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Berlin: Berliner Sommerkino: Stars unter Sternen - Warum Kino unter freiem Himmel so schön ist: Ein Besuch auf der Museumsinsel

Um halb zehn sollte es losgehen, wenn es fast ganz dunkel ist. Damit man besser sehen kann.

Um halb zehn sollte es losgehen, wenn es fast ganz dunkel ist. Damit man besser sehen kann. Denn erst, wenn es Nacht ist in Berlin, kann man hier so richtig gut sehen. Kann man den Alexanderplatz sehen, die Sonnenallee oder die Nachtgestalten vom letzten Jahr. Aber schon um neun Uhr war die Straße voller Menschen. Als die Sonne noch auf die Kuppel des Domes schien, als die Vögel im Wäldchen dahinter noch quietschten, als würde heute hier Hitchcock gezeigt, und als die Liegestühle noch alle platt aufeinanderlagen. Da standen sie nun, mitten auf der Museumsinsel, und warteten auf den Tod in Venedig.

Sommerkino in Berlin. Und in diesem Jahr zum ersten Mal täglich Open-Air auf der Museumsinsel. Während die Leute vor der Kasse schon mal ein Schlückchen aus der Sektflasche nehmen, flitzen die Leute hinter der Kasse auf dem Platz vor der alten Nationalgalerie wie die Wilden durch die Gegend und legen blaue Liegestühle im großen Halbkreis vor die aufblasbare Riesenleinwand. Mittlerweile leuchtet der Himmel dunkelblau über dem Bodemuseum, die Friedrichsbrücke und die Leuchtanzeigen vom Alexanderplatz schreiben rote und gelbe Buchstaben in die Luft. Ein paar Spaziergänger setzen sich auf die Wiese hinterm Dom, die S-Bahn rumpelt langsam die Dircksenstraße entlang und spiegelt sich in der schwarzen Spree. Die Luft weht warm, und es ist endlich Sommer.

Und mit dem Sommer kommen die Besucher. Mit Freunden, mit Kinderwagen, mit Oma und mit Picknickdecke können sie auf der Museumsinsel Filme sehen, die ihnen die Hollywood-Version der Geschichten von Ausstellungsstücken erzählen, die in den Museen zu sehen sind. Cleopatra mit Liz Taylor zum Beispiel, Michelangelo mit Charlton Heston oder Goya von Konrad Wolf. Und Lawrence von Arabien, den Monumentalschinken, der die Wüste zwischen den Berliner Monumentalbauten ausbreitet, Berlin-Alexanderplatz, Sonnenalle oder Die Legende von Paul und Paula.

Als alle Liegelstühle besetzt sind, haben einige hundert Zuschauer schon dazugelernt. Nämlich wie das Geheimnis eines zusammengefalteten Holzliegestuhl gelöst werden kann. Zuspätkommer finden nur noch vor der ersten Reihe einen Stellplatz und müssen zur Strafe vor den Augen des ganzen, schadenfrohen Publikums des widerspenstigen Stuhls Herr werden. Aber Timothy Grossman und Tobias Hackel vom Kino Balázs wollten es so. Wenn schon Stühle, dann Liegestühle! Die beiden haben das Kino auf der Museumsinsel organisiert und über einen Kredit finanziert. Deshalb macht sie auch der endlich angebrochene Sommer etwas ruhiger. Freiluft-Kino-Zeit. Bis zum 10. September zeigen sie noch Filme. Am 1. September sogar eine Premiere. Den in Deutschland noch nicht angelaufenen, neuen Peter-Greenaway-Film: 8 1/2 Frauen.

Die Besucher, auch die letzten, sitzen nun und verfolgen wie Thomas Manns Professor Aschenbach über Kunst und Schönheit sinniert während er in Venedig zugrunde geht. Über der Leinwand blinzeln drei steinerne Mädchen. Die drei Künste, die auf dem Giebel der Alten Nationalgalerie festsitzen und den Film nur verdreht auf der Rückseite der Leinwand sehen können.

Ab und zu lehnt sich ein Besucher nach hinten, in seinen Stuhl, blickt in den Himmel und denkt an ... vielleicht an den Bryant-Park im Sommer. Den Park hinter der Public Library, zwischen 42nd Street und 6th Avenue in New York. Wenn auch dort, unter freiem Himmel, Filme mit Audrey Hepburn oder Kirk Douglas gezeigt werden. Er macht die Augen zu, hört das Meer um Venedig rauschen und die S-Bahn in Berlin rattern und weiß, warum er Kino im Freien, mitten in der Stadt, so großartig findet.

Kerstin Kohlenberg

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