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BERLINER Chronik SERIE: 9. August 1961 Jahre Mauerbau

Grenzgänger sollen fortan diverse Gebühren in Westgeld zahlen

Der Ost-Berliner Magistrat gibt Einzelheiten zu den „öffentlichen Gebühren“ bekannt, welche die in West-Berlin arbeitenden Grenzgänger ab 1. August neben Miete, Strom, Wasser und Gas in Westgeld zahlen müssen. Es sind die Gebühren für Müllabfuhr und Straßenreinigung, Telefon, Rundfunk und Fernsehen sowie alle „sonstigen" Gebühren, ferner die Kfz- und Hundesteuer.

Die Beträge sind in West-Mark bei der Bank oder Post einzuzahlen. Die Registrierpflicht für Grenzgänger wird auf Personen vom 14. Lebensjahr an ausgedehnt, die in West-Berlin zur Schule gehen oder studieren.

Im Ost-Fernsehen wird am Abend erstmals die Möglichkeit angedeutet, die Wege nach West-Berlin „administrativ" zu verlegen. Ein Pfarrer bedauert, dass es „noch so viele Türen nach draußen“ gibt. Es sei „nötig, die vielen offenen Türen endlich zuzumachen“. Am Vortag haben Vopos an der Kontrollstelle Schönefeld 116 DDR-Bürger an der Weiterreise nach Berlin gehindert. In der Ost-Presse ist über Kontrollen an der Stadtgrenze nie etwas zu lesen.

Das Bezirksgericht Potsdam verurteilt einen West-Berliner wegen „Abwerbung“ zu vier Jahren Gefängnis. Der mitangeklagte Ost-Berliner, den er „zur Wirtschaftsspionage und illegalen Einfuhr von Zahlungsmitteln missbraucht“ habe, erhält vier Jahre und drei Monate Gefängnis. Nach West-Informationen wurde der West-Berliner vor dem Haus der Ost-Berliner Handelsgesellschaft Deutscher Innen- und Außenhandel (DIA) festgenommen, zu der er Kontakte hatte. Die Ost-Presse berichtet, er habe als Vertreter einer westdeutschen Firma während der Leipziger Messe „mehrfach führende Wirtschaftsfunktionäre zu Gelagen“ eingeladen. Neun von ihnen hätten die DDR verlassen.

Nach einer Übersicht des Informationsbüros West haben Ost-Gerichte seit Ende Juli 26 DDR-Bürger und zwei Bundesbürger wegen „Abwerbung“ und „organisierter Kopfjägerei“ verurteilt. Die Freiheitsstrafen würden sich auf insgesamt 30 Jahre Gefängnis und 69 Jahre Zuchthaus belaufen. Brigitte Grunert

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