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Berlin: Berliner Bestseller: Wo Bosetzkys Kartoffeln der Renner sind

Welche Bücher lesen die Berliner am liebsten? Mögen sie andere Autoren als die Hamburger, Münchner oder Leipziger Leser?

Welche Bücher lesen die Berliner am liebsten? Mögen sie andere Autoren als die Hamburger, Münchner oder Leipziger Leser? Und woher wissen die Berliner überhaupt, was sie lesen wollen? Schließlich erscheinen in Deutschland jeden Tag zweihundert Bücher - viel zu viele, um da noch durchzublicken.

Viele Leser orientieren sich an Bestsellerlisten. Ein Buch, das schon so oft verkauft wurde, dass es in einer Hitparade der Literatur auf den vorderen Plätzen steht, kann nicht ganz schlecht sein, mögen sie denken. Aber eine verbindliche Bestsellerliste gibt es nicht. Manche wirken etwas willkürlich zusammengstellt und sind es wohl auch.

Die wöchentlich vom Branchenblatt "Buchreport" ermittelte und vom "Spiegel" übernommene Belletristik- und Sachbuchliste suggeriert, die meistverkauften Bücher zu führen. Das aber tut sie nicht. Sonder- und Taschenbuchausgaben bereits erschienener Bücher, Ratgeber, Nachschlagewerke und Kochbücher werden gar nicht berücksichtigt. Zudem gründet sich die Liste nur auf Vorschläge, die der Buchhandel macht. Die Händler geben die ihrem Eindruck nach am meisten verkauften Bücher an den "Buchreport" - im Zweifel auch die Titel, die sie in großen Mengen eingekauft haben und nun absetzen möchten.

Genauso, auf Zuruf also, wird die Berliner Liste erhoben. "Wir fragen kleine und große Buchhändler in Berlin", heißt es bei der Umfragefirma Campo-Data, "die sagen uns das dann". Die Liste, die "Focus" veröffentlicht, soll auf tatsächlichen Verkaufszahlen beruhen. Sie wird von über 400 Scannerkassen abgerufen. Dennoch wird sie in der Branche kritisch betrachtet. Sie ähnelt so sehr der "Spiegel"-Liste, die ganz anders erhoben wird.

Auch Buchläden führen Bestsellertabellen. Die Filiale der Thalia-Kette im Weddinger Gesundbrunnencenter nennt ihre die "Renner-Penner-Liste". Horst Bosetzkys "Quetschkartoffeln und Karriere" steht hier weit vorn auf Platz sieben, ein volkstümlicher Kleine-Leute-Roman. Auf keiner anderen Liste kommt er sonst noch vor, warum ausgerechnet hier? Vielleicht, weil er in die Gegend passt. Wedding eben.

Kiepert verkauft die Geheimdienst-Erinnerungen "Bonn im Blick" von DDR-Spionage-Chef Werner Großmann in seiner Hellersdorfer Filiale öfter als in der Innenstadt. Bei der Kiepert-Filiale in der Hardenbergstraße ist die junge Autorin Zadie Smith auf Platz drei, die sonst in keiner Liste vorkommt. Wahrscheinlich, weil nebenan die Technische Universität ist, an der viele junge Leute studieren.

Bei Dussmann in der Friedrichstraße verkauft sich Michel Houellebecqs Roman "Elementarteilchen" immer noch glänzend. Das Buch ist im Herbst 1999 erschienen und mittlerweile von allen anderen Listen verschwunden. Warum das so ist, weiß man bei Dussmann nicht. Ob "unsere langen Öffnungszeiten Einfluss auf die Bestseller haben, wurde noch nie untersucht", sagt die Kaufhaus-Sprecherin Barbara Hüppe.

Zusammenreimen kann man sich allerdings, warum der Roman "Die Nachrichten" des Berliner Journalisten Alexander Osang, der außerhalb Berlins nicht gelistet war, hier vor Weihnachten auf dem siebten Platz lag. Ringsherum arbeiten eine Menge Kollegen, gleich auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat "Focus" sein Hauptstadtbüro, fünfzig Meter weiter residieren "Frankfurter Allgemeine" und "Die Zeit", auch die Korrespondenten des "Spiegel" und der "Süddeutschen Zeitung" sind in der Nähe. Die waren an dem Insider-Roman wahrscheinlich sehr interessiert. Damit erklärt sich wohl auch, warum "Generation Golf" von Florian Illies hier noch öfter über die Tische geht als anderswo: Auch er ist ein prominenter Journalist. Berlinweit liegt er auf Platz acht bei den Sachbüchern, hier auf Platz zwei. Warum er ausgerechnet in der Friedrichstraße so erfolgreich ist, darüber hat sich Illies, wie er sagt, noch keine Gedanken gemacht. Er spekuliert über die Ausstrahlung seines Geistes über Grundstücksgrenzen hinweg. Aber das meint er natürlich nicht ernst. Die Harry-Potter-Bücher gehen im Dussmann-Kaufhaus übrigens vergleichsweise schlecht: Nur zwei der vier Potter-Bände sind unter den besten zehn zu finden.

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