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Berliner Parks: "Kollege, guckst du nach Beet, ja?!"

In den Gleisdreieck-Park wurde viel Geld gesteckt, jetzt wird dort randaliert. Auf dem Flughafenareal kennt man so was nicht, auch am Mauerpark gibt’s Fortschritte. Das hat Gründe.

„Ernte-Glück“ steht auf der Holzlatte – die Buchstaben sind mit Bierdeckeln ins Holz gehämmert. Ein paar Meter weiter, vorbei an Hochbeeten in Paletteneinfassung mit Häkelgardine, Sitzbank, Kletteraffe und Balischirm, führt ein ausgesägter Türrahmen den Beetbesitzer ins Paradies: „Heaven is right here“, steht auf einem Holzstück, darunter baumelt ein Teekessel mit Basilikum.

Auf ein paar tausend Quadratmetern Fläche ist im Park auf dem alten Flughafen Tempelhof ein Biotop gewachsen, ein alternatives Gärtneridyll. Das bleibt verschont von Randale oder Vandalismus. „Der ganze Park Tempelhofer Freiheit ist nicht vermüllt, nicht besprüht, deswegen komme ich oft und gern hierher“, sagt Conny Roth, 46, aus Neukölln. Wie kann das gelingen, mitten in Nordneukölln und Kreuzberg – anders als beim Park am Gleisdreieck? Der ist gerade mal seit drei Wochen geöffnet, und schon sind vielerorts Spuren der Verwüstung zu sehen.

„Ich glaube, das liegt daran, dass die Besucher hier in Tempelhof die Menschen hinter dem Projekt sehen“, sagt Meytal Rosenthal, 27, Wahl-Berlinerin aus Israel. Sie bruncht im Schatten eines von Irgendjemandem gezimmerten Birkenhains. Jurastudent Marvin Purwein, 26, hat den Bauprozess am Gleisdreieck beobachtet. „Der Vandalismus ist bestimmt auch Sabotage von Linken.“ Autonome und auch Anwohner hatten gegen den modernen Park demonstriert, der insgesamt 18 Millionen Euro kostet.

Lea Egloff gärtnert sonst in Zürich, jetzt erntet sie in den Flugfeldhochbeeten mit Namen wie „Schubidu“ „Giardino Italiano“ oder „Frei & Bauernstaat Pömpsbüttel“ Salbei, Koriander, Kräuter. „Ich denke, hier hat jeder Ehrfurcht, weil man sieht, wie viel Energie, Liebe und Motivation reingesteckt wird.“ Der Gleisdreieck-Park sei zu großen Teilen von oben herab geplant, war während des Baus abgezäunt – aber hier entstehe etwas „von unten“. Man leiht sich Hammer und Spaten, gießt füreinander, Alt und Jung, Deutschdeutsch und Migrantisch. „Kollege“, ruft ein türkischer Herr die arabischen Jungs. „Kollege, guckst du nach Beet, ja?“ Hakki Demir, 75, bietet einer Erzieherin seine Bank an, er spielt Karten. Warum das hier klappt? „Freundschaft“, sagt sein türkischer Freund.

So identifizieren sich die 1000 Besitzer und Helfer der 280 Hochbeete auf 5000 Quadratmetern des Gemeinschaftsprojekts Allmende Kontor mit dem Ort. Allmende, Stadtteilgarten Schillerkiez, Rübezahl, Lernort Natur – die Pionierflächen sind voll, gegen Spenden vergeben, meist um die 20 Euro für die Erde, jetzt wird Wintergemüse gesät. „Da ist Herzblut mit reingepflanzt“, sagt Allmende-Vertreterin Kristin Radix, „und es ist ja immer einer da.“ Es sei auch gut, dass der Park nachts zu sei, und dass man sich mit den freundlichen Wachschützern grüße.

Im Park am Kreuzberger Gleisdreieck soll erst einmal alles so bleiben wie es ist. Zwar berichten Anwohner von Zerstörung, Graffiti, auch von Saufgelage und Steinwürfen auf die ICE-Trasse, dennoch ist eine Aufstockung der zwei hauptamtlichen Parkwächter laut Stadtentwicklungsverwaltung nicht vorgesehen. Sie sind montags bis freitags im Dienst.

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) kündigt aber den Einsatz von Parkbetreuern an: Die Angestellten der senatseigenen Gesellschaft Grün Berlin sollen mit einem umweltpädagogischen Ansatz schon die Entstehung von Müllbergen verhindern. Ordnungsrechtliche Kompetenzen haben sie nicht. Bei Vandalismus und Drogenhandel müssten sie die Polizei rufen. Einen Sicherheitszaun mit Gittereingängen will Bezirksbürgermeister Schulz nicht errichten lassen („Die Nutzung ist Bürgerrecht“). Der ehemalige Flughafen Tempelhof dagegen wird abends abgeschlossen; derzeit ist der Park von 6 Uhr bis 20 Uhr 30 geöffnet, angepasst an den Sonnenuntergang.

Auch im Mauerpark in Prenzlauer Berg gab es viele Jahre Probleme mit Müll und Drogen. Anwohner und Gewerbetreibende gingen in Abstimmung mit dem Ordnungsamt zur Selbsthilfe über. Alexander Puell vom Verein Freunde des Mauerparks sagt: „Wir haben das Glück, dass wir mit dem Mauerparkflohmarkt einen Gewerbetreibenden haben, der sich sehr für den Park engagiert. Sonntags säubern die Flohmarktmitarbeiter den Park, unter der Woche macht es das Grünflächenamt.“

Es gibt auch einen runden Tisch mit Ämtern, Gewerbetreibenden und Anwohnern, und seit vier Wochen einen Infopavillon, in dem Ehrenamtliche „für die Bedürfnisse des Parks sensibilisieren“. Das funktioniere gut – und das bei bis zu 45 000 Besuchern pro Sonntag. In Hinblick auf den Park am Gleisdreieck rät Puell zur Ruhe: „Man braucht Geduld. So ein Park muss sich erst mit Leben füllen. Wenn sich Menschen dort heimisch fühlen, färbt das auf die Besucher ab.“ Ralf Mark Stockfisch von der Initiative Mauerpark kritisiert aber, dass etliche Parkbesucher „gar kein Verhältnis zu Werten und Normen“ besitzen.

In der Neuköllner Hasenheide – wo durch den Wandel der Kieze nun viel mehr junge Familien zu sehen sind – , hat man „das Müllproblem in den Griff gekriegt, indem wir neue Abfallkörbe aufgestellt haben“, sagt Neuköllns Bezirksstadtrat Thomas Blesing (SPD). Und zwar große. In der Hasenheide gebe es zudem nicht viel, das man besprühen könne. „Viele Nutzer kommen immer wieder und lassen deshalb auch ihren Müll nicht liegen. Sie wollen ja in einen schönen Park zurückkommen.“

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