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Berlin: Berliner Gefangene klagen gegen Haftbedingungen

166 Häftlinge sitzen in Zweierzellen, in denen es keine abgetrennte Toilette gibt

Dem Land Berlin stehen Klagen von Gefangenen auf Schmerzensgeld ins Haus. Wie ein Vertreter der Häftlingshilfsorganisation Humanitas sagte, werde man noch im Januar über das Europäische Parlament wegen der menschenrechtswidrigen Unterbringung ein Verfahren anstrengen. Auf Anfrage sagte eine Justizsprecherin, dass dies noch nicht bekannt sei. Wie berichtet, sind in Berlin 166 Gefangene verfassungswidrig untergebracht, weil in Zweierzellen keine räumlich abgetrennte Toilette vorhanden ist. Dies hatte das Berliner Kammergericht bereits 2004 als Verstoß gegen die Menschenwürde bezeichnet – die Zahl der Betroffenen hat sich seitdem nicht geändert. Unklar ist, wie groß das Kostenrisiko für Berlin ist. So hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe einem Gefangenen Schmerzensgeld zugesprochen. Dennoch teilte eine Berliner Justizsprecherin mit, dass ein „hohes Kostenrisiko“ nicht existiere. Es habe bislang kein Berliner Gericht einem Gefangenen Schadenersatz zugesprochen.

Die frühere Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) hatte dagegen 2005 mitgeteilt, dass sehr wohl „die Frage der Zuerkennung von Schmerzensgeld virulent bleibt“. Schon damals war nach Angaben Schuberts eine Klage in Berlin anhängig. Wie die Sprecherin des Landgerichts sagte, habe der Gefangene die Klage nicht mehr weiter betrieben, er sei aus der Haft entlassen worden und hatte das Interesse verloren. Nach Angaben von Rechtsanwälten gewähren Berliner Gerichte für rechtswidrige Inhaftierung etwa 20 Euro am Tag, andere Bundesländer seien mit 50 bis 75 Euro pro Tag großzügiger. Demnach bestehe durchaus ein finanzielles Risiko, wenn seit Jahren über 100 Gefangene verfassungswidrig untergebracht seien. Vor allem der Männervollzug in der JVA Tegel und die Untersuchungshaftanstalt Moabit sind chronisch überbelegt. Entspannung ist frühestens 2012 in Sicht, wenn im brandenburgischen Großbeeren die neue Berliner JVA mit 648 Haftplätzen fertig wird.

Nach Jahren des Abwartens wollen Gefangene jetzt stärker gegen die Überbelegung vorgehen. Ein Gefangener sagte dem Tagesspiegel, dass er am 29. Dezember über seinen Anwalt Klage angestrengt habe. Zudem bereiten in der JVA Tegel derzeit Gefangene eine Sammelklage vor. Ihr Hauptvorwurf ist, dass sich die Justizverwaltung Klagen vom Leib hält, indem sie keine Prozesskostenhilfe gewährt. Da Häftlinge in aller Regel kein Geld haben, sind sie auf diese Hilfe angewiesen. Ex-Senatorin Schubert hatte in der Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema „Kostenrisiko JVA-Überbelegung“ dem Parlament im Jahr 2005 mitgeteilt, dass man innerhalb von zwei Jahren sieben Gefangenen die Prozesskostenhilfe verweigert habe.

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