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Berliner Ansichten: Keiner will verantwortlich sein für die Dealerkinder

Lars von Törne staunt, wer so alles nicht verantwortlich für Dealerkinder ist. Polizei, Justiz, Senat, Bezirke, Gutachter, Politik und Heime schieben die Zuständigkeiten hin und her.

Man kennt das aus der U-Bahn, wenn ein Besoffener randaliert oder aggressive Jugendliche einem Fahrgast auf die Pelle rücken. Da mag der Wagen randvoll sein mit Menschen, die gemeinsam die Täter stoppen könnten, aber keiner tut etwas. Verantwortungsdiffusion nennen das Psychologen. Einen drastischen Fall des Phänomens erleben wir derzeit in Berlin: Die Polizei greift immer wieder junge Dealer auf, die offensichtlich keine Kinder mehr sind und daher strafrechtlich belangt gehören. Stattdessen beginnt die Diffusionsmühle zu mahlen, ausgelöst durch die Schutzbehauptung der Dealer, sie seien doch noch Kinder. Die Verantwortung wird hin- und hergeschoben zwischen Polizei, Justiz, Senat, Bezirken, Gutachtern, Politik, Heimen und wem nicht noch alles. Am Schluss sind so viele Menschen und Institutionen zuständig, dass garantiert niemand mehr Verantwortung empfindet, das Problem zu lösen. Und alle staunen, dass die Dealer jedes Mal schon kurz nach ihrer Festnahme fröhlich weiter ihr Heroin verkaufen. Was wir hier erleben, bringt auch ein weiterer Begriff aus der Psychologie griffig auf den Punkt. Er lautet: pluralistische Ignoranz.

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