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Prachtvoll. Ab 1929 galt Karstadt am Hermannplatz als modernstes Warenhaus Europas. Der im Krieg zerstörte Altbau maß mit Türmen und Lichtmasten 71 Meter.

© picture alliance / akg-images

Berliner Einzelhandel: Investoren freuen sich über Gentrifizierung am Hermannplatz

Wieder einmal hat der Eigentümer des großen Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz gewechselt, jetzt ist eine niederländische Fondsgesellschaft an der Reihe. Sie freut sich über die Gentrifizierung im Kreuzköllner Kiez, die steigende Umsätze erwarten lasse. Und nun soll vielleicht auch noch Primark kommen.

Das Gebäude von Karstadt am Hermannplatz an der Grenze von Kreuzberg zu Neukölln gehört jetzt Niederländern – und falls Branchengerüchte stimmen, wollen sie in Teilen des traditionsreichen Warenhauses die irische Billigmodekette Primark als großen neuen Umsatzbringer ansiedeln. Diese ist weltweit noch immer auf Expansionskurs.

Ein Publikumsmagnet ist bereits die erste Berliner Primark-Filiale, die im Sommer 2012 auf 5000 Quadratmeter Fläche im „Schloss-Straßen-Center“ am Walther-Schreiber-Platz in Steglitz gezogen war. Das zuvor schlecht frequentierte Einkaufszentrum zieht junge Leute aus ganz Berlin an. Geplant ist auch eine Filiale am Alexanderplatz in den ehemaligen Saturn-Räumen am Fuße des Park-Inn-Hotels.

Als vor einer Woche die Niederlassung in Düsseldorf eröffnet hatte, warteten dort 1000 Menschen vor der Tür. Aber es gab auch Proteste gegen die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Bangladesch, wo hunderte Menschen beim Einsturz der Fabrik eines Zulieferers gestorben waren.

Karstadt ist nicht mehr Eigentümer

Karstadt hat sich vor Jahren von seinen Immobilien getrennt und ist dort nur noch Mieter. Nun hat der Eigentümer am Hermannplatz erneut gewechselt: Das „Highstreet“-Konsortium verkaufte an einen Fonds der Immobilienfirma Meyer Bergman, die von Niederländern in London geführt wird. Ihr gehören jetzt auch das Parkhaus mit 680 Plätzen und ein Gebäudeteil mit Büros und Wohnungen.

Meyer Bergman lobt den „pulsierenden“ Ort mit besten Verkehrsverbindungen. Man profitiere von einer „Welle der Gentrifizierung“ in Kreuzberg und Neukölln und den Plänen für den Flughafen Tempelhof. Beides könne den Umsatz am Standort steigern.

Den Kaufpreis nennt die Firma nicht. Auch zu den „Marktspekulationen“ um Primark sagte ein Sprecher nichts. Karstadt teilte nur mit, man habe einen „langjährigen Mietvertrag“.

Dass Primark mit einziehe, ist aus verschiedenen Quellen zu hören. „Das Gerücht hält sich hartnäckig“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Er hält es für glaubwürdig, dass die Kette mehr als zwei Standorte in Berlin plane. Da sie aber große Flächen brauche, kann er sich eine Koexistenz mit Karstadt „schwer vorstellen“. Im Übrigen laufe das Warenhaus „nicht schlecht“.

Warenhausexperte Christoph Meyer von der Berliner CM Best Retail Properties GmbH hält das Haus „groß genug für zwei“. Die Untervermietung von Flächen nach dem „Shop-in-Shop-Konzept“ liege im Trend, so auch im KaDeWe mit seinem „Luxusboulevard“ der Markenanbieter. Deren Mieten seien sogar höher als am Kurfürstendamm oder in der Friedrichstraße.

Um zu überleben, müssten Warenhäuser „kleine Shoppingcenter werden“, sagt Meyer. Er sieht in Primark auch keine Bedrohung: „Es ist ein Magnet, der umliegenden Händlern nutzt.“

Das einst modernste Warenhaus Europas

1929 eröffnete das Haus am Hermannplatz als erstes von Karstadt in Berlin. Die Mitbewerber Wertheim und Tietz hatten schon rund drei Jahrzehnte früher große Einkaufspaläste in der Stadt angesiedelt. Aber zur Entstehungszeit galt Karstadt als das modernste Warenhaus Europas.

Inklusive der zwei 24-Meter-Türme, auf denen 15 Meter hohe Lichtsäulen standen, maß das 32 Meter hohe Gebäude mit neun Etagen 72 Meter. Der Entwurf des Stahlbetonbaus mit Muschelkalkfassade stammte vom Karstadt-Hausarchitekten Philipp Schaefer. Es gab bis zu 3000 Mitarbeiter und einen beliebten Dachgarten mit 500 Sitzplätzen, auf dem nachmittags Musikkappellen spielten. Außergewöhnlich war auch der unterirdische U-Bahn-Zugang.

Den Kunden standen je 24 Rolltreppen und Fahrstühle zur Verfügung. Hinzu kamen 13 Speise- und acht Lastenaufzüge, von denen einer Lastwagen in die Lebensmittelabteilung in der fünften Etage bringen konnte.

Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört. Die Waffen-SS hatte es Ende April 1945 gesprengt oder in Brand gesetzt, um zu verhindern, dass es der Roten Armee in die Hände fällt. Dabei ging es wohl vor allem um die gelagerten Lebensmittel.

Der Neubau wurde in der Nachkriegszeit mehrmals erweitert, zuletzt im Jahr 2000. Nur die alte Größe erreicht er nicht mehr. Die Nutzfläche beträgt rund 30 000 Quadratmeter – früher waren es mal 70 000.

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