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Kaiser und Kolonnaden. Die Aufnahme von 1900 zeigt die Das Stadtschloss mit Eosanderportal und das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal mit den Kolonnaden.

© Wikimedia

Berliner Schloss: Wenn die Kolonnaden kommen, ist das Einheitsdenkmal gekippt

Der Bund will die historische Kulisse zum Humboldt-Forum finanzieren. Das wäre das Aus für das Einheits- und Freiheitsdenkmal.

Die Steine werden schon der Spur der Scheine folgen, oder, plakativer gesprochen: Der Bund macht Stadtentwicklung mit dem Scheckbuch. 18 Millionen Euro liegen zur Abrufung bereit für die Rekonstruktion der Kolonnaden gegenüber vom Schloss. So wollte es der Haushaltsausschuss, der das Geld bereitgestellt hat. Das stößt nicht auf ungeteilte Freude – denn wenn die Kolonnaden kommen, sind Fakten geschaffen und das Einheits- und Freiheitsdenkmal gekippt.

Mirakel Wipp.
Mirakel Wipp.

© Kitty Kleist-Heinrich

Erzürnt ist deshalb auch Wolfgang Thierse, Ex-Bundestagspräsident und Aktivist für die Umsetzung des kippelnden Bundestagsbeschlusses zum Bau der Einheitswippe nach Plänen von Johannes Milla: „Damit zeigt der Haushaltsausschuss seine abgrundtiefe Verachtung des Beitrags der Ostdeutschen zur Freiheits- und Demokratie-Geschichte.“ Lieber als der friedlichen Revolution zu gedenken, wolle er „des Kaisers Kolonnaden zurück“. Dabei habe niemand deren Bau gefordert, nicht der Bauausschuss des Bundestags, nicht der Kulturausschuss, nicht der Berliner Senat und auch nicht die Öffentlichkeit.

Der neue Mittelpunkt Berlins

Als mutmaßliche Drahtzieher der „Konterrevolution“ werden die „K und K“-Abgeordneten im Haushaltsausschuss gehandelt, Rüdiger Kruse (CDU) und Johannes Kahrs (SPD). Thierse will sich zu diesen Spekulationen nicht äußern, sagt aber: „Es gibt ein paar Leute, die das Freiheits- und Einheitsdenkmal mit allen Mitteln verhindern wollen“. Mit dieser Entscheidung „straft der Haushaltsausschuss aber seinen eigenen Beschluss Lügen“: Mehrkosten von knapp vier Millionen Euro hatten die Haushälter bewogen, das Einheitsdenkmal zu stoppen – „jetzt geben sie 18 Millionen Euro für Kolonnaden rund um eine leer geräumte Plattform aus“. Das sei „viel Geld für einen absurden Vorschlag“, sagt Thierse.

„Die Beschlüsse fallen fast alle einstimmig“, wiegelt Johannes Kahrs ab und fügt hinzu: „Wir haben viel für Berlin draufgelegt, weil es eine großartige Stadt ist.“ Mit einer Restauration des Kaiser-Denkmals habe der Beschluss zur Rekonstruktion der Kolonnaden nichts zu tun, sondern mit einer „historischen Einbettung“ des Schlosses, damit dieses nicht als „Fremdkörper“ dastehe.

Als „k+k-Coup“ will Kahrs die Entscheidung auch nicht verstanden wissen. Vielmehr sei die Entscheidung bei einem Gespräch mit dem Gründungsintendanten des Humboldt-Forums Neil MacGregor und der Staatsministerin für Kultur Monika Grütters (CDU) gefallen. „Deshalb der Brunnen, die Bauakademie und die Kolonnaden“, sagt Kahrs, als Kulisse für den neuen Mittelpunkt Berlins: das Schloss.

So war das bisher allerdings noch nicht wahrgenommen worden: Während die Bereitstellung von Millionen für die Rekonstruktion der Bauakademie von Schinkel gefeiert worden war, waren bereits die dargebotenen Millionen zur Umsiedlung des Neptunbrunnens vom Rathausforum vor das rekonstruierte Schloss zurückhaltend aufgenommen worden.

„Die Kolonaden würde ich nicht bis aufs Blut verteidigen“

Zumal mit der Übernahme der Macht im Stadtentwicklungsressort des Berliner Senats durch die Linken die Geschenke des Bundes länger auf dem Gabentisch liegen bleiben könnten als erhofft. Die Stadtplanerin Katrin Lompscher hatte sich bisher jedenfalls nicht für eine Rekonstruktion historischer Quartiere ausgesprochen, zumal für die Linke und viele Ost-Berliner die monumentale Stadtinszenierung der SED-Jahre am Alexanderplatz als Kulisse der eigenen Biografie emotional aufgeladen ist.

„Die Kolonaden würde ich nicht bis aufs Blut verteidigen“, sagt Swen Schulz (SPD). Für den Spandauer Bundestagsabgeordneten und Mitglied des Haushaltsausschusses ist es selbstverständlich, dass diese Fragen „mit den Berliner Verantwortlichen, mit dem Kulturausschuss und mit Frau Grütters diskutiert werden müssen“. Der Haushaltsausschuss sei zwar „einflussreich“, der nun getroffene Beschluss sei allerdings „nur eine Ermächtigung für die Bundesregierung Geld auszugeben“ – wenn das Land die Gaben nicht wolle oder sich politisch andere Mehrheiten bildeten, müsse neu nachgedacht werden.

Allerdings ist es kein Geheimnis, dass auch in der Berliner Lokalpolitik das Freiheits- und Einheitsdenkmal vor dem Schloss keinen starken Rückhalt hatte. Fast zehn Jahre sind vergangen seit dem Beschluss des Bundestages, zuerst stieg die Choreografin Sasha Walz aus dem Projekt aus, dann schienen die Mühlen der Behörden bei der Prüfung der Baugenehmigung noch langsamer zu mahlen als ohnehin in der Stadt üblich. Sogar nach einem Spitzengespräch zwischen der Staatsministerin für Kultur Monika Grütters und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der zugleich Kultursenator war, kam nicht wirklich mehr Zug in das Projekt.

Vor allem aber dürfte der eher überschaubare Protest in der Öffentlichkeit Gegner des Denkmals bestärkt und den Haushältern Mut gemacht haben, den zweiten Coup zu wagen. Kahrs jedenfalls sagt: „Das Geld für das Freiheitsdenkmal ist ja nicht gestrichen.“ Es sei ja noch Zeit für einen „neuen Anlauf“, soll heißen: an anderer Stelle.

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