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Nicht nur Bürgermeister von Berlin: Klaus Wowereit hat in seiner Funktion als Kultursenator den Haushalt im Ausschuss vorgestellt.

© dpa

Berliner Kulturhaushalt: Zehn Millionen für die freie Szene

Endlich steht er fest: Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat den Haushalt im Kulturausschuss vorgestellt. Er ist im zweistelligen Bereich gewachsen. Wieder einmal folgt eine hitzige Diskussion um die Bezuschussung der freien Szene.

In einer Stadt wie Berlin, die wirtschaftlich seit Jahren vor sich hinschwächelt, kulturell aber hell strahlt – und sich zu einem guten Teil über die Künstler definiert, die in ihren Mauern leben – ist der Kulturhaushalt wahrscheinlich noch stärker ein Politikum als anderswo. Der Senatsentwurf für die Jahre 2014 und 2015 liegt vor, im August sollte er im Kulturausschuss debattiert werden – was trotz heftigen Protestes der Oppositionsparteien vertagt wurde. Jetzt also endlich: Klaus Wowereit hat in seiner Funktion als Kultursenator den Haushalt im Ausschuss vorgestellt, die Sprecher der anderen Fraktionen durften ihn kommentieren.

Im zweistelligen Bereich ist der Haushalt gewachsen, er umfasst jetzt 379 Millionen Euro für 2014 und 396 Millionen für 2015. Berlin müsse sich nicht verstecken, sagt Wowereit, es könne vielmehr stolz sein. Viele Menschen kämen hierher, um sich zu verwirklichen oder das reichhaltige Kulturangebot zu genießen. „Woanders gehört die Kultur oft zu den Verlierern der Haushaltsverhandlungen, bei uns wächst sie überproportional zu den anderen Ressorts“ – wenn auch das meiste Geld den festen Strukturen, der Opernstiftung, den Theatern oder den Gedenkstätten zugute kommt. Grundsätzliches zur Rolle der Kultur in der Hauptstadt sagt er nicht, mit Ausnahme des Neubaus der Zentral- und Landesbibliothek in Tempelhof: Sie sei Ausdruck der demokratischen Entwicklung einer Stadtgesellschaft. „Wer den Verlust des Lesens beklagt, sollte sich über die Beliebtheit dieser Bibliothek und ihren Neubau freuen“, so Wowereit.

Er ahnt, dass die meisten Besucher dieser Sitzung wegen eines anderen Themas gekommen sind: Wegen der freien Szene, wegen der vielen prekär arbeitenden Musiker, Theaterleute und Ausstellungsmacher, für die nur zehn Millionen Euro im Haushalt vorgesehen sind. Wowereit versucht Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Immerhin würde damit das Niveau des Vorgängerhaushaltes gehalten. Und nach dem Maßstab des Machbaren seien zehn Millionen eine Menge.

Debatte um die freie Szene

Feuer frei für die anderen Fraktionen. Die wissen, dass man gegen einen wachsenden Kulturhaushalt erst mal nicht so einwenden kann, und stürzen sich auf die Debatte um die freie Szene – die Achillesferse des Haushalts. „Dass Sie sich hier abfeiern lassen, Herr Wowereit, weil Sie den großen Häusern eine bereits vereinbarte Tarifanpassung gewähren, die diesen zusteht, das finde ich bemerkenswert“, legt Sabine Bangert von den Grünen vor.

Ihre Partei fordert einen Aufstockung um fünf Millionen mit Mitteln aus der City Tax, die nächstes Jahr eingeführt wird – für die freie Szene, aber auch für die Tanzcompagnie von Sasha Waltz. „Geist ist noch flüchtiger als Kapital, halten wir ihn fest, hier und heute“. Öl ins Feuer gießt Stefan Schlede, Sprecher der CDU-Fraktion, die mit Wowereits SPD koaliert. Über die freie Szene sagt er: „Die wollen sich nehmen, was die Etablierten haben, um zu werden, was diese sind.“ „Das ist falsch!“, brüllt es aus dem Publikum. Es ist Jochen Sandig, der Sprecher der „Koalition der Freien Szene“. Dass Schlede dann anmahnt, noch nicht über die Verteilung einer Steuer zu reden, die noch gar nicht eingeführt ist, erbost Wolfgang Brauer von den Linken besonders: Würde das denn Finanzsenator Nußbaum anders machen? Seiner Kollegin Bangert stimmt er bei: Tarifanpassungen – der Hautgrund für die Erhöhung des Kulturhaushaltes – seien ein völlig normaler Vorgang, für den man sich nicht feiern lassen müsste: „Pactu sunt servanda“.

Was soll diese ganze Kulturförderung überhaupt?

Recht launig, aber gewohnt voll bärbeißiger Ironie, thematisiert Christopher Lauer von den Piraten dann Grundsätzliches: Wie gut, dann man diese Aussprache verschoben habe, da ja alle Beteiligten in der Zwischenzeit so viel Neues erfahren hätten. Er vermisst Visionen: Was soll diese ganze Kulturförderung überhaupt? Warum ist uns Kultur eigentlich so wichtig? Nur, um die Leute von der Straße zu kriegen? Oder ist da mehr? „Ich hätte auch nichts dagegen, wenn sich der Ausschuss nur noch zu Haushaltsverhandlungen trifft. Dann bezeichnen wir eben das als die ‚Grundlagen der Kultur in Berlin’“. Im Übrigen hätte er eine interessante Webseite gefunden, die historische Inflationsverläufe nachzeichne: Die aktuelle Haushaltsaufstockung würde nicht mal die Inflation ausgleichen. Eisiges Schweigen im Plenum.

Was folgt, sind eine Reihe von Änderungsanträgen, darunter interessanterweise ein Zuschuss von 35.000 Euro für die vom Aus bedrohte Kammermusikreihe Spectrum Concerts von Frank Dodge im Kammermusiksaal. Eine ominöse Tischvorlage macht die Runde: Die Koalition möchte doch noch 3,7 Millionen Euro für die freie Szene zuschießen, die aber nicht aus Umschichtungen innerhalb des Haushalts finanziert werden sollen, sondern eine Aufstockung darstellen. Darüber entscheiden soll aber erst in einigen Wochen der Hauptausschuss – an den ein „Prüfauftrag“ ergeht. Eine Finte wahrscheinlich, um die Kritiker zu besänftigen. „Prüfaufträge sind die mächtigste Waffe der Koalition“, sagt Brauer, „um Themen zu verzögern, die ihr unlieb sind.“ Wie der Hauptausschuss entscheiden wird, kann man sich vorstellen. Bis Jahresende kommt der Haushaltsentwurf dann ins Parlament. Und dann ist das Thema vom Tisch. Bis 2016.

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