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Berliner Ethikunterricht: Kein Schüler darf sich befreien lassen

Die Einführung des Pflichtschulfachs Ethik in Berlin ist mit dem Grundgesetz vereinbar, entschied das Bundesverfassungsgericht. Berliner Schüler müssen daher den Ethikunterricht besuchen.

Karlsruhe - Die Bundesverfassungsrichter billigten dem Land Berlin zu, mit dem verpflichtenden Ethikunterricht der Entstehung so genannter "Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken und sich um die Integration von Minderheiten zu bemühen. Berlin dürfe so vorgehen, um die legitimen Ziele gesellschaftlicher Integration und Toleranz zu erreichen und den Schülern eine gemeinsame Wertebasis zu vermitteln. Bei einer "Separierung der Schüler nach der jeweiligen Glaubensrichtung" und einem getrennt erteilten Religionsunterricht könne diesem Anliegen möglicherweise nicht in gleicher Weise Rechnung getragen werden.

Der umstrittene Ethikunterricht war zum Schuljahr 2006/2007 in allen siebten Klassen des Landes Berlin eingeführt worden und soll bis 2010 bis zur zehnten Klasse ausgedehnt werden. Mit ihm geht Berlin bundesweit einen Sonderweg. Die Teilnahme am Religionsunterricht ist freiwillig.

Die Karlsruher Richter wiesen die Verfassungsbeschwerde einer 13-jährigen Schülerin und ihrer Eltern zurück. Zuvor hatte schon das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Anspruch der Schülerin auf Befreiung vom Fach Ethik verneint. Die Kläger, die der evangelischen Kirche angehören, hatten Gewissensbedenken geltend gemacht. Die Ausgestaltung des Fachs beruhe auf einem atheistischen Weltbild, das dem christlichen Glauben widerspreche, argumentierten die Eltern. Zudem erschwere die Pflicht zur Teilnahme am Ethikunterricht den Zugang zum Religionsunterricht und verdränge diesen damit, heißt es in der Verfassungsbeschwerde.

Teilnahme am Religionsunterricht gesunken

Ähnlich hatte sich auch der Berliner Landesbischof Wolfgang Huber im November 2006 geäußert. Nach seinen Angaben sank durch die Einführung des Pflichtfachs Ethik an den Berliner Schulen die Zahl der Teilnehmer am Religionsunterricht um fast ein Drittel. In den siebten Klassen sei sie im Vergleich zum vergangenen Schuljahr um fast 2000 auf rund 5200 zurückgegangen.

Nach Auffassung der Richter verletzt der Ethikunterricht ohne Abmeldemöglichkeit weder die Religionsfreiheit der Schüler noch das Erziehungsrecht der Eltern. Das Verfassungsgericht verwies darauf, dass "die Offenheit für eine Vielfalt von Meinungen und Auffassungen" konstitutive Voraussetzung einer öffentlichen Schule sei. Schülern werde die Teilnahme am Religionsunterricht auch nicht in unzulässiger Weise erschwert. Der freiwillige Besuch des Zusatzfachs Religion führe nur zu einer geringen zeitlichen Mehrbelastung.

Kirche lässt Klage fallen

Die evangelische Landeskirche Berlin erwägt nun nicht mehr, gegen die Einführung des Pflichtschulfachs Ethik zu klagen. Die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer 13-jährigen Schülerin abgewiesen hat, zeige, dass die Einführung des Faches Ethik zulässig war. "Wir sehen deshalb von einer Klage ab", sagte Markus Bräuer, Sprecher der evangelischen Landeskirche. "Nach wie vor sind wir aber der Meinung, dass ein Wahlpflichtfach, bei dem die Schüler zwischen Ethik und Religion wählen können, die sachlich bessere Lösung wäre." (tso/ddp/Tsp)

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