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Tausche Bär gegen Buch. Witali Klitschko bekam das vielleicht unvermeidliche Berlin-Souvenir – und Henkel und Kandt dafür Lesestoff für die Heimreise.

© Boris Korpusenko

Berliner Innensenator in Kiew: Henkel erklärt Klitschko das "Erfolgsrezept Berlin"

Von Berlin lernen: Frank Henkel und Polizeipräsident Klaus Kandt sind gerade zu Gast in der umkämpften Ukraine – und können sich da mal so richtig loben lassen.

Aus Berliner Perspektive ist bei der Inneren Sicherheit in der Stadt noch so einiges zu tun. Anderswo in der Welt aber geht die deutsche Hauptstadt sogar als Vorbild durch – zum Beispiel beim einstigen Profiboxer und jetzigen Politiker Witali Klitschko. Der ist seit Mai Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew und hat sich nun von Innensenator Frank Henkel das „Erfolgskonzept Berlin“ erklären lassen. Eine Delegation von Sicherheitspolitikern und Verwaltungsexperten hält sich drei Tage lang in der ukrainischen Hauptstadt auf. Am Freitag folgt dann der Gegenbesuch: Klitschko wird vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Roten Rathaus empfangen.

Dem Kiewer Rathaus ist nicht mehr anzusehen, dass bis Ende Mai Demonstranten den Amtssitz des Bürgermeisters monatelang besetzt hielten. An diesem Montagmorgen präsentiert sich die Millionenmetropole in der krisengeschüttelten Ukraine von der schönsten Seite: Das spätsommerliche Wetter ist mild und sonnig, vor dem Arbeitsplatz Witali Klitschkos wurden Pflastersteine erneuert, Blumenbeete bepflanzt, in dem stalinistischen Bau sind das Parkett und die Stuckdecken größtenteils wiederhergestellt.

Innensenator Henkel ist mit Sicherheits- und Verwaltungsfachleuten angereist. Unter anderem sollen Polizeipräsident Klaus Kandt sowie Referenten der Innenverwaltung und der Verwaltungshochschule Berlin ihren Kollegen in Kiew darlegen, wie eine moderne Großstadt „sicher, lebenswert und hochattraktiv für Touristen und Investoren ist“, sagt Henkel. „Wir wollen unsere Erfahrungen aus 25 Jahren erfolgreicher Arbeit mit allen teilen, die sich dafür interessieren. Bürgermeister Klitschko gehört dazu, er hat uns eingeladen.“

Reformen in Verwaltung, Bildung, Gesundheit und Energie

Der Gastgeber zeigte sich dankbar und betonte, die Hauptsache für das Gelingen von Reformen sei der Wille dazu. „Ich will eine Erfolgsgeschichte wie die in Berlin, und die Kiewer Bürger verlangen das“, sagt Klitschko. Vor allem gehe es um die Modernisierung der Kiewer Verwaltungsstrukturen. Ohne eine effiziente Verwaltung würden weder Investoren nach Kiew kommen noch neue Arbeitsplätze entstehen. Bereiche, die zu reformieren seien, gäbe es viele. Nicht nur die Sicherheitsorgane, auch die Bereiche Bildung, Gesundheit und Energie müssten erneuert werden, sollte die ukrainische Hauptstadt im internationalen Wettbewerb bestehen. Ohne die Unterstützung und Hilfe westlicher Partner werde so ein Vorhaben jedoch nicht gelingen, „das haben die vergangenen Jahre immer wieder gezeigt“, sagte Klitschko.

Der Zwei-Meter-Mann ist schon seit 2005 in der Stadtpolitik aktiv, damals wurde er zum ersten Mal als Abgeordneter in den Kiewer Stadtrat gewählt. Der Besuch der Berliner soll Auftakt eines Dialogs werden, der den Austausch von Ideen, Personal und Know-how zur Folge haben könnte. Bürgermeister Klitschko ist vor allem an den Erfahrungen der Berliner Polizei interessiert. Die ukrainische Hauptstadt habe seit längerem ein Sicherheitsproblem. Vor allem der hohe Grad an Korruption mache einen rechtsstaatlichen Alltag unmöglich. Es gäbe derzeit faktisch keine Polizeieinheit ohne Korruption. Dieses Übel sei ein Einfallstor für Destabilisierung und wirtschaftliche Stagnation.

Polizeipräsident Kandt skizzierte die Schwerpunkte der Berliner Polizeiarbeit. In der deutschen Hauptstadt sei eine Bürgerpolizei entstanden. Die Rede ist von einem „Servicecenter“ – nicht nur für die Berliner, sondern auch für die zahlreichen Touristen. Die Beamten hielten sich selbstverständlich an die Gesetze und auch an die Menschenrechte. Oberstes Gebot sei die Verhältnismäßigkeit, nicht der Erfolg einer Verhaftung. Transparenz und eine gelebte Fehlerkultur würden das Bild abrunden. Im Zentrum stehe die Zusammenarbeit mit den Bürgern.

Kiew soll ähnlichen Weg gehen wie Berlin

Bei den ukrainischen Journalisten lösten diese Sätze Staunen aus. Wie lange es denn dauern würde, bis so eine Polizei auch in Kiew unterwegs sei, fragte eine TV-Journalistin. Bürgermeister Klitschko senkte den Blick ein wenig ratlos auf seine großen Hände, die er zusammengefaltet auf den Konferenztisch gelegt hatte. Innensenator Frank Henkel sprang ihm bei und antwortete an seiner Stelle – in ausweichender Politikermanier: „Wir in Berlin haben 25 Jahren nach dem Mauerfall viele Erfahrungen gesammelt. Auch damit, einen sozialistisch geprägten Stadtteil mit einem westlichen vereinen zu müssen. Das ist uns gelungen. Das geben wir jetzt weiter.“

Vor ein paar Tagen ist die German-Ukrainian-Government-School gegründet worden. In Zukunft sollen in Berlin und Kiew Verwaltungsfachleute und Polizisten lernen, wie modernes Stadtmanagement aussieht. Ein Delegationsteilnehmer aus Berlin sagte, die Hilfsangebote des Westens für die Ukraine dürften nicht allzu lange auf sich warten lassen. Sollte die jetzige, demokratische Regierung ins Schleudern geraten, stünde das Land vor dem Abgrund.

Das Besuchsprogramm der Berliner sieht unter anderem Besuche im Außenministerium, beim Polizeichef von Kiew sowie Besuche mehrerer Polizeiwachen vor. Der Innenminister, Arsen Awakow, war offenbar nicht bereit, sich mit den Fachleuten aus Deutschland zu treffen. Auch das zeigt, wie zerrissen die Ukraine und die politische Führung in Kiew derzeit sind. Awakow, ein erklärter Gegner des Kurses von Präsident Petro Poroschenko, hofft, in den nächsten Tagen das Kriegsrecht ausrufen zu können. Bei Witali Klitschko stoßen solche Töne auf Abwehr. Wenn es nach ihm ginge, würde seine Stadt einen ähnlichen Weg gehen wie Berlin. Als Henkel anmerkte, Berlin komme auf 25 Millionen Besucher pro Jahr und liege damit auf Platz drei hinter London und Paris, nickte der frühere Boxchampion zustimmend.

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