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Wolfram Popp vor seinen Estraden-Häusern.

© Mike Wolff

Berliner Architekten und ihre Häuser: Mein Haus und ich

Warum so und nicht anders? Wer Häuser baut, hat ständig mit dieser Frage zu tun. Hier erläutern Architekten, die in den letzten Jahren in Berlin große Wohnbauprojekte durchgeführt haben, wie sie planen - mit dem Willen zu Höherem und dem Blick aufs Budget. Berichte aus vier Preisklassen, protokolliert von Barbara Nolte

Von Barbara Nolte

Wolfram Popp, Planpopp

Objekt: Estraden-Haus 1, 10 Wohnungen, Choriner Straße 56 in Prenzlauer Berg
Wohnungsgrößen: 79 und 108 Quadratmeter
Preissegment: günstig
Baujahr: 1998
Baupreis (nach festem Index auf 2014 hochgerechnet): 1240 €/qm
Miete: 6,99 €/qm

Ich plane immer von innen nach außen. Aus den Wohnungsschnitten ergibt sich die Fassade, die ich aber ständig mitbedenke: Was für eine Geste soll sie sein?

Als ich das erste der beiden Häuser entwarf, war ich zu Besuch in Wien. Es war Sommer. Ich lief durch eine Straße. Fast alle Fenster standen offen. Sie wirkten wie dunkle Löcher. Das Leben drang nicht zu mir nach draußen. Ich wollte Räume schaffen, die sich zur Stadt hin öffnen. Dazu habe ich das Estraden-Prinzip entwickelt. Zwei Podeste verlaufen entlang der beiden Stirnseiten meiner Wohnungen, zum Hof und zur Straße. Sie sind so hoch wie Hocker. Durch den Höhenunterschied entsteht eine eigene Raumzone, die in die Balkone übergeht. Öffnet man im Sommer die Fenster, wird eine Art Loggia draus.

Die Balkone laufen über die gesamte Hausbreite. Es gibt aber eine Bestimmung in Berlin, dass Erker und Balkone nur zu einem kleinen Teil über den Bürgersteig auskragen dürfen. Dadurch sollen Bauherrn daran gehindert werden, die Geschossflächen immer weiter auszudehnen. Diese Begründung fiel bei mir weg, da ich meine Wohnungen höher baute als zur Bauzeit üblich – so hat mein Haus nur sechs anstatt sieben Stockwerke und dadurch weniger Fläche. Eine Mitarbeiterin im Bauamt riet mir außerdem, die Balkone als „Umlauf zur Wartung der Fassade“ zu bezeichnen, Amtsdeutsch für: „nötig zum Fensterputzen“. So ging’s dann durch.

Die Fensterrahmen sind aus geöltem Lärchenholz, das man von Berghütten kennt. Mit der Zeit wird es grausilbern und ist gerade durch diese Verwitterung geschützt. Ich bin extra nach Bayern gefahren, um das Holz auszusuchen, und habe daraus die Fenster zusammen mit einem Fachbetrieb entwickelt.

Wenn man kostengünstig bauen will, sollte man keine Standardlösungen verwenden, sondern über die Details nachdenken. Die Böden der Balkone sind beispielsweise aus Gitterrost. So sind die Kosten für die Abdichtung entfallen. Ich hatte mir verschiedene Roste kommen lassen und barfuß ausprobiert, ab welchem Raster man bequem drauf läuft und auch kein Frühstücksmesser durchrutschen kann. Für mich hat sich so ein durchlässiger Balkonboden schon einmal als praktisch erwiesen: Ich konnte bei der Nachbarin unter mir die Blumen gießen, als sie verreist war, obwohl ich keinen Wohnungsschlüssel hatte.

Christoph Rasche, Degewo

Christoph Rasche vor einem Degewo-Neubau in Marienfelde.
Christoph Rasche vor einem Degewo-Neubau in Marienfelde.

© Mike Wolff

Objekt: Mietshaus, 52 Wohnungen, Waldsassener Straße 51 in Marienfelde
Wohnungsgrößen: 38 bis 112 Quadratmeter
Preissegment: günstig / normal
Baujahr: 2014
Baupreis: (brutto auf Wohnfläche): 1400 €/qm
Miete: (Durchschnitt): 8,50 €/qm

Das Wichtigste ist, dass die Grundrisse der einzelnen Wohnungen funktionieren. In diesem Haus sind viele kleine Wohnungen. Manche messen nur 39 Quadratmeter. Ich habe die Grundrisse so gestaltet, dass sich die Funktionen des Lebens trotzdem halbwegs separieren lassen. Es gibt eine Kochnische und eine Schlafnische. Außerdem große Fenster, vor denen ein Balkon von acht Quadratmetern liegt. So haben auch die Mieter der Ein-Zimmer-Wohnungen ein Gefühl von Weite.

Unser Auftrag als städtische Wohnungsbaugesellschaft ist es ausdrücklich, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. In der Waldsassener Straße haben wir uns eine Fußbodenheizung geleistet, weil sie kaum teurer war. So mussten wir in den kleinen Wohnungen nicht noch Heizkörper an die Wände hängen. Die Fensterflächen sind beschränkt. Ab einer bestimmten Größe sind wir verpflichtet, Markisen oder Rollläden anzubringen, damit die Wohnungen nicht zu heiß werden. Verordnungen wie diese finde ich wenig hilfreich, zumal es in Berlin wenig heiße Tage gibt. Aus Kostengründen verwenden wir Fensterrahmen aus Kunststoff, hier in Anthrazitgrau. Zusammen mit den metallenen Balkonbrüstungen, ebenfalls in Anthrazit, und der etwas herausgezogenen mittleren Wohnung auf jedem Stockwerk, bekommt das Haus eine Gestalt.

Wir haben hier in Marienfelde farbige Treppenräume. Umfragen unseres Kundenzentrums Süd haben ergeben, dass es Mietern gefalle, wenn sich die einzelnen Aufgänge in der Wandfarbe unterscheiden. Wir beziehen unsere Kundenzentren grundsätzlich in unsere Planungen ein. Auch die Farbnuancen, in diesem Fall Grüntöne, habe ich mit den Mitarbeitern vor Ort ausgewählt.

Tobias Nöfer, Nöfer Architekten

Tobias Nöfer vor "HeydtEins".
Tobias Nöfer vor "HeydtEins".

© Thilo Rückeis

Objekt: „HeydtEins“, 66 Wohnungen, Von-der-Heydt-Straße 1 in Tiergarten
Wohnungsgrößen: 45 bis 122 Quadratmeter
Preissegment: hochpreisig
Baujahr: 2015
Baupreis: keine Angabe
Durchschnittlicher Verkaufspreis: 6000 €/qm

Wenn manche Leute bei unserem Haus das New Yorker Flatiron Building assoziieren, habe ich nichts dagegen. Doch ging es bei der Fassade nicht vorrangig um ein Zitat amerikanischer Architektur. Die Form des berühmtem Eckhauses ist wie fast alle Architektur in den USA europäisch geprägt und kommt hier als Echo zurück. Für mich ist „HeydtEins“ mit seiner plastischen Kantigkeit eine Berliner Architektur, die durch die geschwungene Wand entlang der Straße Eleganz entwickelt.

Wenn Sie mich fragen, wie ich unsere Architektur bezeichnen würde, könnte man sie modernen Klassizismus nennen. Ich lehne aber solches Schubladendenken ab. Letztlich steht dort ein Haus, das zum Ort und zur Aufgabe passt und ein modernes Berliner Lebensgefühl repräsentiert. Das bedeutet, das Neue auf der Grundlage der Tradition zu denken.

Die halbrunde Form der Balkone stammt aus keiner Tradition, die haben wir extra für diesen Bau entwickelt. Sie wirken wie Schwalbennester. Wären die Balkone größer, würden sie die Fassade zu sehr dominieren. Der Platz reicht jedoch, um einen Tisch mit zwei Stühlen daraufzustellen. So hat jede der vielen kleinen Wohnungen einen eigenen Balkon. Sonst sind moderne Wohnungen ja auch praktisch unverkäuflich.

Der Sockel des Hauses ist aus Travertin, einem Stein, der als Sockelstein für den gesamten Block vorgeschrieben ist. Die Fassade ist mit einem Wärmedämmverbundsystem isoliert. Das ist zwar eher nicht unsere bevorzugte Bauweise, weil sich Putz darauf nicht so feinkörnig und präzise aufbringen lässt wie auf Stein. Allerdings ist Bauen heute immer ein Kampf des ästhetischen Anspruchs mit der Technik, der Flächeneffizienz und den Kosten, bei dem Kompromisse oft unvermeidlich sind.

In der Lobby befindet sich die Loge eines Doorman, der beispielsweise Pakete annimmt oder Kleidung für die Reinigung. Der Bauherr, die Groth Gruppe, hat bei anderen Projekten in ähnlich guter Lage die Erfahrung gemacht, dass dieser Service von den Bewohnern gerne in Anspruch genommen wird.

Die Groth Gruppe hat aus ihren vielen Erfahrungen beim Wohnungsbau Leitlinien für uns Architekten abgeleitet, die zum Beispiel die Größe und Lage von Schrankflächen, Abstellräumen oder Küchen betreffen. Es ist sehr schwierig, in so einem Tortenstück gute Grundrisse unterzubringen. Hier war die Lösung, die meisten der 66 Apartments um einen Innenhof zu gruppieren, ähnlich einem kleinen Klosterhof. Von da geht es in die Wohnungen, die sich nach vorne öffnen.

Robert Patzschke, Patzschke Architekten

Robert Patzschke (links) mit Onkel und Vater vor den "Charlottenhöfen".
Robert Patzschke (links) mit Onkel und Vater vor den "Charlottenhöfen".

© Mike Wolff

Objekt: „Charlottenhöfe“, 76 Wohnungen, Lietzenburger Straße 101 in Charlottenburg
Wohnungsgrößen: 49 bis 268 Quadratmeter
Preissegment: hochpreisig /Luxus
Baujahr: 2015
Baupreis: keine Angabe
Durchschnittlicher Verkaufspreis: 6250 €/qm

Mein Onkel, mein Vater und ich arbeiten fast bei jedem unserer Projekte zusammen. Im Fall der Charlottenhöfe an der Lietzenburger Straße stammt der erste Entwurf von mir.

Uns ist es ein Anliegen, dass sich unsere Bauten in die Umgebung eingliedern. Sie haben ein gewisses Benehmen, kommunizieren mit den Gebäuden der Nachbarschaft, ohne diese zu übertönen. Der Ausdruck des Edlen im äußeren Erscheinungsbild der Charlottenhöfe liegt in der schlichten Wertigkeit, der feinen Profilierung der Fassade durch Vor- und Rücksprünge sowie im Aufbau in Sockelzone, Schaft und oberem Abschluss, wie ihn bereits griechische Säulen haben.

Wir sehen uns als Protagonisten zeitgenössischer, klassisch-traditioneller Architektur. Das heißt für uns jedoch nicht, dass wir in unseren Entwürfen auf die Ornamentik einer bestimmten Epoche zurückgreifen. Der Werbetext der Webseite der Charlottenhöfe spricht allerdings von einer Orientierung am Art Deco, was in diesem Fall nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

Wir haben uns dafür entschieden, den repräsentativen Eingangsbereich in Naturstein auszuführen und damit zu betonen. Dahinter liegt eine zweigeschossige Eingangshalle. Die Hochwertigkeit der Wohnungen zeigt sich einerseits an der Wahl der Materialien und Ausstattungen – beispielsweise Einzelstabholzparkett oder Waschtischplatten aus Naturstein –, andererseits an Grundrissen mit großen Balkonen und Terrassen. Selbstverständlich ist jedem Schlafraum ein eigenes Bad zugeordnet. Außerdem gibt es Ankleidezimmer und Hauswirtschaftsräume. Darüber hinaus sind die Charlottenhöfe mit einem Belüftungssystem ausgestattet, das die Raumluft nicht nur filtert und reinigt, sondern auch temperiert und befeuchtet: Es ist also Luft, die höchsten Ansprüchen genügt.

Nachdem wir in den 1990er Jahren das Hotel Adlon gebaut hatten, sahen wir uns durch Architekturkritiker und Architektenkollegen einer für uns unverständlichen Diskriminierung ausgesetzt, die sogar zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führte. Inzwischen freuen wir uns über den Zuspruch auch von Kollegen, insbesondere jüngerer, zur klassisch-traditionellen Architektur. Der Erste in der Karawane bekommt halt die Schüsse ab.

Unser Büro wird weitgehend mit exklusivem Bauen in Verbindung gebracht, aber wir machen auch Entwürfe für deutlich geringere Budgets. Man vergisst ja oft: Wir haben mal mit sozialem Wohnungsbau angefangen.

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