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Der Herr der Betten. In den 90er Jahren musste Friedrich Boyens um das Fortbestehen seines Geschäfts kämpfen. Jetzt plant er den Rückzug – aus Altersgründen.

© Thilo Rückeis

Berliner Bettenhaus Rutz: Raus aus den Federn

Der Chef des traditionsreichen Bettenhauses Rutz will seine letzte Filiale verkaufen. Zugleich rechnet er mit der Bank ab, die ihn fast in die Pleite getrieben hatte.

Die letzte kleine Filiale von „Betten Rutz“ steht in Schmargendorf, Breite Straße 28, Eigentümer Friedrich Boyens möchte sie jetzt aus Altersgründen verkaufen – aber sein langer Kampf um Gerechtigkeit geht weiter. Bald will der Mittelständler im Internet ein Dossier darüber veröffentlichen, wie er schuldlos um sein berufliches Lebenswerk gebracht wurde. Und er plant eine Petition an den Bundestag mit der Forderung, Gewerbemieter besser zu schützen.

Denn eine Sonderkündigung hatte 1995 zum Niedergang des Bettenhauses geführt, das damals zehn Filialen hatte. Das Hauptgeschäft stand an der Tauentzien-, Ecke Nürnberger Straße in einem Haus der Gothaer-Versicherung; später wurde dort Niketown gebaut.

Ins geschlossene Sportkaufhaus Niketown zieht Uniqlo aus Japan. An gleicher Stelle in der Tauentzienstraße stand früher das „Gothaer-Haus“ mit Betten Rutz.
Ins geschlossene Sportkaufhaus Niketown zieht Uniqlo aus Japan. An gleicher Stelle in der Tauentzienstraße stand früher das „Gothaer-Haus“ mit Betten Rutz.

© Simulation: promo

In dem mittlerweile geschlossenen Sportkaufhaus verkauft Uniqlo aus Japan ab April Mode, während Nike im Frühjahr einen Laden im Europa-Center öffnet.

1981 hatte Boyens das 1931 gegründete Bettenhaus übernommen. Es war stadtbekannt, hatte aber erst fünf Standorte. An der Tauentzienstraße mietete der Kaufmann große Flächen – zuletzt 1000 Quadratmeter in drei Etagen. Als schwedische Investoren das Haus kauften, änderte sich zunächst nichts. Dann interessierte sich Immobilienunternehmer Jürgen Schneider für das Gebäude.

Jürgen Schneider täuschte leichtgläubige Banker

Ende 1992 gaukelte dieser der Norddeutschen Landesbank (NordLB) vor, er habe die Immobilie für 151 Millionen D-Mark erworben und plane den Umbau für 40 Millionen DM. Eine Kopie des Kaufvertrags verweigerte er, dieser sei vertraulich. Dennoch bekam er wenige Tage später 186 Millionen DM Kredit, davon 131 Millionen sofort.

In Wahrheit erwarb Schneider das Haus erst im Januar 1993 für nur 83 Millionen DM. Schließlich besuchten Bankmitarbeiter ihn im Taunus, um den Vertrag einzusehen. Schneider präsentierte zwei Papiere, eines war ein ganz anderer Vertrag. Aber die Banker schauten kaum hin.

Erst 14 Monate später erhielt ein Bankvorstand eine Liste der Schneider-Immobilien; das Haus fehlte. Endlich sah man ins amtliche Grundbuch, und der Schwindel flog auf. Aber Schneider flüchtete ins Ausland. 1997 wurde er zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, davon drei Jahre für den Betrug mit der Immobilie an der Tauentzienstraße.

„Schadensbegrenzung auf dem Rücken eines Mittelständlers“

Die NordLB stand vor einem Riesenverlust. Laut Gutachten im späteren Prozess war das Haus nur 40 Millionen DM wert. Die Bank wollte ihren Schaden senken und geheim halten. 1995 verkaufte sie an einen langjährigen Kunden. Die Münchener Firma Syncodata erwarb Forderungen gegen Schneider und in einer Zwangsversteigerung die Immobilie. Boyens sieht darin „reines Strohgeschäft“ und mutmaßt, es sei „Schmiergeld geflossen“.

Nach einer Sonderkündigung und Räumungsklage schloss das Bettenhaus am Boulevard im November 1995. Ein Richter kritisierte zwar die „Schadensbegrenzung auf dem Rücken eines Mittelständlers“, erklärte sie aber für rechtmäßig. „Damit war ich ruiniert“, sagt Boyens. Er schloss alle Filialen außer der in Schmargendorf und entließ rund 50 Mitarbeiter.

Später aber erstritt er Schadensersatz in Millionenhöhe von der NordLB, dem Konkursverwalter und der Gothaer. Die Versicherung haftete als Vorvermieter: Boyens fand im Bürgerlichen Gesetzbuch unter der Bestimmung „Kauf bricht nicht Miete“ (§566, früher §571) den kaum beachteten Absatz 2. Danach muss ein Vermieter selbst nach dem Verkauf eines Gebäudes „wie ein Bürge“ für die Einhaltung der Verträge einstehen.

Gerhard Schröder war Aufsichtsrat der Bank – und half nicht

Der Unternehmer hatte sich an den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gewandt, der dem Aufsichtsrat der NordLB angehörte. Schröder antwortete, die Methoden seien „Gestaltungen im Rahmen der Gesetze“ und keine Tricks.

1996 schaltete Boyens ganzseitige Zeitungsanzeigen mit Vorwürfen gegen die Bank und Schröder. Am Rande einer Veranstaltung im Hotel Adlon ließ Schröder ihn hinauswerfen.

„Keiner hat mir geholfen, alle haben mich angelogen“, sagt Boyens, besonders groß bleibt seine Wut auf Schröder. Er will an Niedersachsens Landtag appellieren, den Altkanzler als Ex-Aufsichtsrat haftbar zu machen für Millionenverluste, die der NordLB trotz allem entstanden sein dürften. Boyens besitzt sogar einen Pappkameraden in Schröders Gestalt. Manchmal stellt er die Figur im Schmargendorfer Laden auf.

- Mehr zum Thema berichtet „Tagesspiegel Köpfe“, das Berliner Wirtschaftsmagazin, in seiner neuen Ausgabe.

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