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Berlin: Berliner Koalition: Der Robin Hood der Sozialisten

Stefan Liebich ist ein höflicher junger Mann. Ein Blondschopf mit keckem Bärtchen und zielstrebigem Blick.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Stefan Liebich ist ein höflicher junger Mann. Ein Blondschopf mit keckem Bärtchen und zielstrebigem Blick. So ein Robin-Hood-Typ. Seine Anliegen trägt er unbekümmert, mit gewinnendem Lächeln vor. Manchmal spricht er etwas staksig, als zitiere er aus einem Parteiprogramm. Aber das kann sich noch abschleifen, der Berliner PDS-Landesvorsitzende ist erst 28 Jahre alt. Anfang Dezember wurde er in das hohe Parteiamt gewählt und ist deshalb für die PDS der Verhandlungsführer in den Koalitionsgesprächen mit der SPD.

Zum Thema Online Spezial: Koalition für Berlin Ted: PDS im Senat - Schlecht für Berlins Image? "Das ist schon etwas komisch", gibt er zu, schiebt aber hinterher, dass er sich der Aufgabe gewachsen fühle und von den anderen ernst genommen werde. Die anderen - das sind die Politprofis: Peter Strieder und Klaus Wowereit, Harald Wolf und Gregor Gysi. Kann man neben Gysi überhaupt Verhandlungsführer sein? "Na klar, auf gleicher Augenhöhe sogar", sagt Liebich und lacht spitzbübisch. "Wir klären von Fall zu Fall, wer die Gesprächsführung übernimmt". Und es ist auch nicht so, als müsse der PDS-Landeschef das politische Geschäft erst lernen.

Zwei Monate nach der Wiedervereinigung, da wurde er volljährig, trat Liebich in die PDS ein. Nachdem er 1989 den Marxistischen Jugendverband "Junge Linke" mitgegründet hatte. Zu DDR-Zeiten war er mal FDJ-Sekretär. In der PDS Marzahn, dem zweitgrößten Bezirksverband in Berlin, betrieb er nach der Wende "Kommunalpolitik mit dem Herzen". Seit 1995 sitzt er, von den Biesdorfer Bürgern mit einem Direktmandat versehen, im Abgeordnetenhaus. Zeitweilig als wirtschaftspolitischer Sprecher, inzwischen ist er auch Haushaltsexperte. Die Marzahner Interessen hat er im Hauptausschuss des Parlaments nie aus den Augen verloren, aber jetzt fehlt dem Vorsitzenden des PDS-Bezirksverbandes die Zeit für kommunale Angelegenheiten.

Außerdem ist Liebich nach Prenzlauer Berg umgezogen, unter seiner Leitung wurde das jüngste Wahlprogramm der Berliner PDS erarbeitet und er richtet den Blick längst auf das Große und Ganze. "Wir verfallen nicht in blinden Populismus" versprach er vor zwei Wochen in einem Tagesspiegel-Interview. Die PDS werde eine konstruktive Oppositionspartei sein. Doch nun hat - unverhofft kommt oft - Liebichs Landesverband voraussichtlich ab Januar 2002 die Chance, eine konstruktive Regierungspolitik zu betreiben. Innerhalb der PDS ist der smarte Nachwuchspolitiker ein Reformer. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik macht er sich für einen pragmatischen, unideologischen Kurs stark. Erfolgreich.

Liebich könne zusammenführen und vorantreiben, hat die vorherige PDS-Landeschefin Petra Pau ihn gelobt. Im Abgeordnetenhaus hat er sich durchgeboxt, gilt bei SPD-, Grünen- und CDU-Politikern als seriöser, im Umgang unkomplizierter Gesprächspartner. "Gucken, was machbar ist", lautet seine Devise. Getränkesteuer? Warum nicht. Wenn sich damit die Erhöhung der Kitagebühren verhindern lässt. Olympische Spiele in Berlin? Nichts gegen Großveranstaltungen, aber nicht um jeden Preis. Militäreinsätze mit UN-Mandat, um kurz in die Weltpolitik abzuschweifen, schrecken ihn nicht. Man täusche sich trotzdem nicht: Der Pragmatiker Liebich ist in der Sache hart und hält das Fähnlein der PDS hoch. Hart sparen - ja. Aber sozial gerecht und in der Bildung müssen erkennbar Prioritäten gesetzt werden. Liebich meint das ernst.

Mit jungen SPD-Funktionären hat er schon Anfang des Jahres rumgekungelt. Ein "politisches Bündnis mit den Sozialdemokraten" regte er schon vor der Abgeordnetenhauswahl 1999 an. Macht er überhaupt etwas anderes als Politik? Naja, ein richtiges Hobby pflegt er nicht. "Ich sammle keine Briefmarken", sagt Liebich und lacht. Schon die Vorstellung findet er komisch. Mal ins Kino gehen, mit Freunden ein Bier trinken, ab und zu ein Buch lesen. Das war es auch schon für den Junggesellen, und seit ein paar Tagen ist selbst dafür kein Raum mehr. "Ich bin eben ein Vollzeit-Politiker."

Betriebswirt hätte er auch werden können, in einem großen Unternehmen. Immerhin hat er das Fach gelernt, 1992 bis 1995 an der Technischen Fachhochschule Berlin. Mit zehn Jahren ist er aus seiner Heimatstadt Wismar hierher gezogen, hat an der Erweiterten Oberschule das Abitur gemacht. Aber Liebich zog es magisch in die Politik. In die Partei, ins Parlament. In die Regierung? Staatssekretär oder so? "Nicht wirklich", sagt Liebich. Er sei voll ausgelastet. Aber es macht ihm Spaß, um ein rot-rotes Regierungsprogramm zu feilschen. "Das Verhandlungsklima ist ausgesprochen gut."

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