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Berlin: Berliner Grüne: Der richtige Weg zur falschen Zeit

Die Berliner Grünen fordern einen politischen Neuanfang. Auf der Landesdelegiertenkonferenz am Sonnabend verabschiedeten über 100 Delegierte bei fünf Gegenstimmen eine entsprechende Resolution.

Von Sabine Beikler

Die Berliner Grünen fordern einen politischen Neuanfang. Auf der Landesdelegiertenkonferenz am Sonnabend verabschiedeten über 100 Delegierte bei fünf Gegenstimmen eine entsprechende Resolution. Um einen Neuanfang in Berlin zu ermöglichen, bietet die Partei SPD und PDS Gespräche über eine mögllche Regierungsbildung an.

Damit verabschieden sich die Grünen mehrheitlich von einer Erklärung aus dem Wahlkampfprogramm 1999, die eine Koalition mit der PDS kategorisch ausschließt. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland sagte, dass die Zweifel an der Regierungsfähigkeit der PDS noch nicht völlig aus dem Weg geräumt seien. "Wir bieten aber nun der PDS an, sich in politisches Handeln einzubringen."

Die Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz ergänzte, die PDS müsse sich nun aus der "bequemen Deckung herausbegeben". Die Situation käme zwar zum falschen Zeitpunkt, sagte Verkehrsexperte Michael Cramer, aber nun sei die Opposition gefordert, "der Korruption Einhalt zu gebieten". "Wir müssen die Alternative wahrnehmen - auch wenn viele unter uns auch erklärte Gegner einer Zusammenarbeit mit der PDS waren." Auch die SPD habe Seilschaften, die sie jahrelang aufgebaut hatten, sagte die baupolitische Sprecherin Barbara Oesterheld. "Jetzt muss die SPD Farbe bekennen, ob sie diese Leute über die Klinge springen lässt." Auch Oesterheld, die zum linken Flügel der Grünen zählt, sprach sich letztlich für eine Zusammenarbeit mit SPD und PDS aus. Die SPD müsse sich jetzt bewegen, so Landesvorstandssprecherin Regina Michalik. "Wir müssen jetzt die Machtfrage stellen."

In der Resolution stellen die Grünen fest, dass das "Westberliner Klientelsystem" rund um den CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky und den CDU-Landeschef Eberhard Diepgen durch die Berliner CDU-Wahlerfolge fortgeführt wurde. Auch nach dem Antes-Skandal Mitte der achtziger Jahre habe sich nichts daran geändert, dass Berlin nach dem Prinzip "Eine Hand wäscht die andere" regiert wird. Diese Strukturen zeigten jetzt auch die "politischen Zwillinge" Diepgen und Landowsky: Diepgen gibt Ehrenerklärungen für den Fraktionschef ab, der wiederum erklärt, welches seiner Ämter er niederlegen will.

Die Grünen kritisieren in ihrer Resolution die Haltung der SPD. Die Sozialdemokraten seien auf dem Holzweg, wenn sie die Spendenaffäre "zur Privatsache der CDU" herunterspielten, ob Landowsky Fraktionsvorsitzender bliebe oder nicht. Im Wortlaut: "Es geht darum, Schaden von der Demokratie abzuwenden und die politische Kultur in der Stadt nachhaltig zu verändern."

Die Partei forderte erneut eindeutige Regelungen zur Vereinbarkeit von Ämtern und Mandat, die Zusammensetzung des SFB-Rundfunkrates ohne politische Mandatsträger sowie ein Grundmandat für die Opposition bei der Besetzung des Lotto-Stiftungsrates.

Auftritt einer Neuen

Claudia Roth stellte sich der Landesdelegiertenkonferenz als künftige Bundesvorsitzende und damit als Nachfolgerin von Renate Künast vor. Die 45-jährige Augsburgerin betonte, dass sie auf dem Bundesparteitag der Grünen nicht "als Vertreterin eines Flügels" kandidieren werde. Sie stehe für eine "integrative Arbeit" und betonte die Notwendigkeit einer "konstruktiven Doppelspitze". Jüngste Angriffe gegen Außenminister Fischer, Bundesumweltminister Jürgen Trittin und den Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele hätten die Partei enger zusammenrücken lassen, sagte Roth. Die Grünen stünden für eine "radikaldemokratische" Politik. Scharfe kritisierte sie den Umgang mit der von dem Unions-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz angeregten Diskussion über die "deutsche Leitkultur". Die Auseinandersetzung über die Inhalte dieses Slogans sei sehr schnell untergegangen. Claudia Roth erteilte dem Populismus von einigen Politikern eine klare Absage: "Ich werde weder Bungee springen, noch den Big Brother Container besuchen." Da würde sie sich eher noch die Lebensumstände von Asylbewerbern in Containerbauten anschauen, sagte sie als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages.

Auftritt einer Alten

Die unter dem Eindruck der BSE-Krise zurückgetretene Gesundheitsministerin Andrea Fischer meldete sich mit einer Rede im Berliner Landesverband der Grünen zurück. "Ich bin noch dabei, zu üben. Dies ist mein erster Rücktritt", sagte Fischer unter dem Beifall der Parteifreunde. Der neuen Verbraucherschutzministerin Renate Künast wünschte Fischer, diese möge mit größerem Erfolg den Weg für eine verbraucherfreundliche und ökologische Landwirtschaft bereiten.

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