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Berlin: Berliner Koalition: Auf verlorenem Posten

Der Endspurt bis zur Wahl des rot-roten Senats am Donnerstag hat begonnen. Trotz der auskömmlichen Mehrheit der SPD/PDS-Koalition im Abgeordnetenhaus wird mit einer Zitterpartie gerechnet.

Der Endspurt bis zur Wahl des rot-roten Senats am Donnerstag hat begonnen. Trotz der auskömmlichen Mehrheit der SPD/PDS-Koalition im Abgeordnetenhaus wird mit einer Zitterpartie gerechnet. Unklar ist auf SPD-Seite noch, wer das Finanzressort übernimmt.

Zum Thema Online Spezial: Rot-Rot in Berlin Umfrage: Flierl als Senator - Ist er der Aufgabe gewachsen? Dem Vernehmen nach hat Klaus Wowereit am Freitag die frühere Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (1996 bis 1999) gefragt. Doch ihr Ja gilt als sehr fraglich. Ute Scholle, Präsidentin des Landesrechnungshofes Nordrhein-Westfalen, nahm zu Spekulationen keine Stellung. Jörg-Otto Spiller, Leiter der AG Finanzen der SPD im Bundestag, dementierte gestern Gerüchte zu seiner Person: "Das ist Spinnerei." Und bei der PDS hat sich die als Gesundheits- und Sozialsenatorin vorgesehene Bundestagsabgeordnete Heidi Knake-Werner bis zum heutigen Dienstag Bedenkzeit erbeten.

Die Fraktionen von SPD und PDS müssen heute ihre Senatskandidaten nominieren. Bis dahin lässt sich der Regierende Klaus Wowereit Zeit, seine fünf Kandidaten förmlich vorzuschlagen. Bei der SPD stehen Klaus Wowereit und die Senatoren Peter Strieder (Stadtentwicklung), Klaus Böger (Schule, Jugend, Sport) sowie Ehrhart Körting (Inneres) zur Wiederwahl. Als Justizsenatorin hat Wowereit eine West-Frau aus dem Osten gewonnen: Karin Schubert, bisher Justizministerin in Sachsen-Anhalt. Die PDS hat Gregor Gysi als Wirtschaftssenator und den früheren Baustadtrat von Mitte, Thomas Flierl, als Kultursenator benannt.

Annette Fugmann-Heesing war als stellvertretende SPD-Landesvorsitzende an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. Ihre Bedenken gegen Teile der Vereinbarung zur Sanierung des maroden Landeshaushalts sind bekannt. Bei der letzten Senatsbildung der Großen Koalition 1999 hatte sie ihr Amt verloren. Das Finanzressort ging an die SPD. Fugmann-Heesing gilt als sehr streng in ihrem Konsolidierungskurs und als schwierig im Umgang. Seit Finanzsenatorin Christiane Krajewski im Dezember ihren Weggang angekündigt hat, ist Wowereit in Verlegenheit mit der Besetzung des härtesten Jobs im Senat. Er bekam Absagen, unter anderem von der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Hendricks. Auch Wilma Simon, Ex-Finanzministerin in Brandenburg, winkte ab. Der Bundestagsabgeordnete Volker Kröning, einst Finanzsenator in Bremen, sagte gestern, er sei weder gefragt worden, noch stehe er zur Verfügung.

Die Partei- und Fraktionschefs von SPD und PDS werden die Koalitionsvereinbarung, die am Wochenende von den Parteitagen gebilligt wurde, am Mittwoch unterzeichnen. Angesichts der bedrückten Stimmung in der SPD herrscht Nervosität, dass nicht alle Senatoren problemlos gewählt werden. Es könne knapp werden, hieß es gestern bei der SPD, "aber alle wissen, was auf dem Spiel steht". Die SPD-Fraktion kommt aber vorsichtshalber vor der Parlamentssitzung zu einem "Zählappell" zusammen. Mit Flierl stelle die PDS die SPD auf eine "harte Gedulds- und Disziplinprobe", hieß es schon vor Tagen.

Von den 141 Abgeordneten stellt die Koalition 77 (44 SPD, 33 PDS), die Opposition 64 (35 CDU, 15 FDP, 14 Grüne). Der Regierende braucht für seine Wahl die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das sind 71, wenn alle da sind. Bei seiner ersten Wahl am 16. Juni fehlten Wowereit drei rot-grüne Stimmen. Für die Wahl der acht Senatoren sind mehr Ja- als Nein-Stimmen erforderlich; Enthaltungen zählen nicht mit.

Trotz dieser niedrigeren Hürde sind in Berlin schon Senatoren durchgefallen, so Horst Korber (SPD) 1979 und Elmar Pieroth (CDU) 1981. Peter Strieder schrammte mit seinen traditionell schwachen Wahlergebnissen am Durchfallen vorbei. "Ein gutes Pferd springt knapp", kommentierte er zur rot-grünen Senatswahl am 16. Juni. Befürchtet wird, dass sich die miese SPD-Stimmung ihr Ventil bei der PDS suchen könnte. In der SPD ist Kritik am Führungsstil Wowereits zu hören, gepaart mit Bedenken gegen Rot-Rot, gegen die Umwandlung des FU-Klinikums Steglitz in ein Allgemeinkrankenhaus und Unzufriedenheit mit anderen Kürzungsplänen. Proteste in der Öffentlichkeit haben zur Verunsicherung beigetragen.

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