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Berlin: Berliner Muslime: Bedrohte Gemeinschaft

"160 Kulturen in einem Kiez" steht auf einem Faltblatt im Interkulturellen Haus. Auf dem Wandgemälde neben der offenen Eingangstür laden fröhliche Gesichter aller Hautfarben die Besucher ein.

"160 Kulturen in einem Kiez" steht auf einem Faltblatt im Interkulturellen Haus. Auf dem Wandgemälde neben der offenen Eingangstür laden fröhliche Gesichter aller Hautfarben die Besucher ein. Hier, in der Geßlerstraße treffen sich einmal im Monat die Vertreter der Tempelhof-Schöneberger Arbeitsgemeinschaft der Immigranten und Flüchtlingsprojekte, um sich über ihre gemeinsame Arbeit auszutauschen. Deutsche und Ausländer aus 20 Nationen haben einen Multikultiverein gegründet. Im Café ist jeder willkommen, das Haus ist unter anderem Hauptsitz der Assyrischen Union, des Vereins koreanischer Krankenschwestern und Pfleger und der Universal Zulunation, der deutschen Sektion der Hip-Hop-Gemeinde.

Auch Mohammed Herzog, der Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime und Freunde des Islam, hat hier ein kleines Büro. Der 57-jährige gebürtige Berliner hieß früher Hartmut Herzog, arbeitete viele Jahre für den amerikansichen Baptisten-Missionar Billy Graham, bevor er 1979 zum Islam übertrat. Seit sich der Verdacht erhärtet, radikal-islamische Terroristen könnten für die Anschläge in den USA verantwortlich sein, ist auch die islamische Gemeinschaft zum Ziel von Drohungen geworden. Mohammed Herzog sitzt im Café und hält eine Postkarte in Händen. "Ein Mensch", steht auf dem Absender: "Was ist das für eine Religion, die schon Kinder zum Hass erzieht - pfui, pfui, pfui", steht auf der Rückseite der Karte, die in Karlsruhe abgestempelt wurde. "Ich wünsche, dass wir Muslime endlich aufwachen. Wir müssen den Menschen zeigen, was der Islam wirklich ist." Für Mohammed Herzog ist klar: "Wer immer die Hintermänner dieser blutigen Tat sind, bei dem Islam können sie keine Rechtfertigung finden. Terroristen können sich nicht auf den Islam berufen."

Manche sehen das leider anders. 15 Anrufer haben Mohammed Herzog seit Donnerstag beschimpft, beleidigt und bedroht - einer sogar mit dem Tod. "Ich lege nicht auf, wenn ich solche Anrufe bekomme", sagt er, "sondern höre mir an, was die Leute zu sagen haben und spreche mit ihnen". Bei manchen habe sich dann herausgestellt, dass sie mit ihrer Verzweiflung über den Terror in den USA nicht fertig werden, sagt Herzog und erzählt von einer Frau, die ihn wüst beschimpft habe. Es sei eine Frechheit, jetzt Islamunterricht an Berliner Schulen abzuhalten, habe sie gesagt, und sie denke jetzt darüber nach, wegzuziehen, weil sie nicht wolle, dass ihre Kinder gemeinsam mit muslimischen Kindern in einem Klassenzimmer sitzen. "Im Verlauf des Gesprächs hat sich dann herausgestellt, dass sie Jüdin ist, und als ich ihr erzählte, dass ich den Rabbiner Stein kenne und mit ihm gemeinsam einen interreligiösen Gesprächskreis gegründet habe, hat sie sich entschuldigt."

Ein Polizist erscheint im Café. Wer hier verantwortlich sei für das Haus, fragt er. "Ich komme, weil sich die Polizei Sorgen macht um die Sicherheit hier, weil wir Angriffe auf Türken, Araber und andere befürchten." Marco Ogorek ist Kommissar der Schutzpolizei. "Treffen Sie eigene Vorkehrungen für Ihre Sicherheit?", will er wissen.

Mohammed Herzog bittet ihn in sein Büro. Der Anrufbeantworter hat am Donnerstagabend um 22 Uhr 56 die Stimme eines Mannes gespeichert, der eine Todesdrohung aussprach. "Ich will euch jetzt mal mit Schweinefleisch füttern", sagt die Stimme, "euch die Kehle hinterher durchschneiden, ihr gläubigen Säue. Ihr habt ausgedient auf unserer Welt."

Marco Ogorek zückt sein Notizbuch, lässt sich die Worte noch einmal vorspielen. Der Anruf wurde digital gespeichert, ein Tonband gibt es nicht. Der Polizist schreibt mit, dann bittet er Mohammed Herzog, das Büro kurz zu verlassen. Er will mit der Kripo telefonieren.

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