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Frau bremst besser. Auf dem Betriebshof Müllerstraße werden die Nachwuchskräfte für den Straßenverkehr geschult.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Nahverkehr: Bitte einlenken: Die BVG sucht Busfahrerinnen

Die BVG will mehr Frauen als Busfahrerinnen einstellen. Begründung: Weil die das besser können! Voraussetzungen: Keine. Kann das denn so einfach sein? Ein Selbstversuch.

Die Sache mit den Beinen ist jetzt natürlich ein Problem. Die Gaspedale liegen in unerreichbarer Ferne im dunklen Fußraum, die Füße baumeln in der Luft.

Der weiße Knopf am Boden, sagt Roland Klink und zeigt in den Fußraum, da treten Sie mal drauf. Plötzlich senkt sich die gesamte Armatur inklusive Lenkrad freundlich hinab. Der Fahrlehrer, ein vertrauenswürdiger Herr mittleren Alters, Brille, ruhige Stimme, grinst. Mit zwei Handgriffen stellt er auch den Sitz bis zum Anschlag nach vorn, bis der rechte Fuß, gerade so, Gaspedal und Bremse erreicht. Der linke darf weiterbaumeln, die BVG fährt Automatik.

1,60 Meter muss man groß sein, um bei der BVG eine Ausbildung zur Busfahrerin machen zu dürfen, die Beine, der Sitz, das erschließt sich sofort. Viel mehr Voraussetzungen gibt es eigentlich nicht, um einen Bus durch die Stadt lenken zu dürfen.

Nur 6 Prozent der Busfahrenden sind Frauen

Die BVG sucht Frauen am Steuer. Von 4000 Busfahrenden in der Stadt sind nur 253 weiblich, 6,2 Prozent, da geht noch was. Zumal die BVG sich zum Ziel gesetzt hat, die Frauenquote im Gesamtunternehmen bis 2020 von 18 auf 25 Prozent zu steigern.

„Gerade bei den Busfahrerinnen können wir uns noch verbessern“, sagt BVG-Sprecher Markus Falkner und steigt in den Bus, Name: 1410, kleiner Gelber, Eindecker ohne Gelenk, Dieselmotor, zwölf Meter lang, zwölf Tonnen schwer, zulässiges Gesamtgewicht: 18 Tonnen, 70 Fahrgäste.

Auf dem Parkplatz des Betriebshofs an der Müllerstraße 79 in Wedding brennt schon morgens die Sonne. Hier in der anliegenden „Verkehrsakademie Omnibus“ wird der Nachwuchs für den Straßenverkehr ausgebildet. Im Minutentakt knattern die Flugzeuge über das Gelände hinweg, so tief, dass man von hier unten jeden Schriftzug genau lesen kann.

Frauen sind die "besseren Fahrerinnen"

Roland Klink brüllt dagegen an. Frauen hätten oft Hemmungen, sich für diesen Beruf zu entscheiden, sagt er, „dabei sind sie die besseren Fahrerinnen.“

Hier auf dem männerdominierten Betriebshof ist das keine Einzelmeinung. Ausbilder Fred Waldenmaier, 53, erklärt das gern mit Keulen und Höhlen. Während die Männer früher mit den Keulen draußen rumgerannt sind, hätten die Frauen in der Höhle gesessen und gequatscht. „Deswegen können Frauen heute besser kommunizieren“, sagt er und zwinkert.

Fahrschule für Frauen. Denn die können besser Bus fahren.
Fahrschule für Frauen. Denn die können besser Bus fahren.

© Kitty Kleist-Heinrich

Scherz beiseite, die Ausbildung, sagt der Ausbilder, sei heute viel weniger technisch. Früher hätten Busfahrer gelernt, einen Reifen zu wechseln, hätten im Zweifel kleine Reparaturen durchführen müssen. „Heute macht das niemand mehr, da ist Service viel wichtiger.“

„Und Deeskalation“, sagt Sprecher Falkner. Streitigkeiten gebe es leider immer wieder in Bussen, wenn die Zahl auch rückläufig sei. „Es hat sich gezeigt, dass es in heiklen Situationen eine positive Wirkung hat, wenn eine Frau am Steuer sitzt.“ Viele Beispiele gebe es dafür aus anderen Städten wie Zürich.

Und überhaupt könne es sich kein Unternehmen angesichts der demografischen Entwicklung leisten, die Frauen am Straßenrand stehen zu lassen. Weil der Senat zudem kürzlich die Angebotsverbesserung für einige Linien beschlossen hat, stellt die BVG derzeit zusätzlich zum normalen, altersbedingten Ausscheiden, 60 neue Busfahrende ein – zusätzlich zu den rund 250, die jährlich ausgebildet werden.

Kraft braucht es nicht

Eine gute Gelegenheit, die Quote zur erhöhen, findet auch Roland Klink, der Fahrlehrer und Frauenfreund. Ran ans Lenkrad, die Damen.

Kraft, sagt Klink, braucht es nämlich überhaupt nicht mehr, um dieses riesige schwarze Teil zu drehen. Aber früher hat man ja selbst im Polo mehr Muckis gebraucht. „Mit dem roten Knopf die Tür schließen“, sagt er, zurückbleiben, bitte! Dann den schwarzen Hebel links neben dem riesigen Fenster nach oben ziehen und so die Feststellbremse – andernorts Handbremse genannt – lösen, Bremse treten nicht vergessen, sonst rollt das Teil gleich los.

Frauen haben mehr Gefühl in den Beinen, sagt Roland Klink. „Die Druckluftbremse ist relativ giftig, das haben die meisten Frauen viel schneller raus.“ Und wir wollen ja nicht, dass die Leute durch den Bus fliegen.

Jetzt rollt er, langsam, Gas geben, alles wie beim Pkw. Beim ersten Mal zickt die Bremse wirklich, doch es ist ein bisschen, wie einen fremden Wagen zu fahren: Nach zwei Malen hat man’s raus. In den ersten Kurven hakt es noch etwas, „viel näher an die Kante ranfahren“, sagt Roland Klink, der Winkel ist anders. Dann: einfach Gas geben.

2000 Euro brutto plus Zulagen

Im Linienverkehr muss man sich übrigens nicht anschnallen, sagt das Gesetz. Was für die Fahrgäste gilt, gilt auch für die Fahrerin, ungewohnte Freiheit auf dem Bock, Chefin der Straße.

Nach einem Schnuppertag im April hätten sie 2000 Bewerbungen erhalten, sagt Markus Falkner noch. 25 Prozent Frauen, ein Erfolg. Schulabschluss nicht nötig, nur die Grundrechenarten müssen sie beherrschen, wegen der Fahrscheine.

Die ersten beginnen im Juni die Ausbildung, Dauer 110 Tage, 58 Fahrstunden à 45 Minuten, inklusive Überland- und Nachtfahrten, Autobahn. Dann raus auf die Straße. Grundgehalt 2000 Euro brutto, plus Zulagen für Nachtfahrten und Wochenenden.

Bleibt nur noch eine Frage zu klären. Haben Frauen eigentlich auch Nachteile gegenüber ihren männlichen Kollegen am Steuer? Da überlegen die drei Herren lange. Und schweigen.

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