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Berlin: Berliner Finanzsenator: Richtung Macht und dann immer geradeaus

"Ich bin Langstreckenläufer", sagt Peter Kurth. Richtig.

"Ich bin Langstreckenläufer", sagt Peter Kurth. Richtig. Schritt für Schritt gewinnt er Einfluss in der CDU und im Senat. Aber auf diese Deutung seiner Worte muss man schon selber kommen. Er gibt nur unauffällig den Hinweis, dass er 1998 erstmals am Berlin-Marathon teilgenommen hat. Wer mit Peter Kurth redet, muss feine Ohren haben. Sonst überhört man den gelegentlich unerbittlichen Ton in seiner Samtstimme. Und immer lächelt er so gewinnend sanft, dass man leicht den scharfen Biss übersieht.

Nein, der Finanzsenator macht sich nicht dicke. Und doch setzt er seine Duftnoten, der Jüngste im Senat. Das tut er auch in der CDU. Fraktionschef Klaus Landowsky redet von Nachwuchspflege, aber der Nachwuchs verselbständigt sich, und der 40-jährige Kurth verkörpert geradezu den Generationswechsel. Ganz atypisch für Politiker braucht er dazu kein Parlamentsmandat und keinen Sitz im Parteivorstand. Er ist nur ein kleiner CDU-Ortsverbandsvorsitzender in Wilmersdorf. Aber was für einer. Zusammen mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Monika Grütters hat er letztes Jahr den ganzen Kreisverband umgekrempelt: "Wir haben die Grabenkämpfe beendet und für uns entschieden." Daran erinnert er gern, um zu beweisen: "Wenn es ernst wird, scheue ich Auseinandersetzungen nicht."

Peter Kurth gehörte nach der Wahl 1999 auch nicht zu den Koalitionsunterhändlern. Den Finanzteil des Koalitionsvertrages haben andere ausgehandelt. Er war nur Diepgens unauffälliger Berater im Hintergrund, aber ein wichtiger, denn er war gut fünf Jahre Finanzstaatssekretär. Und weil er nie wie andere um ein Amt strampelt, galt seine Wahl zum Finanzsenator als Überraschung. Alles fragte sich, ob er zu weich, ob er überhaupt ein richtiger Politiker sei. Bloß, weil er sich "unabhängig" gibt und nicht den Selbstdarsteller spielt? Er hat sich schon öfter gesagt, dass man sich noch wundern soll.

Als Staatssekretär hat er seine Feuerproben bestanden. In seine Zuständigkeit fielen die Landesgrundstücke, und zwei "sehr unangenehme Unterschungsausschüsse" drehten sich um ungereimte Geschäfte. Er, der so viel Wert auf Korrektheit legt, sah sich mit "persönlichen Angriffen" konfrontiert. Deshalb knirschte es auch zeitweilig zwischen ihm und Senatorin Annette Fugmann-Heesing. Doch das Misstrauen ging vorüber. Und ihren Kurs hat er aus Überzeugung verteidigt, als die CDU noch bockte.

Den Haushaltsentwurf 2001 hat er soeben über die Bühne gebracht. "Das ist nun nicht mehr mein Haushalt, sondern der des Senats" - meint er. Ist dieser Sparetat auch ein tüchtiger Schritt zur Konsolidierung? Die noch gar nicht ausreichend kalkulierten Einnahmen aus Vermögensverkäufen von 5,6 Milliarden Mark werden ihren Zweck kaum erfüllen, die Schulden und Zinsen zu drücken. Kurth wehrt sich lächelnd. Erstens sind die Einnahmeausfälle von 1,2 Milliarden Mark durch die Steuerreform und der Defizitausgleich von 3,45 Milliarden Mark aus dem Vorjahr nicht von Pappe. Zweitens hat er sich an die Eckzahlen gehalten, die nicht er in den Koalitionsvertrag geschrieben hat: "Die trage ich wie ein Banner vor mir her." Gewiss hat er Lust, seine Macht zu nutzen, seine Handschrift zu zeigen - "aber doch nicht im ersten halben Amtsjahr."

So einer spurtet nicht los, um auf die Nase zu fallen. Seine Devise: "Man muss sich Verbündete suchen und den richtigen Zeitpunkt abpassen." Fürs erste wunderten sich alle, wie geräuschlos er den Etatentwurf hingekriegt hat. Das wäre bei seiner Vorgängerin unmöglich gewesen. Er geht eben geschickt mit den Kollegen um. Alle mussten bluten, alle bekamen ein Trostpflaster, "Spielgeld", wie gespöttelt wurde. Aber alle konnten ihr Gesicht wahren. Kurth hat es allerdings leichter als seine frühere Chefin. Mittlerweile haben alle den Sparkurs akzeptiert, die CDU hat die Finanzhoheit, also stützt sie Kurth nach dem Motto: Er ist einer von uns!

"Ich bin sehr loyal gegenüber Diepgen", sagt Kurth. Doch auf seine sanfte Art überrascht er knallhart mit einem gewagten Wort: "Man merkte bei den Etatberatungen, wie sich der Regierende Bürgermeister politisch weiter entwickelt hat." Will sagen, der Finanzsenator hat sich durchgesetzt: Der Weiterbau der U-Bahn-Linie 5 wird verschoben, die Eissporthalle abgerissen, betriebsbedingte Kündigungen sind zumindest beim Bühnenpersonal nicht ausgeschlossen. Wenn Diepgen das alles irgendwie zurechtrückt und glättet, kontert Kurth feinsinnig: "Nuancierungen beweisen den Reichtum der Sprache."

Peter Kurth war lange ein unbeachteter Aufsteiger. Der aus Siegburg gebürtige Rheinländer kam 1985 nach dem Jurastudium nach Berlin und stieß als Büroleiter von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) zur Politik. Doch gleich nahm er 1989 vor der rot-grünen Koalition Reißaus. Er ging zur Deutschen Bank, machte dort als Abteilungsleiter Karriere und sammelte Osterfahrung in Halle und Leipzig. 1994 aber sandte ihm "Ziehvater" Pieroth, inzwischen Finanzsentor, einen Lockruf. So wurde Kurth mit 34 Jahren Staatssekretär.

Korrekt wirkt er vom Scheitel bis zur Sohle, der Junggeselle in seinem dunkelgrauen Arbeitsanzug. Nur die grünkarierte Krawatte sieht beinahe keck aus. Wer weiß, vielleicht ist das auch eines seiner Signale. Mit dem Grünen-Abgeordneten Burkhard Müller-Schönau geht er gern ins Fitness-Studio. Nein, nein, da reden sie gar nicht über Politik. Kurzum, Kurth denkt strategisch über seinen Job hinaus und über manchen CDU-Betonkopf hinweg. Er ist ein Schwarz-Grüner. Also hat er nicht nur junge Verbündete: "Auch bei mir wimmelt es von Widersachern in der CDU. Viele halten mich für einen Linksliberalen." Da lächelt er. Er sieht eben am Horizont die Möglichkeit eines schwarz-grünen Senats. Wenn die schwarz-grüne Zusammenarbeit in Mitte klappt, "sind jedenfalls manche Widerstände und Probleme kleiner."

Mit der Frage, ob Diepgen und Landowsky 2004, wenn sie beide 62 sind, noch Lust zum Partnertausch haben, jongliert Kurth geschickt: "Die CDU wäre doof, zehn Monate nach einem überzeugenden Wahlsieg eine Personaldebatte zu führen." Und: "Wenn Diepgen zu der Überzeugung kommt, dass für Berlin ein anderes Bündnis besser ist als die Große Koalition, macht er das." So viel zum Machtinstinkt. Den hat auch Kurth: "Eine bürgerliche Partei hat in der Opposition nichts verloren. Unfug, dass sie sich dort regeneriert." Mal sehen, wie weit so ein Langstreckenläufer kommt bis 2004.

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