeschef Lederer so beschrieben: „Radikal in der Sache, aber nicht in der Pose.“ DIG/Trialon ist nach eigener Aussage eine „Agenturgemeinschaft für Politik- und Gesellschaftskommunikation“ und ein Designbüro. Firmenstandort ist Berlin. Der Chef Reiner Strutz stieß Anfang der 90er Jahre über Umwege zur Werbebranche. Vor der Wende hatte er im DDR-Außenministerium, zeitweilig als Diplomat in Paris, gearbeitet.

Nach dem Mauerfall brachte er sich in einer kleinen Agentur in Leipzig das Handwerk des Marketings „learning by doing“ bei und stieg dann 1995 bei Trialon ein. Deren wichtigster Kunde war immer die Linke, früher PDS. Der Partei fühlt sich Strutz über die Vermarktung in Wahlkampfzeiten hinaus auch politisch eng verbunden. Der Agentur gelang es im Laufe von zweieinhalb Jahrzehnten, der Linken ein völlig neues Corporate Design und ein Image zu verpassen, das jünger und frecher ist als die Partei selbst. Die berlinische Prägung der Agentur ist nicht zu verleugnen. Sie arbeitete beispielsweise auch für Spreequell, die Volkssolidarität und die S-Bahn.

Das Wahlziel der Linken für den 18. September sind „15 Prozent plus X“. Das Wahlkampfbudget liegt bei 900 000 Euro.

FDP

„Gib dich niemals auf“

Mit dem Wahlkampfmanager Christian Renatus hat sich die Berliner FDP einen erfahrenen Marketing-Profi an Land gezogen. Der 68-jährige Freidemokrat aus dem Erzgebirge organisierte nach der Wende den Zusammenschluss von Liberal-Demokratischer Partei Deutschlands (LDPD) und FDP mit, seit 1990 betreut er auf Bundes- und Landesebene viele Wahlkämpfe der Liberalen. Bei der – für die FDP sensationell erfolgreichen – Bundestagswahl 2009 war er für das Management von Werbe- und PR-Maßnahmen zuständig und organisierte im vergangenen Jahr die Wahlkampagnen der FDP in Hamburg und Bremen. Die Vermittlung der wichtigsten Botschaften der Berliner Liberalen, die seit 2011 nicht mehr im Abgeordnetenhaus sitzen und jetzt auf den Wiedereinzug ins Landesparlament hoffen, behält sich aber der FDP-Generalsekretär Sebastian Czaja vor.

Der Bruder des christdemokratischen Sozial- und Gesundheitssenators Mario Czaja konnte mit einer erfolgreichen Unterschriftensammlung für die Offenhaltung des Flughafens Tegel schon ein paar Punkte sammeln. Mit einem Forderungskatalog für bessere Bildung, einen liberalen Rechtsstaat und eine funktionierende Verwaltung wollen die Liberalen dann in den Wahlkampf ziehen. Unterstützt werden diese Bemühungen von der Werbeagentur Heimat Berlin, die Filialen in Hamburg, Zürich und Wien hat. Seit 2014 gehört das Unternehmen zum international agierenden Agenturen-Netzwerk TBWA, mit Sitz in Düsseldorf, und ist seitdem auch Lead-Agentur der FDP in Bund und Ländern.

„Aus meiner Sicht eine der drei kreativsten Werbeagenturen in Deutschland“, sagt Renatus. Gegründet wurde Heimat Berlin 1999 von Matthias von Bechtolsheim, Guido Heffels und Andreas Mengele, inzwischen hat die Firma 230 Mitarbeiter und ist wirtschaftlich sehr erfolgreich. Dazu haben originelle Kampagnen, etwa für den Baumarkt Hornbach („Mach es zu deinem Projekt“) oder McFit („Gib dich niemals auf“) beigetragen.

Das Wahlziel der Landes-FDP ist klar formuliert: Die Partei will wieder ins Abgeordnetenhaus einziehen. Das Wahlkampf-Budget der Freien Demokraten beträgt 250 000 Euro, hinzu kommen Mittel für die Bezirkskampagnen in ebenfalls bescheidenen Dimensionen.

AFD

Ohne Absender

Wahlkampfleiter des Berliner Landesverbands ist Hans-Joachim Berg. Der 68-jährige Rechtsanwalt und Oberst der Reserve hat eine lange Karriere als Ministerialrat in der Bundestagsverwaltung hinter sich, er war persönlicher Referent des früheren CDU/CSU-Fraktionschefs Alfred Dregger und hat als ehemaliger Vize-Direktor der Deutschen Welle auch Medienerfahrung. 2013 gab Berg sein CDU-Parteibuch ab und wechselte zur AfD, dort leitet er den mitgliederstärksten Bezirksverband in Steglitz-Zehlendorf und ist im Berliner Landesverband zweifellos eine intellektuelle Führungsfigur. Sein Credo, mit dem die AfD im Wahlkampf Stimmen fangen will: Berlin braucht eine ernst zu nehmende Opposition. Nicht nur die Regierung, sondern auch Grüne, Linke und Piraten hätten versagt.

„Unbequem. Echt. Mutig!“ steht auf einem frisch gedruckten Flyer, auf der Rückseite der Spielplan für die Fußball-WM. Die Berliner AfD bemüht sich erkennbar um werbliche Professionalität und hat auch eine Agentur beauftragt, die nach Aussagen eines Sprechers „schon andere Wahlkämpfe für die Partei gemanagt“ habe. Allerdings will die Parteispitze „aus Sicherheitsgründen“ nicht verraten, welche Agentur das ist. Die PR-Leute hätten ihren Standort nicht in Berlin, mehr war nicht in Erfahrung zu bringen. Wer auch immer dafür zuständig ist: Die AfD will ihr öffentliches Erscheinungsbild vereinheitlichen und modernisieren. Entsprechende Strategiepapiere des Bundesvorstandes liegen vor. Die Verachtung der etablierten Politik, eine klare Freund- Feind-Rhetorik und die Beschwörung von Sicherheit und Ordnung in einem deutschen Deutschland sollen auch bürgerlichen Wählern schmackhaft gemacht werden.

Ein Wahlziel hat die AfD für Berlin bisher nicht ausgegeben. Mit einem einstelligen Ergebnis wäre die Partei aber wohl nicht mehr zufrieden. Über das Wahlkampfbudget will der AfD-Landesverband nicht sprechen. „Mittel stehen ausreichend zur Verfügung“, heißt es. Dem Vernehmen nach ist die Partei finanziell deutlich besser gerüstet als die FDP.

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