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Die Piraten stellen ihre Wahlplakate vor.

© Christian Vooren

Berliner Piraten: "Wir sind die Partei der Vielfalt und Vielfarbigkeit“

Die Berliner Piraten stellen ihr Wahlprogramm vor. Sie hoffen, genug Stimmen zu holen, um im Parlament als Opposition mitmischen zu können.

Knapp zehn Jahre segelten die Piraten in Berlin – eine bis dahin völlig neue Kraft – mehr oder weniger auf Erfolgskurs, seit sie den Landesverband im Dezember 2006 gründeten. Das Interesse an den Polit-Neulingen ist mittlerweile abgeklungen, und Neulinge sind sie ja inzwischen auch nicht mehr wirklich. Aber sie kämpfen noch, auch wenn es unwahrscheinlich erscheint, dass sie bei den Wahlen am 18. September erneut ins Abgeordnetenhaus einziehen werden. Am Donnerstag haben sie ihr Programm vorgestellt, mit dem sie es trotzdem versuchen wollen. Als käme die Veranstaltung vollkommen überraschend, wird noch eine Minute vor Beginn händeringend nach Reißzwecken gesucht, um die Poster an die Wand zu bringen.

Das passt ins etwas chaotische Bild der Partei, die noch vor einigen Tagen fälschlich den Wahltermin am 28. September vermutete - zehn Tage zu spät. Aber hier kümmert sich kein Referent um so profane Dinge, das erledigen die Kandidaten selbst. Da kann man schon mal durcheinander geraten. Philipp Magalski, Listenplatz 3, steht währenddessen in der Küche und bereitet Schnittchen vor, die zu Fritz-Kola serviert werden. Im Nebenzimmer streiten zwei Piraten über ein längst gedrucktes Plakat – hörbar und bei offener Tür. „Da müssen doch Anführungszeichen gesetzt werden, das versteht Frau Müller auf der Straße sonst nicht“, so der Einwand. Irgendwie schaffen sie es dann doch, die Plakate anzupinnen, die skeptischen Kollegen zu beruhigen und alles zu ordnen, sodass Spitzenkandidat Bruno Kramm das Programm vorstellen kann.

Radikale Ansätze

Darin geht es im Kern um das, wofür die Piraten bereits seit geraumer Zeit werben, nämlich um meist ziemlich drastische Neuerungen. Das bedingungslose Grundeinkommen soll mittelfristig den Mindestlohn ablösen, der Öffentliche Nahverkehr soll für alle Berliner fahrscheinlos werden, finanziert über Steuern. Radikal auch ihr Ansatz in der Schulpolitik: Die Piraten wollen „jahrgangshomogene Klassenverbände“ auflösen und stattdessen ein flexibles Kurssystem einführen. Und natürlich – dafür trat die Partei seit ihrer Gründung ein – spielt auch Transparenz wieder eine zentrale Rolle, was die Politik angeht. Daten und „Werke der Öffentlichkeit“ sollen den Bürgern kostenlos zur Verfügung gestellt werden, ohne dass die explizit danach fragen müssten. Um die Ideen im Abgeordnetenhaus und den Bezirken anzubringen, müssen es die Piraten aber erst einmal über die Prozent-Hürden schaffen.

Die liegt im Abgeordnetenhaus bei fünf, in den Bezirksverordnetenversammlungen bei drei Prozent. 15000 Plakate will die Partei in der Stadt aufhängen. Die 15 unterschiedlichen Motive hat keine professionelle Agentur entwickelt, auch hier haben die Parteimitglieder wieder selbst Hand angelegt. Dabei herausgekommen ist vor allem: viel Buntes. „Wir wollten nicht die typischen Politikerporträts mit Sakko und Schlips. Wir sind immerhin die Partei der Vielfalt und Vielfarbigkeit“, erklärt Kramm die Idee. Den 38-Jährigen erkennt man auf den Plakaten fast nicht. Der Berufs-Musiker hat sich in seiner Bühnen-Verkleidung ablichten lassen. In Friedrichshain-Kreuzberg, einer Hochburg der Piraten, werden zusätzlich eigene Plakate aufgehängt. Darauf zu lesen ist eine Botschaft, mal witzig gemeint, manchmal ernst. Manchmal auch nicht zu entscheiden. Auf einem steht etwa „Unruhe ist Bürgerpflicht“.

„Die einzige konstruktive Protestpartei“

Darunter „#PRTXHN“. Das steht für „Piraten Kreuzberg-Friedrichshain“, dürfte sich aber nur einer eingeschränkten Wählerklientel gleich erschließen. Kramm hofft aber, auf diesem Wege genug Stimmen zu holen, um im Parlament mitzumischen. Er gibt sich betont optimistisch; „Beim letzten Mal standen wir drei Monate vor der Wahl genau da, wo wir jetzt stehen. Wenn die Wähler jetzt langsam anfangen, sich Gedanken über ihre Entscheidung zu machen, wird das schon noch.“ Die Piraten seien im Parlament immerhin „die einzige konstruktive Protestpartei“, das betont der Parteichef immer wieder. Die AfD sei zwar auch eine Protestpartei, „aber destruktiv“. Kramm rechnet mit einem rot-rot-grünen Bündnis nach dem 18. September. Umso wichtiger sei es, Oppositionsarbeit zu leisten. „Wenn das so käme und wir nicht im Parlament sitzen, dann würde die Opposition womöglich aus CDU und AfD bestehen. Es gäbe dann keine linke Oppositionspartei mehr“, sorgt sich Kramm. Dann muss er weiter zum nächsten Termin. Auch viele seiner Kollegen sind auf dem Sprung. Die Piraten sind heute erfahrener als noch vor fünf Jahren, aber erwachsen wirken sie noch nicht. Vielleicht muss das aber auch so sein - bei einer Protestpartei.

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