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Berlin: Berliner CDU: Diepgen wehrt sich gegen "Klugscheißer"

Der CDU-Landesvorsitzende und ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hat sich gegen die Aufforderung zum Verzicht auf seine Bundestagskandidatur verwahrt. Er reagierte damit auf den Offenen Brief einer Initiative "Berlin braucht Bürger", der am Donnerstag in Zeitungsanzeigen veröffentlicht wurde, unter anderem im Tagesspiegel.

Der CDU-Landesvorsitzende und ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hat sich gegen die Aufforderung zum Verzicht auf seine Bundestagskandidatur verwahrt. Er reagierte damit auf den Offenen Brief einer Initiative "Berlin braucht Bürger", der am Donnerstag in Zeitungsanzeigen veröffentlicht wurde, unter anderem im Tagesspiegel. Dies sei "inhaltlich falsch und persönlich ein Stück verletzend", sagte Diepgen. Er kenne einige der Unterzeichner "aus der Partei". In dem Offenen Brief wird dem 60-jährigen Diepgen ungeachtet seiner "Verdienste um Berlin" die "entscheidende Verantwortung für die katastrophale Lage der Stadt" zugeschrieben. Es sei "erschreckend", dass Diepgen keine politische Verantwortung für "das Debakel übernehme und keine persönlichen Konsequenzen ziehen wolle: "Verzichten Sie auf Ihre Bundestagskandidatur!" Sein "politisches Kapital" sei "aufgebraucht".

Diepgen ist Direktkandidat im Wahlkreis Mitte und wurde vom CDU-Landesvorstand mit dem knappen Votum von zehn gegen acht Stimmen für Platz eins der Landesliste zur Bundestagswahl vorgeschlagen. Sein Gegenbewerber Günter Nooke, gegen den er sich schon im Wahlkreis durchgesetzt hatte, bewirbt sich nun auf Platz zwei; er ist Wahlkreiskandidat in Pankow. Die Landesvertreterversammlung der CDU entscheidet am Sonnabend in geheimen Einzelabstimmungen über die Listenkandidaten. Das Ergebnis für Diepgen wird mit Spannung erwartet; ein Gegenbewerber ist nicht in Sicht.

Das schwache Votum seines Landesvorstandes kommentierte Diepgen gestern vor der Presse mit den Worten: "Es spiegelt die Schwierigkeiten des letzten Jahres wider." Nach den "Umbrüchen" habe die Partei "ein Recht auf kritische Diskussion". Im Hintergrund schwelt die Auseinandersetzung um seine Nachfolge als CDU-Chef. Diese Funktion will er im Mai aufgeben. Diepgen gab Fehler im Zusammenhang mit der Bankenaffäre zu, die zum Bruch der Großen Koalition und zu seiner Abwahl als Regierender Bürgermeister geführt hatte. Er hätte schneller handeln sollen, meinte er im Hinblick auf die Ablösung seines Freundes Klaus Landowsky, der Chef der Berlin Hyp und CDU-Fraktionschef und Hauptfigur der Parteispendenaffäre war.

Er akzeptiere aber die Kritik in dem Offenen Brief "so nicht", sagte Diepgen. Sie bestärke ihn in seiner Kandidatur. Zugleich verteidigte er entschieden seine Politik als Regierungschef. Er sprach von "Klugscheißerei", wenn wegen der Schuldenlage Berlins gesagt werde, man hätte anders handeln sollen. Es habe keine Alternative zur Lohnangleichung, zu Investitionen in Wissenschaft, Forschung, Kultur und Infrastruktur gegeben: "Meine Sorge war immer, dass der Modernisierungsprozess der Stadt durch soziale Spannungen unmöglich gemacht wird." Damit ging Diepgen zu scharfer Kritik am rot-roten Senat über, dem er "Sparen ohne Ziele" vorwarf. Dies sei die "Aufforderung zur Abwanderung der jungen Generation und der Eliten". Dieser Senat "stürzt die Stadt in sozialen Unfrieden".

Diepgen erwartet von der Bundestagswahl auch "eine erste Abstimmung über Rot-Dunkelrot in Berlin". Die CDU wolle auch in Berlin stärkste Kraft werden. Seine Bundestagskandidatur begründete er mit dem Willen, seine Erfahrung als Regierungschef in bevorstehenden Entscheidungen über die "Rolle Berlins als Hauptstadt der Nation" einzubringen. Hierfür seien Verfassungsänderungen nötig. Es gehe um die richtige Verteilung der Aufgaben und um deren Finanzierung zwischen Bund und Berlin. Er wolle zudem "den Prozess der deutschen Einigung weiter vorantreiben". Erst kürzlich hatte Diepgen sich dafür ausgesprochen, dass der Bund originäre Aufgaben in der Hauptstadt übernimmt und finanziert. Er stelle sich einen Status Berlins "zwischen Washington DC und Bundesland vor".

Bei der Bundestagswahl 1998 hatte die CDU in Berlin 23,7 Prozent der Stimmen und damit sieben Mandate erhalten. Bei der Abgeordnetenhaus-Wahl am 21. Oktober 2001 war sie mit 23,8 Prozent in ihre schwerste Wahlniederlage seit 1950 gestürzt. Zum Vergleich: Die SPD erhielt bei der letzten Bundestagswahl in Berlin 37,8 Prozent und zehn Mandate, bei der Abgeordnetenhaus-Wahl 29,7 Prozent. Diesmal will die CDU der SPD den ersten Rang ablaufen.

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