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Berlin: Berliner Sozialdemokraten: SPD übt Selbstkritik und will jetzt Hauptstadt-Partei werden

Die Berliner SPD will sich ein neues Leitbild geben und endlich "Hauptstadtpartei" werden. "Wir brauchen größere Klarheit, wo wir eigentlich stehen und müssen Vielstimmigkeit künftig vermeiden", forderte gestern der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD will sich ein neues Leitbild geben und endlich "Hauptstadtpartei" werden. "Wir brauchen größere Klarheit, wo wir eigentlich stehen und müssen Vielstimmigkeit künftig vermeiden", forderte gestern der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder. Seit vielen Jahren habe die Sozialdemokratie in Berlin darauf verzichtet, ihren Standort neu zu bestimmen. "Stattdessen bemühte man sich darum, auf Landesparteitagen Personalpakete durchzubringen."

Strieder zeichnete ein selbstkritisches Bild der eigenen Organisation: "Unser Ruf in der Bundespartei ist noch schlechter, als wir es verdienen." Die internen Querelen der Berliner SPD seien nicht unbemerkt am Willy-Brandt-Haus vorbeigegangen. Eine Hauptstadt verlange aber eine Hauptstadt-Partei, sagte Strieder. "Und nicht die Fortsetzung der alten West-Berliner SPD mit anderen Mitteln." Der Landesverband sei zu sehr ins Detail verliebt und dürfe in Zukunft nicht mehr nur "Kiez-Diskussionen" führen, sondern müsse sich verstärkt in die Grundsatzdebatten der Bundes-SPD einbringen.

Im Entwurf für ein Leitbild der Berliner SPD heißt es dazu: "Die Partei muss sich Personen öffnen, die neu in die Stadt kommen. Sie muss sich in die neu entstandene Diskussion über die Entwicklung der Hauptstadt einmischen und sie muss den Kontakt mit neuen gesellschaftlichen Gruppen in der Stadt suchen." Ziel sei es, die politische Meinungsführerschaft in der Stadt wieder zu erlangen und mit den Bürgern eine "funktionierende Kommunikation" aufzunehmen. Leider kontrastiere die der SPD zugeschriebene Sachkompetenz auf vielen Feldern mit einem diffusen Gesamtbild. Es sei der Eindruck entstanden, die Berliner Sozialdemokraten "reden und arbeiten häufig an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei".

Gleichzeitig fehle "Kontinuität von Personen an der Spitze" für die Darstellung nach außen, steht in dem Diskussionspapier, das bis zum Herbst in den Parteigliederungen diskutiert werden und anschließend auf einem Landesparteitag beschlossen werden soll. Es solle kein weiteres 99-Punkte-Programm entstehen, versicherte Strieder. "Wir wollen im Landesverband einen allgemeinpolitischen Konsens finden und öffentlich diskutieren." Das bevorstehende Jahr sei dafür sehr günstig. 2001 finden weder innerparteiliche Wahlen noch eine Wahl zum Abgeordnetenhaus oder Bundestag statt.

Am Leitbild-Entwurf, der von der SPD-Landesspitze inzwischen zur Diskussion freigegeben wurde, haben Strieder, der Vize-Landeschef Hermann Borghorst, Vorstandsmitglied Matthias Linnekugel (ehemaliger Juso-Vorsitzender) und weitere Sozialdemokraten unterschiedlicher Couleur mitgewirkt. Auch Walter Momper, Ex-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing und der Bundesbevollmächtigte des Landes Berlin, Gerd Wartenberg, beteiligten sich zeitweilig an der Arbeitsgruppe.

Berlin als soziale Stadt. Berlin als Stadt des Wissens. Das sind die inhaltlichen Schwerpunkte, an denen sich der SPD-Landesverband abarbeiten will. In dem Papier bekennt sich die SPD weiterhin zum "starken Staat" und zu einem "soliden Sozialsystem, das Teilhabe möglichst vieler an der gesellschaftlichen Entwicklung" ermöglicht. Die Berliner SPD bleibe die Partei der sozialen Gerechtigkeit und setze in einer "Situation der neuen Unübersichtlichkeit" auf Verständigung, Verlässlichkeit und soziales Miteinander. Junge Menschen müssten in Erziehung, Schule und Berufsausbildung optimal gefördert werden. Nur so könne eine "wirkliche Basis für eine zukunftsfähige Entwicklung" gebildet werden. Zwar sehnten sich viele Bürger wieder nach einer schützenden Hand. An der Eigenverantwortung des Einzelnen führe aber kein Weg vorbei.

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