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Rainer Maria Woelki ist zum Kardinal ernannt worden.

© Reuters

Berliner Erzbischof: Papst Benedikt ernennt Woelki zum Kardinal

Wenn der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki spricht, sind die Säle voll, denn ihm trauen sie in Berlin einiges zu. Und nicht nur hier. Heute hat ihn Papst Benedikt zum Kardinal ernannt.

Drei Soutanen muss er mit nach Rom schleppen. „Das müssen Sie sich mal vorstellen – drei von diesen schweren Dingern“, klagte Rainer Maria Woelki vor einer guten Woche und zählte auf: Seine jetzige violette Bischofsrobe muss mit für den Freitag vor der Kardinalserhebung, dann die neue purpurrote Kardinalssoutane für die feierliche Messe am Sonnabend, in der Papst Benedikt XVI. ihn zum Kardinal erhebt. Dazu kommt noch die kardinalsgemäße Straßenkleidung, sozusagen das „kleine Rote“. Und dann erzählte Woelki in kleiner Gesprächsrunde, dass ihm etwas bang ist vor den vielen offiziellen Terminen, die ihn an diesem Wochenende in Rom erwarten. Hoffentlich bleibe Zeit, seinen Eltern und Geschwistern die Stadt zu zeigen.

Rainer Maria Woelki macht keinen Hehl daraus, dass es für ihn noch Schöneres im Leben gibt, als sich von Journalisten ausfragen zu lassen oder vor Publikum über sich selbst zu sprechen. Aber er weiß: So ist die Welt nun mal, sie hebt die einzelne Person in den Vordergrund und will Glamour und Schlagzeilen, auch von einem Geistlichen.

Seit seinem Amtsantritt als Berliner Erzbischof vergangenen Sommer saß er schon vor vielen Mikrofonen, er trat in der Talkshow „Tadeusz“ auf und traf sich mit Journalisten zum Hintergrundgespräch. Er antwortete geduldig auch denen, die ihm am Anfang so viel Misstrauen entgegengebracht haben. Die geschrieben haben, er sei ein Hardliner, unfähig, verbissen und verbohrt. Die prognostizierten, dass er wie sein Ziehvater, der Kölner Kardinal Joachim Meisner, ständig mit dem moralischen Zeigefinger fuchteln werde. Und dass er wie die Anhänger des „Opus Dei“, an deren Universität er studiert hat, immer ganz genau wissen werde, wo es langgeht.

Ein kleines Beispiel dafür, dass es sich dabei um grobe Fehleinschätzungen handeln könnte: Woelki ist bisher kein negatives Wort über die offen homosexuelle Lebensweise des Katholiken und Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) über die Lippen gekommen. Das wäre mit Meisner in Berlin wohl anders gelaufen. Woelki wirbt für seine Überzeugungen. Aber wenn jemand sagt, nein danke, ich mache es anders, respektiert er das. „Man muss die Menschen nehmen, wie sie sind“, sagt Woelki. „Man muss sie lieben, wie sie sind“.

Pomp und Gloria sind ihm fremd. Seine Kardinalssoutane hat er nicht beim Kurienschneider in Rom nähen lassen, sondern in Köln, wo es billiger ist. Er wohnt mittendrin im Kiez, in einer Dachgeschosswohnung in der Osloer Straße in Wedding. Im Sommer sah man Woelki Amtsgeschäfte mit dem Fahrrad erledigen, er fährt gerne mit U- und S-Bahn und für Fernreisen lieber mit dem Zug als mit Chauffeur und Dienstwagen. Seine Bescheidenheit und Offenheit hat sich bis nach Polen herumgesprochen, wo ihn Zeitungen dafür loben, dass er die Brötchen beim türkischen Bäcker kauft.

Die Neugier auf den neuen Erzbischof ist groß. Am Mittwoch vor einer Woche kamen über 200 Menschen ins „Kathedralforum“ bei St. Hedwig, um zu hören, wie er die vergangenen Monate erlebt hat und was er für die Zukunft plant. Mit so viel Andrang hatte keiner gerechnet, zusätzliche Stühle wurden beigebracht. Wann hat eine Veranstaltung im „Kathedralforum“ zuletzt so viele Menschen angezogen? Keiner konnte sich erinnern. In den vergangenen Jahren ging es im Erzbistum vor allem ums Sparen, die Stimmung war schlecht.

Er will Botschaften transportieren, nicht nur mit schönen Reden, sondern mit Taten

Papst Benedikt XVI. und Rainer Maria Woelki (re.).
Papst Benedikt XVI. und Rainer Maria Woelki (re.).

© dpa

Woelki kommt nicht mit gravitätischen Schritten in den Saal, sondern auf leisen Gummisohlen, ein kurzes Hallo und ein Nicken, da ist er. Er verfällt auch nicht in Posen, wie sie Manager parat haben, um Unsicherheit zu verbergen, die zum Beispiel gerne eine Hand in die Hosentasche stecken, während sie mit der anderen gestikulieren. Auch Rainer Maria Woelki weiß manchmal nicht, wohin mit den langen Armen und Beinen.

Das heißt aber nicht, dass Woelki kein Macher wäre. Zwei Wochen bevor er nach Rom gefahren ist, hat er die Führungsriege seines Vorgängers entmachtet und durch jüngere Mitarbeiter ersetzt. Er hat lähmende Strukturen an der Bistumsspitze beseitigt und gezeigt, dass er wenig Verständnis hat für Gruppen, die aus der kirchlichen Ordnung ausscheren, egal, wie fromm sie sind. Woelki tut das nicht, weil er beweisen will, dass er auch autoritär sein kann oder um der persönlichen Macht willen. Sondern weil er das Erzbistum voranbringen möchte. Dazu braucht es klare Verhältnisse.

Voller Tatendrang schwärmte er im „Kathedralforum“ von „Leuchttürmen“, die das Erzbistum brauche. So sprach vor ein paar Jahren auch der evangelische Bischof Wolfgang Huber über die zukünftige Gestalt der Kirche. Woelki will angesichts klammer Kassen die Kräfte bündeln und lieber auf die eine oder andere Kirche verzichten, in der sonntags nur noch 20 Katholiken beten, und dafür „Zentren“ mit Strahlkraft errichten. Er träumt von einer katholischen Fakultät in Berlin – auch wenn er weiß, wie unrealistisch das momentan ist. „Da traut sich einer zu träumen. So viel frischen Wind gab es im Berliner Erzbistum schon lange nicht mehr“, sagt eine Besucherin nach der Veranstaltung.

Ihn lässt aber auch die andere Seite nicht kalt. Es macht ihn wütend, wenn Menschen nicht wissen, wie sie ihre Familie ernähren sollen und keinen interessiert es, er versteht nicht, wie Roma-Kinder in Neukölln inmitten von Ratten spielen und keiner tut was. Woelki hat auch als erster Prominenter öffentlich gegen den geplanten Abschiebeknast im Flughafen Schönefeld protestiert.

Viel wurde in den vergangenen Monaten darüber gestritten, ob Woelki theologisch konservativ ist oder liberal. Er könne mit solchen Polarisierungen nichts anfangen, sagt er. Solche Debatten könne sich die katholische Kirche auch gar nicht mehr leisten. Es geht ihm ums Grundsätzliche, ums Evangelium, um Jesus Christus. „Jeder Mensch sehnt sich nach Glück und nach Liebe“, sagt er. „Freundschaften und Beziehungen werden oft brüchig. Gott nimmt uns alle bedingungslos an.“ Diese Botschaft will er transportieren, in einer zeitgemäßen Form und so, dass sie gehört wird, jedenfalls nicht nur mit schönen Reden, sondern auch durch Taten. Nicht mehr, nicht weniger.

Woelki ist 55 Jahre alt und der jüngste Kardinal der katholischen Kirche. Er wird nicht nur den nächsten Papst mitwählen, er wird auch die katholische Kirche in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten prägen. Es ist wohl nicht zu erwarten, dass er die katholische Theologie reformieren wird - als Reformer macht man heute auch keine Karriere in der Kirche. Er wird auch nicht an Dogmen rütteln, von daher ist er ein Konservativer. Aber er kennt die Lebenswirklichkeit.

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