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Gymnasium Tüdesb

© Uwe Steinert

Berliner Schulen: Mit Deutsch und Türkisch bis zum Abitur

Der türkische Regierungschef Erdogan fordert spezielle Schulen für Türken in Deutschland. Das Tüdesb in Berlin-Spandau ist eine, zumindest ist es das erste Gymnasium in Berlin, das von Türken gegründet wurde. Über die Unterrichtssprache gab es nie Diskussionen.

Die 163 Schüler fallen auf, wenn sie morgens um sieben Uhr in die U-Bahnen steigen. Die Jungen des Privatgymnasiums Tüdesb in Spandau erkennt man an den grauen Flanellhosen, weißen Hemden, an den Krawatten und blauen Pullunder. Die Mädchen tragen statt der Hosen blau-weiß karierte Faltenröcke. „Die Kinder sollen sich über die Uniformen mit der Schule identifizieren“, sagt die Schulleiterin. Nicht alle Kinder sind begeistert. „Da wird man blöd angeguckt in der U-Bahn“, sagt ein Junge. „Da gewöhnt man sich dran“, sagt ein Mädchen.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat vor ein paar Tagen gefordert, es müsste türkische Gymnasien in Deutschland geben. Das Spandauer Gymnasium ist eines, zumindest ist es die erste Schule in Berlin, die von Türken gegründet wurde. Sie freuen sich allerdings gar nicht über die verbale Unterstützung des türkischen Premiers. „Wir sind kein Ableger der Türkei“, sagt Horst-Helmut Köller, der als Vorstandssekretär des Trägervereins Tüdesb für die Schule spricht.

Eigentlich unterscheidet sich das Türkische Gymnasium Spandau auch nur wenig von anderen Oberschulen in der Stadt. Es gilt der gleichen Lehrplan wie überall, Unterrichtssprache ist Deutsch. Lediglich drei der 22 Lehrer kommen aus Einwandererfamilien und statt in Religion werden die Kinder in Ethik unterrichtet. Der große Unterschied besteht im zusätzlichen Angebot von Türkischunterricht ab der 7. Klasse. Die Kinder lernen neben Türkisch aber auch Englisch ab der 7. Klasse, später kommt Französisch dazu. Türkisch als Unterrichtssprache, wie es sich Erdogan vorstellt, halten die Lehrer in Spandau für „kontraproduktiv“. Wenn man in Deutschland etwas erreichen wolle, müsse man Deutsch können, sagt Horst-Helmut Köller. Türkisch sollten die Kinder aber auch beherrschen, um der Familie „die Ehre zu erweisen“.

Die türkischstämmigen Eltern, die ihren Nachwuchs zu Tüdesb schicken, wollen, dass ihre Mädchen und Jungen Abitur machen, möglichst studieren und später einen guten Beruf ausüben. Sie betreiben kleine Unternehmen, sind Ingenieure oder Handwerker, wohnen in Kreuzberg, Neukölln und Mitte und nehmen Schulwege von eineinhalb Stunden in Kauf, um ihren Kinder intensiven Sprachunterricht in dem ehemaligen Kasernengelände in der Wilhelmstraße zukommen zu lassen. Anderen Türken ist genau dies suspekt. Sie vermuten, dass die Eltern dies nicht nur wegen der Bildung tun. Seitdem das Gymnasium vor vier Jahren eröffnet wurde, hält sich das Gerücht, dass der Trägerverein Tüdesb einer in der Türkei aktiven, streng konservativen religiösen Bewegung nahesteht, zu deren Anhängern auch Regierungschef Erdogan zählt. Die Schule wies dies stets zurück, Mitglieder des Trägervereins gaben aber offen zu, Fans der Bewegung zu sein.

Das Gymnasium, das mit 28 Schülern startete, hat mittlerweile 163 Schüler. Nebenan eröffnete Tüdesb eine Realschule und möchte eine Grundschule gründen. Mit allen Einrichtungen möchte der Verein nach Kreuzberg ziehen, um die Schulwege zu verkürzen. Auf der Grundschule in Kreuzberg habe seine Tochter nicht genügend Unterstützung beim Deutschlernen bekommen, sagt ein Vater. In Spandau sei das anders, die Klassen mit nur 14 Schülern sind klein. Dafür zahlen die Eltern bis zu 330 Euro Schulgeld im Monat. Ein Teil der Kinder erhalten Stipendien.

Für einen Umzug in den Kreuzberger Bergmann-Kiez stehen die Chancen nicht schlecht. Der Verein möchte das Gebäude der ehemaligen Rosegger-Grundschule übernehmen. Bildungsstadträtin Monika Herrmann (Grüne) unterstützt das Ansinnen. Es gebe immer mehr bildungsbewusste türkischstämmige Eltern, die damit drohten wegzuziehen, weil sie ihre Kinder nicht in öffentliche Schulen im Kiez schicken wollen. Sie kann sich vorstellen, dass das türkische Gymnasium den richtigen Ansatz habe, um sie zu halten.

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