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Berlin: Berliner Gesichter

Ausstellung porträtiert jüdische Zuwanderer, die aus der früheren Sowjetunion stammen.

Die allermeisten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Berlin sind in den vergangenen 20 Jahren zugewandert oder sie sind Söhne, Töchter und Enkel der Zugewanderten. Die meisten Familien sind aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gekommen. Doch so viel über die Jüdische Gemeinde geschrieben wird, so wenig bekannt sind die Schicksale dieser Menschen, ihre Motive, hierherzukommen, und ihre Versuche, hier Fuß zu fassen. Eine kleine Ausstellung im Gemeindezentrum in der Fasanenstraße bringt nun ein bisschen Licht in die Unwissenheit – aber nur noch bis bis 4. Januar ist Gelegenheit zum Besuch.

Eleonora Shakhnikova, die das Integrationsbüro der Gemeinde leitet, hat mit ihrem Team 42 Menschen im Alter von 17 bis 79 Jahren porträtiert – 42 „Gesichter erfolgreicher Integration“. Es sind Bildhauer, Schriftsteller und Musiker darunter, Ärzte und Juristen, Kosmetikerinnen und Verwaltungsangestellte. Da ist Marina Birow, geboren in Moskau, Rechtswissenschaftlerin und selbstständige Unternehmerin, die beruflich und privat zwischen der russischen und der deutschen Kultur vermittelt. „Integration ist ein langer Prozess“, sagt sie. „Auch wenn die Person an sich schon integriert ist, dauert es noch lange, bis die nachfolgende Generation sich hier zu Hause fühlt.“ Oder die junge Alina Rymalova, ebenfalls in Moskau geboren, die gerade ihr Jurastudium mit Schwerpunkt europäisches und internationales Recht abschließt. Sie hat in Deutschland und Frankreich studiert und ist längst in der ganzen Welt zu Hause.

„Man soll das Neue akzeptieren, ohne das Alte zu vergessen“, sagt Sergey Rozov, der Betriebswirtschaft und Philologie studiert hat, Russisch, Deutsch, Englisch, Hebräisch, Chinesisch und Spanisch spricht und in einem Marktforschungsinstitut arbeitet. Aber auch diese Tatsache gehört zur Geschichte der jüdischen Einwanderer aus der Sowjetunion. Viele der Älteren fanden keine Arbeit, viele sind Akademiker, aber ihre Abschlüsse wurden nicht anerkannt. Die Ausstellung jedoch zeigt: Spätestens ihre Enkel haben hier beruflich Fuß gefasst. „Wenn heute in Deutschland das Thema Integration auf der Tagesordnung steht, denkt man kaum mehr an jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Denn sie sind in der Regel gut integriert“, hat Angela Merkel vor zwei Jahren bei einem Besuch im Gemeindezentrum in der Fasanenstraße gesagt.

Die Zuwanderung hält an. Jede Woche bekomme sie etwa 50 Anrufe aus Israel von Menschen, die gern nach Deutschland umsiedeln würden, sagt Eleonora Shakhnikova. Es sind vor allem junge Leute, die viel darüber gehört haben, wie gut es sich in Berlin leben lässt, wie dynamisch die deutsche Hauptstadt ist. Nur ob sich hier auch die jüdische Religion leben lässt, da sind sie sich nicht so sicher. „Ich rede ihnen zu“, sagt Shakhnikova – trotz Beschneidungsdebatte, trotz der Attacken auf Rabbiner in den vergangenen Monaten. Noch nie seien die Chancen so gut gewesen wie heute, als Jude frei und selbstbestimmt in Berlin leben zu können. Claudia Keller

Bis 4. Januar, Jüdische Gemeinde Berlin, Gemeindezentrum, Fasanenstraße 79

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