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Unruhiges Fahrwasser. Die Berliner Piratenfraktion sucht weiterhin den richtigen Kurs.

© dapd

Berliner Piraten: Klartext hinter verschlossenen Türen

Die Piraten debattieren intensiv über ihren Fraktionschef und den Vorwurf der Vetternwirtschaft. Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen – und der umstrittene Christopher Lauer hat wichtige Fürsprecher.

Das Bemühen um Normalität war am Dienstagnachmittag unübersehbar. Die Fraktionssitzung der Piraten im Abgeordnetenhaus begann pünktlich. Anträge über Sprachkurse für Migranten oder die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt wurden abgearbeitet. Aber gegen 16 Uhr war Schluss mit Alltag. Der Abgeordnete Alexander Morlang stellte den Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen, um hinter verschlossenen Türen die Kontroverse um Fraktionschef Christopher Lauer auszutragen, „um Klartext zu reden“.

Sieben Stimmen gab's dafür, zwei Enthaltungen und sechs Gegenstimmen. Und dann wurde stundenlang bis in die Nacht hinein diskutiert. Auch über den Kurznachrichtendienst Twitter, der sonst von den Piraten gerne genutzt wird, drang unterdessen nichts nach außen. Erst gegen 23 Uhr kam dann eine vorläufige Stellungnahme der Diskussionsteilnehmer, in der die Einigkeit beschworen wurde. Es sei eine konstruktive Debatte gewesen, hieß es. „Wir sind eine Fraktion und haben den festen Willen, eine Fraktion zu bleiben.“

Lauer hatte am Freitag auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz ungenannte Mitglieder der Fraktion beschuldigt, Gerüchte in Umlauf gebracht zu haben, die ihn der Vetternwirtschaft bezichtigten. Lauer sowie Fraktionsgeschäftsführer Heiko Herberg drohten den Urhebern der Gerüchte mit Sanktionen bis zum Fraktionsausschluss. Hintergrund ist, dass Lauer seit Dezember mit der Mitarbeiterin der Fraktionskollegin Susanne Graf liiert ist und die Mutter dieser Mitarbeiterin im April zur Leiterin der Pressestelle befördert wurde. Für Lauer kein Fall von Vetternwirtschaft, da die Arbeitsverhältnisse schon bestanden hätten, bevor es eine persönliche Beziehung gab.

Auf heftige Kritik stieß Lauers Vorgehen unter anderem bei Susanne Graf. Sie warf ihm vor, von ihm nicht informiert worden zu sein, obwohl es auch um ihre Mitarbeiterin ging. Sie habe das Vertrauen in Lauer verloren. Besonderen Klärungsbedarf hatte der Abgeordnete Fabio Reinhardt. Er erarbeitete einen Katalog mit 33 Fragen an den Vorstand, den er soweit wie möglich öffentlich geklärt haben wollte, worauf sich die Fraktionsmehrheit jedoch nicht einließ. Reinhardt schrieb in einer öffentlichen Erklärung, dass er auch selber schon Opfer von Indiskretionen geworden sei, die mehrfach von Lauer lanciert worden seien. „Ich habe daraus nie einen Skandal konstruiert, sondern die Sache mit einer Prise Zynismus und Gleichmut aufgenommen“, schrieb Reinhardt.

Ob sich Lauer an der Fraktionsspitze halten kann, wird sich in drei Wochen zeigen. Am 11. Juni wird der Vorstand neu gewählt. Außer ihm und dem Co-Fraktionsvorsitzenden Andreas Baum gibt es bisher keine weiteren Kandidaten für die Ämter an der Spitze; Herberg ist der einzige Kandidat für den Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers. Der Abgeordnete Gerwald Claus-Brunner hält die Behauptung Lauers, dass ein Fraktionsmitglied die Vorgänge anonym öffentlich gemacht und gezielt an Medien weitergegeben habe, für nicht haltbar. „Jeder, der auf dem Bundesparteitag war und länger als zwei Minuten hingesehen hat, konnte das erkennen", sagte Claus-Brunner.

Stunden bevor die Fraktionssitzung begann, bekam Lauer Unterstützung vom Landesvorstand der Partei. Transparenz bedeute manchmal auch, dass diese Offenheit gegen einen selbst verwendet wird. „Tatsachen durch anonyme Hinweise zu verfälschen und dadurch einen normalen Einstellungsvorgang öffentlich zu skandalisieren, hat nichts mit Whistleblowing zu tun und ist inakzeptabel“, hieß es.

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