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Berlin: Berlinale 2001: Zwölf Tage im Februar

Keine Frage, natürlich hat die Berlinale Glanz über die Stadt gelegt. Quer durch die Medien gingen die Klagen, dass nicht genug Stars auf nicht genug Partys seien oder die falschen Stars auf den falschen Partys, aber wer genau wo ist, darauf kommt es im Grunde gar nicht an.

Keine Frage, natürlich hat die Berlinale Glanz über die Stadt gelegt. Quer durch die Medien gingen die Klagen, dass nicht genug Stars auf nicht genug Partys seien oder die falschen Stars auf den falschen Partys, aber wer genau wo ist, darauf kommt es im Grunde gar nicht an.

Zwölf Tage im Februar liegt der Marlene-Dietrich-Platz im gleißenden Scheinwerferlicht, der rote Teppich glänzt wie ein Mohnfeld im Junisonnenschein, und an den Absperrungen sammeln sich jede Menge Zaungäste. Das neue Ambiente, das dem alten Zoopalast an Glamourqualität deutlich überlegen ist, provoziert beim Publikum ebenfalls Veränderungen: diesmal traten auch viele Premierengäste ohne Prominentenfaktor in schönen Roben auf den Teppich in die Welt der Illusionen. Glanz erzeugt Glanz. Das täuscht uns auch am Ende nicht über den ersten Eindruck hinweg, man könne die Berlinale mit dem neuen Berlin auf der Software-Ebene, dort, wo es um Menschen geht, noch etwas enger verschmelzen. Aber es ist müßig, das in einem Moment anzumahnen, in dem frischer Wind ja gewissermaßen schon auf der Wetterkarte steht. Die Erblasten des alten West-Berlin werden unter neuer Führung endgültig verblassen.

Mythen brauchen Zeit, um zu wachsen. Der Mythos von den Goldenen Zwanzigern ist auch nicht bei einer Fete entstanden. Für den Mythos, der das neue Berlin zur Jahrtausendwende gewissermaßen in einem Strahlenkranz zeigt, waren die vergangenen Tage fruchtbar genug. Feiern, lange, lange Nächte gehören zu einem Filmfestival dazu, auch wenn manche Stammrunde in der Paris Bar oder dem Borchardt aus Anlass des Festivals plötzlich die Funktion einer Vorgruppe zum Stück "Speisende Stars" übernimmt und dabei in unverdientes Rampenlicht gerät.

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Die Feste mögen diesmal nicht so bombastisch gewesen sein wie zur 50. Berlinale im Jubiläumsjahr 2000, aber dafür hat man zum Teil aus vergangenen Fehlern auch gelernt. Allerdings pflegen manche Veranstalter immer noch die etwas kindische Unterteilung in besondere, sehr besondere und superbesondere VIP-Bereiche, obwohl das ein bisschen kontraproduktiv wirkt. Wirklich große Künstler haben es ja nicht nötig, auf Prestigezonen zu bestehen. Eher verstummt bei ihrem Auftritt alles, öffnen sich die Reihen. Das lässt eine besondere Aura besser zur Geltung kommen, als ein Cordon von tumben Bodyguards oder abgeschottete Extraräume. Schließlich würde kein Gastgeber von einigem Verstand kreischende Teenies oder spätpubertierende Groupies zu einem Filmstar-Empfang einladen.

Also ist das Schlimmste, was einem Oscar-Preisträger wie Geoffrey Rush passieren kann, in den üblichen Small Talk verwickelt zu werden, à la: "Toller Film. Haben Sie ihn vorher schon mal gesehen?" "Nur auf Video. Tolle Leinwand." "Ja, tolle Leinwand...". Columbia-Boss Jürgen Schau scheint übrigens eine besondere Gabe dafür zu haben, Glanz und Demokratie stilvoll zu vereinigen. Vielleicht sollte ihm mal jemand das Ehrenamt des Oberzeremonienmeisters antragen, zumal seine Idee, die Idole der Massen, die Leinwandlegenden, mit ähnlich malerischen Zeremonien zu ehren wie die Repräsentanten der Mächte (Eskorten), in einer amüsiersüchtigen Gesellschaft so fernliegend gar nicht ist.

Stilvolle Zeremonien statt Starrummel, das steht Berlin gut zu Gesicht. Dass die großen Repräsentanten der Traumwelten, Kirk Douglas oder Hildegard Knef, Juliette Binoche oder Sean Connery, mit ihrem Sinn für besondere Momente eine unvergleichliche Atmosphäre zu schaffen vermögen, haben wir in den vergangenen Tagen zur Genüge studieren können.

Das haben nicht nur die Berlinale-Beteiligten gespürt. Schließlich bekommen auch zufällige Passanten reichlich mit von dem Glitzern und Vibrieren, das die Stadt im anderswo so grauen Monat Februar erfasst hat: Die Übertragungsleinwand auf dem Marlene-Dietrich-Platz lud jedermann an jene begehrten Orte, die man sonst nur mit Einladungskarte betreten konnte. Kaum eine Ecke rund um den Potsdamer Platz, wo man nicht auf ein kleines Fernsehteam stieß und auf Kollegen, die in allen denkbaren Sprachen live von hier in andere Länder übertrugen. Jedes Jahr scheinen es mehr zu werden, und das ist ganz okay so. Je schöner und fertiger diese Stadt wird, desto selbstverständlicher und lässiger steht ihr das Funkeln zu Gesicht, mit dem sie die Welt da draußen grüßt.

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