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Werbearbeit leisten: Claudia Liebers ist auf Unterschriften-Jagd zum Volksbegehrens "Neue Energie für Berlin" auf dem Alexanderplatz in Berlin.

© Ralf Hirschberger/dpa

Berliner Energietisch: Volksentscheid elektrisiert die Koalition

SPD und CDU reagieren auf die Initiative für einen landeseigenen Strombetrieb mit eigenem Gegenentwurf. Der soll nun im Hauruckverfahren durchs Parlament gehen - und das ist nicht das einzige Problem des Energietischs.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

SPD und CDU wollen sich beim Volksentscheid für ein kommunales Stadtwerk nicht kampflos ergeben. Am 3. November soll nicht nur über den Vorschlag des „Berliner Energietischs“ abgestimmt werden, sondern auch über einen Gesetzentwurf der Koalition. Deren Ziel: Die Gründung eines öffentlichen Unternehmens, das ausschließlich erneuerbare Energien produziert und in Berlin vertreibt. Die gesamte landeseigene Stromerzeugung soll im neuen Stadtwerk gebündelt werden, das verpflichtet wird, „einen angemessenen Gewinn zu erzielen“.

Für eine Übergangszeit darf Strom von anderen Anbietern zugekauft werden. Geschäftsführung und interne Aufsichtsgremien des Stadtwerks sollen vom Abgeordnetenhaus und Landesrechnungshof kontrolliert werden. Bisher ist vorgesehen, den neuen Energiedienstleister unter dem Dach der Berliner Stadtreinigung (BSR) zu installieren. Auf diesen Kompromiss konnten sich Christ- und Sozialdemokraten einigen. Mehr ist nicht drin.

Chancenlos ist die einstimmig beschlossene Forderung des SPD-Landesvorstands, sich dem Gesetzentwurf des Energietischs komplett anzuschließen – und so den Volksentscheid zu vermeiden. Das macht die Union, so hört man, auf keinen Fall mit. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) machte kürzlich im Tagesspiegel deutlich, dass sie von einem Stadtwerk und staatlich geführten Stromnetz nichts hält. Ihre Parteifreunde widersprachen ausdrücklich nicht.

Trotzdem ist SPD-Fraktionschef Saleh bereit, dem Parteiauftrag nachzukommen. Anfang August soll es Koalitionsgespräche geben, unter Federführung der Fraktionschefs Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU). Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel werden mit am Tisch sitzen. Der dann besiegelte Koalitionskompromiss soll in der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses nach der Sommerpause, am 29. August, beschlossen werden. Dafür müssen die Landeshaushaltsordnung und das Betriebegesetz geändert werden. Im Hauruck-Verfahren, denn es ist der letzte Termin für einen Gegenentwurf des Parlaments, den das Berliner Abstimmungsgesetz zulässt.

Die Organisatoren des Volksentscheids wollen deutlich mehr als SPD und CDU. Zum Beispiel sollen direkt gewählte Bürger das Stadtwerk mitkontrollieren. Außerdem soll der Betrieb verpflichtet werden, sozial schwachen Berlinern den Strom verbilligt zur Verfügung zu stellen. „Für Verbindlichkeiten haftet das Land Berlin als Gewährträger unbeschränkt.“ Bei der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren stieß der Energietisch mit seinen Vorschlägen auf große Resonanz. Auch koalitionsintern wird eingeräumt, dass die Kampagne gute Chancen hat, bei der Volksabstimmung am 3. November die notwendigen Mehrheiten zu erreichen. Die Hälfte der wahlberechtigten Bürger muss mitmachen, und die Mehrheit der Wähler muss mit Ja stimmen. Dann wäre der Gesetzentwurf des Energietischs angenommen.

Die Organisatoren des Volksentscheids dürfen sich trotzdem nicht zu früh freuen. Selbst wenn die Abstimmung zu ihren Gunsten ausgehen sollte, müssen sie mit einer Überprüfung des Gesetzes für ein Stadtwerk und ein kommunales Stromnetz durch das Landesverfassungsgericht rechnen. Denn es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Forderungen des Energietischs verfassungswidrig sind. Erstens wegen fehlender Parlamentskontrolle bei gleichzeitig voller Haftung für das Stadtwerk durch den Landeshaushalt. Zweitens wegen des Verbots, Abgeordnete in den Verwaltungsrat des neuen Unternehmens zu wählen.

In den Regierungsfraktionen SPD und CDU wird darüber schon diskutiert. Dem Senat war die mögliche Rechtswidrigkeit des Gesetzentwurfs allerdings nicht aufgefallen. In einer amtlichen Stellungnahme hatte die rot-schwarze Landesregierung vor einem Jahr das Volksbegehren für rechtmäßig erklärt. „Der Gesetzentwurf widerspricht weder dem Grundgesetz noch der Verfassung von Berlin“, steht im Senatsbeschluss.

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