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Berlin: Berliner baden nicht um jeden Preis

Von Fatina Keilani Leere Becken, verärgerte Gäste: Die drastischen Preiserhöhungen der Bäder lassen die Besucher vor allem morgens und abends ausbleiben. Schwimmer ziehen einsam ihre Bahnen.

Von Fatina Keilani

Leere Becken, verärgerte Gäste: Die drastischen Preiserhöhungen der Bäder lassen die Besucher vor allem morgens und abends ausbleiben. Schwimmer ziehen einsam ihre Bahnen. Seit die Dauerkarten abgeschafft sind, haben viele Stammkunden den regelmäßigen Besuch im Bad gestrichen. Mit einem Schwund von 30 Prozent hatten die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) allerdings gerechnet. Für sie ist das Ganze nur eine Rechenaufgabe, denn besonders die Dauerkarten waren ein Zuschussgeschäft.

Badegäste fürchten, dass es beim Preisauftrieb nicht bleibt. In diesem Jahr kommen weniger Leute, im nächsten dient der Schwund als Vorwand, um wegen mangelnder Nachfrage weitere Bäder zu schließen, so die Sorge. Das weisen die Bäder-Betriebe zurück. Sie haben für den Mai sogar einen Besucher-Zuwachs errechnet. Es seien zwar im Vergleich zum Vorjahresmonat rund 100 000 Besucher weniger gekommen, rechnet BBB-Vorstand Klaus Lipinsky vor. Das entspreche einem Rückgang um 13,8 Prozent. Aber im vergangenen Jahr habe man ja auch sechs Bäder mehr betrieben, die in diesem Jahr verpachtet seien. Rechne man die sechs Bäder heraus, so komme man sogar auf eine Steigerung der Besucherzahlen um 19 000 – und auf ein Umsatzplus von 10 500 Euro. Besonders der April sei mit einem Umsatzplus von 35 Prozent oder 300 000 Euro sehr erfolgreich gewesen. Das liegt allerdings daran, dass viele noch schnell eine Dauerkarte oder eine Zehnerkarte gekauft haben, bevor die Preiserhöhung in Kraft trat.

Im Sommerbad Kreuzberg an der Prinzenstraße herrschte am Montagnachmittag kurz nach 16 Uhr trotz Sonnenscheins gähnende Leere. Von den vier Kassen des Kiosks war nur eine geöffnet, Schlangen gab es nicht. Die andere Bude auf dem Gelände war geschlossen. „Wir spüren den Rückgang total“, sagte David Seitz (22), der am Kiosk aushilft. Der Student hatte kaum zu tun. „Es kommen viel weniger Gäste als früher.“

Statt sechs Mark kostet der Eintritt jetzt vier Euro, also fast acht Mark, für Kinder 2,50 Euro. Besonders hart trifft es Rentner: Wer früher für 55 Euro sechs Monate lang unbegrenzt schwimmen gehen konnte, zahlt jetzt den vollen Eintritt, denn die Ermäßigung für Rentner wurde auch abgeschafft. Das macht bei täglichem Besuch 720 Euro pro Halbjahr. „Klar, das geht ins Geld“, räumt BBB-Vorstand Lipinsky ein. „Aber vorher waren schon die Wasserkosten teurer als der Eintritt. Mit den Dauerkartenbesitzern hatten wir die Bäder voll, aber die haben mehr gekostet als eingebracht.“

Von der Empörung der Gäste zeugt eine dicke Kladde, die im Prinzenbad an der Wand beim Kiosk hängt. „Die Abschaffung der Saisonkarte bedeutet eine größere Belastung der Krankenkassen“, schreibt einer. „Wer früher aus gesundheitlichen Gründen schwimmen gehen konnte, lässt sich jetzt mehr rückenschonende Maßnahmen verschreiben.“

Eine Frau schildert, dass sie jetzt draußen auf ihre Kinder wartet, um die vier Euro zu sparen. Andere schreiben, sie könnten sich keine Reise leisten und hätten die vergangenen Sommer im Bad verbracht. Nun könnten sie selbst das nicht mehr bezahlen.

Bei den Bäder-Betrieben reagiert man unwirsch. „Es ist typisch für Berlin, dass die Leute meinen, das Freibad müsse billig sein“, sagt BBB-Sprecher Manfred Radermacher. „Das ist in den Köpfen noch so drin.“ In anderen Städten seien die Eintrittspreise viel höher als in Berlin, und besondere Ermäßigungen für sozial Schwache gebe es dort auch nicht. Noch immer werde jeder Berliner Badegast mit 5,77 Euro pro Schwimmbadbesuch subventioniert.

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